Kennt jemand MS-Betroffene, denen es nach Eingruppierung in EDSS 9 wieder besser ging und sie runtergestuft werden konnten?
Sind da Remissionen überhaupt noch möglich?
Ich möchte meiner Schwester Mut machen, damit sie die Hoffnung (und sich) nicht aufgibt, aber das fällt mir immer schwerer.
Heute hat sie mich ganz leise gefragt, ob ich sie verachten würde, wenn ich ihr die eingekotete Windel wechsle.
Und ich soll ihr beim Sterben helfen.

Ich weiss, solche Sachen möchte kein Betroffener lesen, weil jeder genau davor Angst hat.

Scheisskrankheit.

Aber ehrlich gesagt brauche ich jetzt grad ein bisschen Zuspruch.
Und ein Taschentuch.

Danke
Gabi

Hallo Gabi

Erstens finde ich toll, dass Du für Deine Schwester da bist. Ich selbst betroffen seit 5 Jahren weiß wenn ich mal so krank bin, weiß ich nicht wer mir helfen wird. Man will es auch niemanden zumuten. Es ist wirklich eine Scheisskrankheit. Wenn es mal so weit ist, ich möchte auch sterben. Jedoch Du darfst Ihr nicht dabei helfen, dass weißt Du sicherlich. Wegen dieser EDSS, ehrlich gesagt, ich weiß gar nicht was ich bin. Kann noch alles selbst machen, jedoch bin an manchen Tagen so erschöpft, dass mir alles so schwer fällt. Letzes Mal sagte ich meinem Neurologen dass ich nur noch lebe für meine Tochter und für meinen Hund. Er spach dann gleich von Depressionen. Hat Deine Schwester etwas an was sie sich halten kann ? Was ihr Lebensmut macht. Wie lange hat Deine Schwester die Krankheit und wie alt ist sie denn ??? Wünsche Dir alles erdenklich Gute. Mely

Gabi, das tut mir sehr, sehr leid für euch beide. Ich kenne niemanden mit so hoher Einstufung, aber ich bin Krankenschwester u. ich weiß, was das für euch beide heißt. Seid ihr in psychologischer o. seelsorge-Betreung. Oft können Patient u. Angehörige so psychisch Entlastung erreichen. In einem so schweren Erkrankungsstadium ist der Wunsch nach Erlösung durch den Tod denke ich nachzuvollziehen. Auch hier könnten euch Gespräche mit Profis zumindest denn größtenn Druck von der Seele nehmen. Das Sterbehilfe in Deutschland strafbar ist muß euch bewußt sein, wenn ihr euch wirklich mit diesem Gedanken tragt. Nicht das nach der Erlösung für die Hinterbliebenen das böse Erwachen kommt!!!!!! Das hat vor Gericht teilweise schon mit Haftstrafen geendet. Fakt ist, daß auch hierzulande Ärzte teilweise Sterbehhilfe leisten. Dies darf jedoch niemals offiziell geschehen, egal wie schlimm Patient u. Angehörige leiden. Das interessiert im Moment noch kein Gericht, ist ein ganz heikles Thema. Wo sollten die Instanzen hier auch die Grenzen ziehen? Ich habe es selbst in meiner Arbeit kennengelernt, wie groß teilweise die Angst unerfahrener junger Ärzte vor dem Gesetz ist. Obwohl wir eine schwerstkranke Krebspatientin im Endstadium zu betreuen hatten, welche eine Patientenverfügung mit Einverständnis der Angehörigen zum Verzicht auf Reanimation im Notfall aufgesetzt hatte, traute sich unsere Stationsärztin nicht , den letzten Wunsch zu erfüllen.Sie gab strikte Anweisung zur Reanimation beim Ableben der Patientin. Gott sei Dank verstarb die Patientin, als eine erfahrene couragierte Internistin Nachtdienst hatte, u. es wurde ihr ein erneutes Zurückholen in unsere Welt verbunden mit weiterem Schmerz erspart. Ich bin der Meinung, daß ein erwachsener zurechnungsfähiger Patient einfach das Recht haben muß, über sein Leben oder Ableben zu entscheiden. Leider ist man, wenn man an diesem Punkt seines Lebens angelangt ist, meist nicht mehr in der Lage, diesen Schritt zu tun. Dies soll kein Aufruf zur Sterbehilfe sein. Ich möchte damit nur dtl. machen, daß ich nachvollziehen kann, wie schlecht es dir u. deiner Schwester geht u. wünsche euch nur das Allerbeste. Vielleicht findet ihr einen Weg, wie deine Schwester noch Momente des Glückes erfahren kann u. so die Todessehnsucht in den Hintergrund tritt. Ich finde es ganz toll von dir, was du für deine Schwester leistest. Ich denke, das bedeutet ihr unendlich viel. Wenn in so einem Stadium die Familie noch für einen da ist, weiß man das Leben war trotz dieser Sch…lebenswert!!! Alles Liebe Pia

