Hallo Pia,
wir sind in seelsorgerischer Betreuung und mir tut das auch gut, nur ist es schwierig, diesbezüglich meine Schwester zu erreichen.
Ich habe zusammen mit ihr eine Patientenverfügung verfasst, die alle wirklich relevanten Punkte enthält. Sie könnte aber auch jetzt schon die enterale Ernährung ablehnen. Macht sie zeitweise schon, damit sie immer mehr abnimmt und somit eine “Chance” hat. Mal ist es ihr zuviel oder zu spät oder es wird ihr übel… Was mach ich dann? Sie überreden und trotzdem die Flasche hinhängen und gegen ihren Willen arbeiten? Oder ihr nachgeben und mir unterlassene Hilfeleistung oder Nachlässigkeit vorwerfen lassen? Was ist richtig, was ist falsch?
Ich kenne die Akzeptanz-Problematik der Patientenverfügung, es gehört als Arzt und auch als Angehöriger viel Mut dazu, nicht mehr einzugreifen, wenn man noch könnte und nur, um den Körper eine Weile länger am Leben zu halten. Ich habe früher in der Diakonie mit Behinderten gearbeitet. Da waren auch Schwerstkranke dabei und die heimliche “Hoffnung” war dann schon, dass derjenige nicht gerade in der eigenen Schicht stirbt.
Aber jetzt bin ich täglich damit konfrontiert. Es ist so ambivalent. Einmal reden wir vom Tod und dann wieder erzähle ich Lustiges oder Nerviges von meiner Arbeit oder den Kindern, mach Blödsinn mit meinem Neffen oder ich beschwere mich über ihre Haare, die wunderbar voll und leider wie Draht sind und ich mich durchkämpfen muss oder wir amüsieren uns über meinen grossen Hund, der erbärmliche Angst vor ihrer kleinen Katze hat (und ihr heimlich den Napf leerfrisst)… einfach so alltägliches. Dann kann sie auch so richtig lachen. Ich weiss nicht, ob es “Momente des Glücks” für sie sind, vielleicht eher Ablenkung.
Aber manchmal fällt mir das so schwer. Dann möchte ich sagen “Lieber Gott, es ist doch nicht viel, ein bisschen mehr Stabilität, ein bisschen mehr Kraft, nur ein bisschen mehr, damit sie wieder einigermaßen für sich selber sorgen kann. Und dass sie mich nicht bitten muss, ihre Tränen wegzuwischen oder die Nase zu putzen. Ist das denn zu anspruchsvoll?”
Dann reisse ich mich wieder zusammen, putz ihr die Nase, lächle und heulen tu ich dann daheim.
Danke für den Zuspruch
Gabi