Hallo an alle die hier schreiben !!!

vor ca. einer Woche wurde bei meiner Frau MS festgestellt. Wie ihr euch sicher vorstellen könnt ist sie jetzt ziemlich mit den Nerven am Ende. Sie bekam fünf tage Kortisonbehandlung. Allerdings hat sich der Schub schon vor der Behandlung von selbst zurückgebildet. Sie ist jetzt wieder komplett beschwerdefrei und ihr Arzt meinte das kann jetzt ein paar tage anhalten, das könnte aber auch über jahrzehnte anhalten.

Da ich mir selbst sehr viele Sorgen mache und eigentlich, und das finde ich das schlimmste, nicht weiß er mir all meine Fragen beantworten kann, wende ich mich jetzt an dieses Forum und bitte um Hilfe !!

Was heißt eigentlich MS…wie verläuft diese Krankheit eigentlich wirklich ???
Welche Erfahrungen habt ihr ???
Endet MS immer so, dass meine Frau sich irgendwann nicht mehr selbstständig bewegen kann ??? Wir haben einen Sohn der ist 10 Jahre alt…er braucht seine Mami !!!
Wie oft hat man denn solche Schübe ??? und in welchem Zeitraum verschlechtert sich der Allgemeinzustand ???

Naja wie ihr seht habe ich Fragen über Fragen…ich würde mich sehr darüber freuen wenn ich hier Hilfe bekommen würde, damit ich dadurch meine Frau unterstützen kann !!!

Gibt es eigentlich im Raum Stuttgart vielleicht eine Selbshilfegruppe…wo sich vorwiegen Leidensgenossen so zwischen 25 und 50 Jahre befinden ???

Ich würde mich freuen wenn ich auf ein paar Fragen Antworten bekommen könnte…

http://www.amsel.de/multiple-sklerose/index.php?kategorie=aktuelles

Hier findest du Antworten auf einige Fragen.

Hallo Rolf,
als ich die Diagnose bekam ging es mir ganz ähnlich. Fragen über Fragen. Ich habe einen Termin bei der Amsel gemacht (damals noch ohne Mitglied zu sein; den Termin hatte ich bei Fr. Zeh), außerdem habe ich einen Termin in einer MS Ambulanz gemacht. Bei beiden Terminen habe ich alle Fragen gestellt, die ich so hatte. Ich fand´s gut + wirklich hilfreich für den Anfang.
Gruß Lena

Hallo Rolf,

was MS heißt, weißt du sicher schon. MS ist eine Autoimmun-Erkrankung, bei der das körpereigene Immunsystem durchknallt und die Myelin-Isolierschicht der Nervenbahnen im Zentralnervensystem zerfrisst.

Das durchgeknallte Immunsystem wird mit Immunsuppressiva wie Cortison oder Zytostatika ausgebremst, und man versucht, es mit Immunmodulatoren (Interferone, Copaxone) “umzuerziehen”. Neuere Therapien (Tysabri) versperren den wildgewordenen Immunzellen den Weg durch die Blut-Hirn-Schranke.

Ärzte ziehen die Bezeichnung “Enzephalomyelitis disseminata” (ED) vor, eine “verstreute Entzündung von Gehirn und Rückenmark”. Sie mögen die Bezeichnung “Multiple Sklerose” nicht, da es vielerlei “Sklerosen” gibt (Arterio-, Kardio-, Oto-, Zerebral-, …) und da damit eigentlich nur das bezeichnet wird, was die Erkrankung hinterlässt, eine “vielfache Verhärtung” (gemeint sind die Narben) von Substanz des Zentralnervensystems in Gehirn und Rückenmark. Mit “Verkalkung” hat die MS aber nichts zu tun, und auch nicht mit “Muskelschwund”.

Durch die vernarbten Abschnitte können die Nervenbahnen Reize schlechter weiterleiten. Je länger die Entzündung an der Isolierschicht frisst, desto größer ist der zurückbleibende Schaden, also die Narbe, und desto schlechter bleibt die Leitfähigkeit der betroffenen Nervenbahnen.

Deswegen muss man die Entzündung stoppen, ehe sie zuviel Schaden angerichtet hat, ebenso wie Rost am Auto frisst. Dazu lässt man sich im Schub Infusionen mit Cortison geben, weil es Entzündungen, die nicht auf Infektionen zurückzuführen sind, rasch stoppt.

Früher dauerte es oft viele Jahre, bis man seine MS-Diagnose in der Tasche hatte. Man (und besonders frau) wurde in die Psycho-Schublade gesteckt oder es wurden für die Beschwerden alle möglichen Ursachen, von “Liebeskummer” und “Kreislaufstörungen”, über “vegetative Labilität” oder “Bandscheibenprobleme” bis zu “prämenstruellem Syndrom” bemüht.

Diese finsteren Zeiten sind GsD vorbei, genau so wie die Zeiten, wo man Gebärmutterhalskrebs für eine Erkrankung der “unbefriedigten weiblichen Sexualität” oder Magenkrebs für eine Erkrankung “gestresster Manager” hielt. Heute kennt man die Erreger, und ich nehme an, dass man sie bei MS in ca. 20 Jahren auch kennen wird.

