@Barocke
Das ist mir zu alarmistisch. Fast schon verschwörungstheoretisch.
Die raffiniertesten Verschwörungen sind natürlich immer die, die sich vor aller Augen abspielen.

Wen vermutest du denn hinter diesem" umfassenden gesundheitspolitischen Konzept"? Die “Herrschenden”?
Wenn ich jemanden hinter diesem Konzept vermuten würde, dann natürlich die “Herrschenden” und nicht die “Beherrschten”, aber so vulgärmarxistisch würde ich das hoffentlich nicht ausdrücken. Ich vermute aber niemanden hinter dem Konzept, keine konkrete Person oder die böse FDP oder so. Das Wort “Konzept” war schlecht gewählt, es legt nahe, dass da irgendwer ein Geheimpapier verfasst hat, das nun zirkuliert; ich meinte vielmehr einen Diskurs, eine Debatte, die überall geführt wird.
Und sicher gibt es auch nach dem Aus der Kopfpauschale Überlegungen zur weiteren Privatisierung der Gesundheitskosten, zur Sozialdisziplinierung von Unterschichten (Stichwort “Überwachen und Strafen”), zur Überwachung der Arbeitsleistung im Betrieb und zur Erhöhung der Arbeitsproduktivität durch gesundheitliche Maßnahme, die die schon längst Faktoren wie psychische, emotionale und soziale Steuerung des Arbeitnehmers berücksichtigen etc. pp. (die “Spitzen-Prävention” spielt dabei eine wichtige Rolle, siehe deren Website oder Google. ).
Soweit ich weiß, wird die Solidargemeinschaft durch eine gesetzliche Krankenversicherung zurzeit von keiner Partei infrage gestellt. In den Neunzigern, zur Hochzeit der FDP, des Privatisierungswahns und der angestrebten Kopfpauschale war diese Gefahr viel größer.
Nur ein paar Stichworte zur Solidargemeinschaft (SG):
#1: Wer oder was war SG damals in den 1970ern im Vergleich heute? Die SG ist ein Konstrukt, dessen Inhalt und Bedeutung sich ständig verschiebt. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es in den 1970ern den Begriff noch gar nicht gab (in Bezug auf Sozialversicherung und KK);vor allem hat Solidarität damals noch etwas ganz anderes bedeutet, siehe Gewerkschaft, Arbeiterbewegung & Co.
#2: Natürlich spricht keine Partei offen über die Abschaffung der GKV, das wäre ein politischer Overkill. Privatisierung geht heute anders, denkbar wäre eine Bürgerversicherung, über die dann eine “solidarische Grundversorgung” für alle Bürger eingeführt wird. Diese Basisversicherung würde allerdings unterhalb des Niveaus der heutigen GKV leisten. Wer mehr oder bessere Gesundheitsversorgung will, muss Pakete / Bausteine dazukaufen (so ähnlich wie bei der Zahnzusatzversicherung).
#3: Wenn man bei Google die Suchworte Solidargemeinschaft und Schädigung eingibt, gibt es recht viele Treffer zum Thema. Hin und wieder wird ja öffentlich behauptet, dass Verhalten wie Rauchen, Übergewicht, Bewegungsarmut etc. die SG schädigt. In diesem Kontext wird seit etlichen Jahren diskutiert, diesen Personen, die meist der Unterschicht angehören, doch die Solidarität zu entziehen, indem man sie mindestens an den Behandlungskosten beteiligt - das ist eine Strafe.
Wer strafen will, muss zuvor Regeln aufgestellt haben und deren Einhaltung überwachen bzw. kontrollieren.
Mit den heutigen digitalen Messinstrumenten ist es ganz einfach, das Gesundheitsverhalten eines jeden Menschen zu überwachen. Man bekommt so eine Smartwatch oder so ein Gerät, das einen automatisierten “Werte-Check” durchführt und die “Werte” wie zB Blutzucker, Nikotingehalt, Bewegungsprofil etc. pp. automatisch an eine Kontroll-Institution der Solidargemeinschaft übermittelt (GKV-Kostenträger).
Aus dieser Sammlung von Gesundheitsdaten ließe sich mit einem Klick eine Art “Präventionsbilanz” erstellen - Blutzucker, Gewicht, Bewegung usw. - vielleicht mit einem Bonuspunktesystem. Und warum nicht im Krankheitsfall diese Präventionsbilanz aufrufen und die Bonuspunkte aus der Präventionsbilanz mit den Behandlungskosten gegenrechnen?
Auch ist die Frage interessant, wie sich die Digitalisierung wohl auf die Diagnostik auswirken wird, aber das ist wieder ein anderes Thema.
Ganz kurz zum Umgang mit Krankheit:
Es ist richtig, was du schreibst, Krankheit war und ist repräsentiert als Strafe, Fluch. Aber gleichzeitig gab es immer auch die Caritas (als Idee und Praxis), auch im christlichen Mittelalter - Trost, Schutz, Mitgefühl.
An dieser Stelle beende meine Antwort erst mal, sie wird sonst nicht nur zu lang, sondern viel zu lang.