Hallo Mely,
danke für die netten Worte. Es ist nichts tolles daran, dass ich meiner Schwester helfe. Das ist normal.
Sie ist 47, MS seit 21. Lebensjahr, einigermassen mobil bis 35, dann bemerkbare Behinderungen, ab ca 40 Rolli und seit 2 Jahren ständig bergab.
Sie hat ihren Mann und ihren Sohn (19), wobei mein Schwager sie auf Händen trägt und sie - neben seiner Arbeit - wunderbar versorgt (er trägt sie abends sogar ins Ehebett samt Katheter, Windel und PEG) sie haben ein Häuschen und eine ganz schnuckelige liebe Katze. Natürlich könnte sie sich an all dem halten, aber das will sie gar nicht mehr. Sie möchte - wie du auch schreibst - “sich” keinem länger zumuten. Sie kann (oder will) sich einfach nicht daran gewöhnen, dass sie morgens vom Pflegedienst gewaschen wird und zwei Frauen und ich uns tagsüber mit Pflege und Betreuung abwechseln und morgens und abends ihr Mann für sie da ist.
Sie vermutet oder ahnt, dass es nicht mehr besser wird. Deshalb habe ich ja gefragt, ob vielleicht jemand auch von “schweren” Fällen weiss, denen es wieder besser ging.
Was den Wunsch zu sterben angeht ist mir auch klar, dass niemand (auch ich nicht) in ihrer Situation leben möchte. Natürlich weiss sie im Grunde, dass ich ihr beim Sterben nicht helfen kann. Sie fragt mich trotzdem. Aber ich kann sie, so wie es jetzt ist, nur begleiten, so lange wie es eben dauert.

Ich wünsch dir (und allen anderen), dass es dir/euch ganz lange gut geht. Am liebsten lebenslang. Und nicht sauer sein, wenn’s mal nicht so klappt. Lieber dankbar, dass es nicht schlechter ist.

Lieber Gruss
Gabi

Hallo Pia,
wir sind in seelsorgerischer Betreuung und mir tut das auch gut, nur ist es schwierig, diesbezüglich meine Schwester zu erreichen.
Ich habe zusammen mit ihr eine Patientenverfügung verfasst, die alle wirklich relevanten Punkte enthält. Sie könnte aber auch jetzt schon die enterale Ernährung ablehnen. Macht sie zeitweise schon, damit sie immer mehr abnimmt und somit eine “Chance” hat. Mal ist es ihr zuviel oder zu spät oder es wird ihr übel… Was mach ich dann? Sie überreden und trotzdem die Flasche hinhängen und gegen ihren Willen arbeiten? Oder ihr nachgeben und mir unterlassene Hilfeleistung oder Nachlässigkeit vorwerfen lassen? Was ist richtig, was ist falsch?
Ich kenne die Akzeptanz-Problematik der Patientenverfügung, es gehört als Arzt und auch als Angehöriger viel Mut dazu, nicht mehr einzugreifen, wenn man noch könnte und nur, um den Körper eine Weile länger am Leben zu halten. Ich habe früher in der Diakonie mit Behinderten gearbeitet. Da waren auch Schwerstkranke dabei und die heimliche “Hoffnung” war dann schon, dass derjenige nicht gerade in der eigenen Schicht stirbt.
Aber jetzt bin ich täglich damit konfrontiert. Es ist so ambivalent. Einmal reden wir vom Tod und dann wieder erzähle ich Lustiges oder Nerviges von meiner Arbeit oder den Kindern, mach Blödsinn mit meinem Neffen oder ich beschwere mich über ihre Haare, die wunderbar voll und leider wie Draht sind und ich mich durchkämpfen muss oder wir amüsieren uns über meinen grossen Hund, der erbärmliche Angst vor ihrer kleinen Katze hat (und ihr heimlich den Napf leerfrisst)… einfach so alltägliches. Dann kann sie auch so richtig lachen. Ich weiss nicht, ob es “Momente des Glücks” für sie sind, vielleicht eher Ablenkung.
Aber manchmal fällt mir das so schwer. Dann möchte ich sagen “Lieber Gott, es ist doch nicht viel, ein bisschen mehr Stabilität, ein bisschen mehr Kraft, nur ein bisschen mehr, damit sie wieder einigermaßen für sich selber sorgen kann. Und dass sie mich nicht bitten muss, ihre Tränen wegzuwischen oder die Nase zu putzen. Ist das denn zu anspruchsvoll?”

Dann reisse ich mich wieder zusammen, putz ihr die Nase, lächle und heulen tu ich dann daheim.