Heute bewahrt uns die Medizintechnik mit Erfindungen wie Kernspin-Tomographie und elektrophysiologischen Untersuchungen jedenfalls schon mal vor dem “Simulanten-” und “Hysterie-” Vorwurf. Geräte lassen sich nichts vorspielen.

Nur jeder siebte bis zehnte Herd verursacht auch einen Schub. Aber auch was keine Beschwerden verursacht, ist nicht unschädlich. Viele Schäden, die die MS ins ZNS frisst, werden erst mal nur im Kontroll-MRT sichtbar.

Erst wenn die MS weiter frisst, treten Symptome wie Fatigue und kognitive Ausfälle auf, und erst, wenn das Gehirn die Schäden nicht mehr durch Umleitungen kompensieren kann oder wenn das Rückenmark befallen ist, kommt es zu dauerhaften Behinderungen.

Der Arzt deiner Frau hat völlig recht: Wie eine MS-Erkrankung verläuft, lässt sich überhaupt nicht vorhersagen, auch nicht von “Prognose-Wahrsagern”, zumal es sehr zweifelhaft ist, ob ED nur EINE Erkrankung ist, oder einige verschiedene, die man nur bisher noch unter demselben Oberbegriff einordnet, weil man sie noch nicht unterscheiden kann.

Ich meine, es gibt ebenso wenig “die” MS oder ED, wie es “den” Krebs oder “die” Schwindsucht gibt.

Natürlich endet MS nicht immer damit, dass man sich nicht mehr bewegen kann und an Schläuchen hängt. Das kommt nur bei wenigen extrem schweren Verläufen vor. Und euer Sohn ist ja schon 10 Jahre alt. D.h. in Nullkommanichts ist er erwachsen und wird der Meinung sein, dass er Mami und Papi üüüberhaupt nicht mehr braucht, und dass seine “Alten” ihn kreuzweise götzvonberlichingen können, oder ihm wenigstens ein Auto kaufen müssen.

Es kann auch ohne MS passieren, dass man als Kind ein Elternteil verliert, oder sogar beide! Als ich ein Kind war, wurde meine Mutter unheilbar krank. Von der Diagnose bis zur Beerdigung dauerte es fünfeinhalb Jahre. Ich hätte sie noch gebraucht! Die Eltern eines Freundes von uns sind beide tödlich verunglückt, als er 15 war.

Das muss sich jedes Elternpaar vor Augen halten und für solche Eventualitäten vorsorgen. Intakte fämiliäre und verwandtschaftliche Strukturen sind das Wichtigste! Meine Mutter hatte übrigens nicht MS, sondern Krebs. Ich hätte viel lieber ihren Rollstuhl geschoben, als an ihrem Grab zu stehen …

Ob man Schübe hat, und wie oft, hängt davon ab, welche MS man hat und in welchem Stadium. Am Anfang verlaufen die meisten MS-Erkrankungen erst mal ein paar Jahre lang gutartig, jedenfalls die schubförmigen. Bei fortgeschrittener MS werden die Schübe häufiger und heilen immer schlechter. Ist ja auch einleuchtend: Bei jungen Menschen heilen Verletzungen schneller und besser als bei alten.

Wenn man einen primär progredienten Verlauf hat, hat man überhaupt keine Schübe, aber ob man nach 2 Jahren im Rolli sitzt oder nach 20, kann auch bei PPMS niemand vorhersagen.

Wenn man einen schubförmigen Verlauf hat, kann man versuchen, ihn mit einer Basistherapie zu verlangsamen. Ob die was nützt oder nicht, kann man nur ausprobieren, vorhersagen lässt sich das nicht, das sagt einem auch jeder erfahrene Neurologe.

Wie schnell es geht, bis man bettlägerig ist, kommt auch auf das Alter an, in dem man erkrankt. Ich bin mit ca. 48 erkrankt und brauchte 3 Jahre nach der Diagnose einen Rolli. Aber ich kann mich immer noch selbständig umsetzen und mich im Rolli noch selbständig fortbewegen!

Es heißt, wenn man im höheren Alter erkrankt, dann holt die MS den Rückstand auf, den sie hatte, und der Behinderungsfortschritt ist rascher. D.h. Andere erkranken mit 30 und brauchen auch mit 51 einen Rolli.

Du wirst hier und in den virtuellen und realen Selbsthilfegruppen den unterschiedlichsten Verläufen begegnen. Man kann niemals vom einen auf den anderen schließen!

Auch wenn beispielsweise 32,835 % der Betroffenen nach 13,465 Jahren nicht mehr Treppen steigen können (fiktiv) und zwei Drittel vorzeitig berentet werden, lässt sich nicht vorhersagen, zu welcher Gruppe deine Frau gehören wird. Mit Statistiken und Wahrscheinlichkeitsprognosen wird viel Unfug getrieben! Außerdem macht die Medizin Fortschritte!

Adressen von Selbsthilfegruppen kannst du bei der DMSG oder bei der AMSEL bekommen, man kann sich aber auch privat kennen lernen und treffen. In einigen der anmeldepflichtigen privaten Foren gibt es User-Maps, wo du sehen kannst, wer in euer Nähe wohnt.

Alles Gute und LG!
Eva