BZ-INTERVIEW mit Irma und Heinrich Butsch / Seit 25 Jahren helfen sich die MS-Kranken in der Amsel-Gruppe gegenseitig. Die Diagnose Multiple Sklerose, kurz MS, ist für alle Betroffenen ein harter...


Badische Zeitung - 7. September 2009 - von Eva Weise

BZ-INTERVIEW mit Irma und Heinrich Butsch / Seit 25 Jahren helfen sich die MS-Kranken in der Amsel-Gruppe gegenseitig.

TITISEE-NEUSTADT. Die Diagnose Multiple Sklerose, kurz MS, ist für alle Betroffenen ein harter Schlag. Einige Patienten brauchen Jahre, um diese Krankheit zu akzeptieren. Eine wichtige Rolle spielt daher die Selbsthilfe. Heinrich Butsch (71), seit 1970 an MS erkrankt, gründete vor 25 Jahren die AMSEL Hochschwarzwald mit, seine Frau Irma ist seit zehn Jahren Vorsitzende der Kontaktgruppe mit rund 40 Mitgliedern. Mit dem Ehepaar sprach BZ-Mitarbeiterin Eva Weise.

BZ: Der Leitgedanke "Wir helfen uns selbst" – wie wird dieses Motto in der Kontaktgruppe umgesetzt?
Irma Butsch: In den meisten Selbsthilfegruppen ist der Kontaktgruppenleiter selber betroffen und ist Ansprechpartner vor Ort. Betroffene, vor allem auch Neuerkrankte, können sich an diesen wenden und eben ihre Probleme loswerden, ihre Fragen stellen. Bei den Gruppentreffen findet oft ein reger Austausch statt unter den Teilnehmern.

BZ: Hat Ihnen die Kontaktgruppe dabei geholfen, die Krankheit besser zu bewältigen, Herr Butsch?
Heinrich Butsch: Ja, die monatlichen Treffen sind sehr wichtig, weil sie einen auch aus dem Alltag herausholen. Es ist hilfreich, sich mit Gleichgesinnten auszutauschen, um die zermürbende Krankheit bewältigen zu können, was für mich nach 40 Jahren immer noch eine Herausforderung ist.

BZ: Werden diese Treffen ausschließlich von Betroffenen besucht, oder gibt es auch Angebote für die Angehörigen?
Irma Butsch: Wir haben kein gesondertes Angebot. Bei uns ist es so, dass die Angehörigen zu den Treffen gerne mitkommen können und das teilweise auch tun.

BZ: Wird das Angebot von Betroffenen eher in schlechten Phasen wahrgenommen oder auch dann, wenn sich der gesundheitliche Zustand stabilisiert hat?
Heinrich Butsch: Will man die Kontaktgruppe besuchen, ist das keineswegs mit dem Zwang der Regelmäßigkeit verbunden. Also wir kennen beides. Bei uns gibt es einen harten Kern von acht Betroffenen mit Begleitpersonen, die eigentlich versuchen, jedes Mal zu kommen, und das ist dann auch ein ganz schönes Miteinander. Manche kommen aber auch wirklich nur dann, wenn es ihnen gerade nicht so gut geht, wenn sie Hilfe und Rat suchen, weil sie mit ihrer Situation gerade nicht so gut zurecht kommen.

BZ: Wird Ihr Angebot auch von jungen MS-Betroffenen genutzt?
Irma Butsch: Obwohl viele um die Gruppe wissen, kommen sie nicht zu unseren Treffen. Junge MS-Patienten haben Angst, sich mit Schwerkranken zu konfrontieren. Es könnte ihnen ja selbst eines Tages so gehen. Deshalb suchen sie erst einmal im anonymen Internet nach Informationen. Dabei ist gerade der Austausch mit anderen Betroffenen über die ganz alltäglichen Probleme, die diese Krankheit mit sich bringt und die den Alltag zu einer Herausforderung machen, wichtig.

BZ: Wo fehlt es strukturell am meisten?
Heinrich Butsch: In der Region ist es vor allem der Nahverkehr, der MS-Kranke vor unüberwindbare Barrieren stellt. Sie fahren häufig gar nicht mehr Bus oder Bahn, weil diese für Rollstuhlfahrer nicht ausgerüstet sind und es in Bahnhöfen nur Treppen und keine Aufzüge gibt. Zu den Treffen müssen sie hingebracht und wieder abgeholt werden.

BZ; Gibt es Pflegeeinrichtungen speziell für MS-Kranke?
Irma Butsch: Nur in Donaueschingen gibt es eine Einrichtung, Plätze allerdings nur mit langer Wartezeit. Deshalb werden MS-Kranke oft in gewöhnlichen Altenheimen untergebracht werden, um wenigstens die medizinische und hygienische Pflege zu gewährleisten. Dass dabei die individuelle Arbeit mit dem Erkrankten zu kurz kommt, ist leider nicht die Ausnahme. Neben der medizinischen Versorgung ist die soziale Betreuung wichtig. Der MS-Patient und seine Angehörigen müssen die Möglichkeit haben, Probleme aller Art, die sich durch die Krankheit ergeben, anzusprechen, und es sollte durch fachkundige Kräfte versucht werden, alle Möglichkeiten auszunutzen.

BZ: Werden Sie von den Gemeinden finanziell unterstützt?
Irma Butsch: In Zeiten leerer Kassen und der Gesundheitsreform wird das Leben für chronisch Kranke schwieriger. Früher bekam die Selbsthilfegruppe von den Gemeinden noch Zuschüsse, leider ist diese Finanzquelle versiegt. Nur aus Löffingen bekommen wir sehr viel Unterstützung. Auch müssen die Erkrankten viel mehr selbst bezahlen, was die Gruppe daran hindert, sich öfters zu treffen oder jedes Jahr einen gemeinsamen Urlaub zu unternehmen.

BZ: Eine Konsequenz der Gesundheitsreform?
Irma Butsch: Ja, von den Krankenkassen wird auch längst nicht mehr alles bezahlt, was notwendig wäre. Für uns ist es ein langer Kampf gewesen bis ein neuer Rollstuhl für meinen Mann bewilligt wurde.

BZ: Ihr Wunsch für die Zukunft ?
Irma Butsch: Ein weiteres Bestehen unserer Gruppe, zu deren Treffen künftig auch Neuerkrankte zwanglos kommen. Ein weiteres Vorantreiben der Barrierefreiheit und vor allem, dass körperlich behinderte MS-Kranke mehr Anschluss an die Gemeinschaft finden und als ganz normale Menschen behandelt werden.

"www.badische-zeitung.de" ( www.badische-zeitung.de )

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