Danke für den Zuspruch
Gabi

Hallo Gabi,

es tut mir sehr leid, dass es deiner Schwester so schlecht geht. Ich kann verstehen, dass sie sich in dieser Lage nach dem Ende sehnt. Vielleicht werde ich das auch mal tun, wenn ich so weit bin. Oder noch eher. Zumal ich keine Schwester habe, die mir nahe steht, sondern eher eine, die mir fern steht. (Wir sind uns spinnefeind.)

Aber gleichzeitig denke ich an eine liebe Freundin, auch mit MS, die inzwischen EDSS 8 hat sich nicht mehr selbst umsetzen kann, und sich auch oft wünscht, zu sterben oder ihrem Leben selbst ein Ende zu machen, mit Gift oder einem Messer oder was auch immer. Und diese Freundin habe ich sehr gern und will sie nicht verlieren!!! Aber ich müsste auch respektieren, wenn sie es nicht mehr aushalten wollte. Ich kann ihr nicht vorschreiben, was sie aushalten soll und was nicht.

Hier ist jemand mit EDSS 9, der noch sehr lebendig ist:
http://www.thomas-zabel.de.ki/
Thomas ist der Sonnenschein vieler MS-Foren. Du kannst ihm auch schreiben, vielleicht kann er dich oder deine Schwester ein bisschen aufbauen.

Alles Liebe und Gute für euch
Elke

Liebe Gabi,
Du bist ein sehr wertvoller Mensch. Respekt.
Ich habe in der Altenpflege gearbeitet und vielen Menschen die Hand gehalten beim Sterben. Ich habe viele Angehörige erlebt die den Leidensweg um ihretwillen verlängert haben. Es ging meistens um die Hinterbliebenen alles mögliche zu tun für den Patienten da diese ja die zurückgebliebenen sind mit der Trauer und dem Schmerz über den Verlust. Dabei geriet der Gedanke an das Leid und die Belastung für den Patienten oft in den Hintergrund.
Ich denke du solltest offen und ehrlich über diese Themen mit deiner Schwetser reden. In regelmässigen Abständen denn aus einer Depression heraus urteilt man über sich und seine Wünsche anderst als wenn es gerade mal etwas besser ist. Wichtig ist das ihr redet und nichts unausgesprochen bleibt.
Du bist stark und toll.
Meine Schwetser 40, hatte bereits 2 mal Krebs. Für mich war immer klar für alle da zu sein und alle Oma Opa Mutter Vater zu pflegen.
Nun bin ich es,32, die seit Weihnachten weiss MS zu haben und ich brauche wohl mal Pflege.
Aus diesem Wissen heraus rede ich viel mit meinem Mann darüber was und wie ich mir einmal vorstellen kann und was nicht.
Bleib stark.Umarme deine Schwester und erkenne auch deine Grenzen damit du nicht daran zerbrichst.

der hinweis auf thomas ist prima,

bin selbst ja auch “um die 8” in der EDSS aber immerhin konstant seit einigen jahren…

es ist recht schwer, anderen betroffenen “mut” zu machen…eigentlich kann man manchmal nur “da sein und zuhören” wenn jemand überhaupt noch reden kann

2 solche schwerstbetroffene besuche ich desöfteren mal, beide wohnen in pflegeeirichtungen…

Günni

Hallo Gaby! Alle Hochachtung vor Dir! .Du redest mit so viel Liebe und Achtung von Deiner Schwester, das es einem das Herz rührt. Ich bin auch ein gesunder Mensch,habe vor einem halben Jahr einen schwerst MS-Kranken kennengelernt,den ich sehr mag und sehr schätzen gelernt habe. Ich lese oft in eurem Forum ,um einfach noch mehr über diese Krankheit zu lernen. Ich würde ihn gerne auf seinem Weg begleiten und meine Hilfe anbieten.Es ist aber oft schwierig. Als MS-Kranker fragt er sich sicher \“Warum tut das ein gesunder Mensch?\”
Eigentlich kann ich mir diese Frage auch nicht beantworten. Der Wunsch ist einfach da.
Meine Gedanken sind ganz oft bei ihm und ich hätte so viele Ideen sein Leben zu bereichern,will aber nicht zu aufdringlich werden.
Das tolle ist,meine Familie unterstüzt mich sehr in meinen Bestreben meine Hilfe anzubieten.
Ich denke,einfach da zu sein,auch heiter zu sein und die schlimmen ,traurigen Situationen zu tragen, ist eine ganz tolle Leistung von Dir. Deine Schwester kann stolz sein, eine Schwester wie Dich zu hab en! ich wünsche Dir viel Kraft! M.

Hallo Mely!
Antworten gibt es im Toxcenter bei Google eingeben!
Gruß NERO