Hallo Anna,
meine Mutter hatte Krebs und hat es mir jahrelang verschwiegen. Ich habe genau gewusst, dass sie was hat, aber sie wollte mir meine “heile” Kindheit erhalten und hat mich “geschont”. Für mich war es keine Schonung! Für mich war es sehr schmerzlich, dass meine Mutter mich nicht ernst genommen hat und mir nicht die Wahrheit anvertraut hat. Sie hat sich mir nicht anvertraut, also habe ich ihr auch nichts mehr anvertraut, damit sie sich nicht aufregt. Man hat sich gegenseitig heile Welt vorgespielt. Ich habe mich gegenüber meiner Mutter genauso verhalten wie sie sich mir gegenüber. Ich habe mit 13 meiner Mutter ein halbes Jahr lang verheimlicht, dass ich meine Tage gekriegt habe. Sie hätte sonst ja wahnsinnig Angst gehabt, weil ich von da an geschlechtsreif war und gefährdet war, geschwängert zu werden. Irgendwann kam es mir dann mal komisch vor, und mir war es zu blöd, ihr immer Binden zu klauen, da kam es doch raus. Aber anderes nicht! Mir sind nach und nach drei Backenzähne abgebrochen, ich hatte Abszesse und Kiefervereiterung, aber ich habe meine Mutter so gut geschont, wie sie mich geschont hat. Sie sollte sich nicht aufregen! Davon hatten wir aber beide nur Kummer. Als sie dann auf dem Wohnzimmersofa fast verblutet wäre (sie musste im KH fast 4 l Blut bekommen) und dann ein halbes Jahr im Krankenhaus lag, musste sie mit der Wahrheit rausrücken, dass auch ihre Eltern schon an Krebs gestorben sind, als sie selbst ein Kind war, und dass sie jetzt daran sterben wird. Sie hat durch die Versteckspielerei nur gelitten und ich auch. Bitte behandle deine Kinder nicht so wie meine Mutter mich, denn sie rätseln dann nur heimlich rum, was mit dir los ist, und dass es wohl was furchtbar Schlimmes sein muss, was du ihnen nicht sagen kannst. Sie werden aufatmen, wenn du ihnen sagst, dass du nicht sterben wirst.
Alles Gute für deine Kinder und dich!!!
Christine