B-Zell-Depletierer sind populär, da eines der wirksamsten Medikamente gegen MS überhaupt und gleichzeitig aber auch gut verträglich. Anti-CD20-Therapien werden daher noch lange sehr populär bleiben und wahrscheinlich sogar noch an Popularität gewinnen, so lange nichts noch besser Wirksames und vergleichbar Verträgliches kommt. Der Hoffnungsträger BTKi scheint sich ja z. B. gerade als Flop zu erweisen, zumindest bei RRMS (dafür haben womöglich SPMS- und PPMS-Patienten bald endlich ein gutes Medikament).
Off-Label wird der Ocrevus-Vorläufer Rituximab seit etwa 25 Jahren bei MS als Anti-CD20-Therapie eingesetzt. Die klinische Phase 3 Studie von Ocrevus läuft nun das zehnte Jahr, die von Kesimpta das siebte Jahr. Jeweils mit hervorragenden Ergebnissen vor Zulassung und nun in der Nachbeobachtung. Es gibt also durchaus viel Erfahrung mit Anti-CD20-Therapien und in den klinischen Studien waren auch ältere MS-Patienten vertreten, sonst erhält man ggf. keine Zulassung.
Die B-Zellen sind durch die Behandlung nicht weg, sie sind nur auf einen niedrigen Spiegel reduziert. Bei manchen Menschen wird der kritische, untere Schwellenwert an B-Zellen aber auch nicht erreicht (Therapieversager), weshalb eine (teure) B-Zell-Zählung durchaus sinnvoll sein kann. Zumindest, wenn jemand trotz Therapie weiterhin (viele) Schübe hat. In der Kesimpta-Studie war es so, dass die B-Zell-Depletion nicht bei jedem ausreichend stark war (wenn auch bei den meisten).
Der Körper produziert immer wieder neue B-Zellen (individuell unterschiedlich, wie viele und wie schnell), weshalb man immer wieder nachspritzen muss. Ocrevus ist deutlich höher dosiert, depletiert mehr B-Zellen auf einmal, daher langt eine Injektion alle 6 Monate. Wobei es Leute gibt, die meinen, sie hätten die letzten beiden Monate bis zur nächsten Spritze wieder mehr MS-Symptome. So als ob bei manchen dann schon wieder zu hohe B-Zell-Spiegel erreicht wären. Es hatte hier mal jemand geschrieben, dass es ihm so ginge. Eine einzige Ocrevus s. c. Spritze enthält mit 920 mg 46-mal so viel Wirkstoff wie eine 20 mg Kesimpta-Injektion. Dafür hat Kesimpta eine höhere (doppelte) Bindungsaffinität an die B-Zellen, weshalb es zur wirksamen Depletion auch weniger Wirkstoff braucht.
Ich denke, langfristig könnte der B-Zell-Spiegel mit Kesimpta gleichmäßiger abgesenkt sein, dank monatlicher Spritzen. Dafür wirkt Ocrevus schneller, praktisch sofort zu 100 %, was bei Kesimpta etwa 2 Monate dauern soll. Bis die B-Zell-Spiegel auf Ocrevus-Niveau unten sind, dauert es womöglich auch noch deutlich länger, aber das sind nur persönliche Vermutungen.
PS: Der Chefarzt der Neurologie an meiner mir die Therapie verordnenden Uniklinik meinte, die monoklonalen Antikörper einer Anti-CD20-Therapie wären bereits nach etwa 24 h nicht mehr im Körper. Die sind dann verbraucht und eventueller Überschuss abgebaut. Ich glaube ihm das, weil an dieser Uniklinik eigene Studien zu Anti-CD20-Therapien auf Zellebene stattfinden. Die wissen also, wovon sie sprechen. Nur die Wirkung hält halt lange an, da es relativ lange dauert, bis der Körper wieder B-Zellen produziert bzw. bis wieder so viele B-Zellen produziert sind, dass ein für MS-Patienten kritischer Spiegel erreicht ist.