Hallo einer,

bin erstaunt und finde es gut, dass du so eine sensible Seite von dir zeigst.

Hesse begleitet mich schon sehr lange durch die Höhen un Tiefen meines Lebens, ich glaube mit 13 bekam ich seinen gesammelten Gedichte zum erstenmal in die Hände.

Ich habe die beiden im Rowohltverlag erschienen total abgegriffenen, nachgedunkelten und lädierten Bände noch immer…

Eines meiner Lieblingsgedichte von ihm, dass ich auch schon öfter zitiert habe:

Glück

Solang Du nach dem Glücke jagst,
bist Du nicht reif zum glücklich sein,
und würde alles Liebste Dein.

Solang Du um Verlorenes klagst
und Ziele hast und rastlos bist,
weißt Du noch nicht, was Friede ist.

Erst wenn Du jedem Wunsch entsagst,
nicht Ziel mehr noch begehren kennst,
das Glück nicht mehr mit Namen nennst,

dann reicht Dir des Geschehens Flut
nicht mehr ans Herz, und Deine Seele ruht.

Hallo Einer,

du erlebst also die MS als Nebel, der das Leben verdunkelt und dich auch für Freunde unsichtbar macht?

“Voll von Freunden war mir die Welt,
Als noch mein Leben licht war;
Nun, da der Nebel fällt,
Ist keiner mehr sichtbar.”

Ja, das kann ich nachvollziehen - jedenfalls an schlechten Tagen. Andererseits gibt es auch den Satz “Wahre Freunde erkennt man in der Not” und auch diesen Satz kann ich unterschreiben - jedenfalls an guten Tagen.

Für mich ist die MS eher wie ein Schatten, den ich nicht mehr loswerde. Trotz klarer Sicht - insofern kein Nebel.

Es erinnert an ZEN.
Danke.
(Hat leider nichts mit MS zu tun, ist eher allgemeingültig wertvoll, während das Andere, der Nebel, eine wundervolle Beschreibung dessen ist, was mit MS passiert.)

Ja, Barocke, so hat jede/r eine eigene Sicht auf das Erleben dessen was MS mit uns macht, für uns ist.
Für dich ist es Schatten, ich sehe über die Jahre wie Nebel über mein Leben ziehen, anfänglich nur mystich, gar schön, mal unglaublich dicht, mal in meinen Augen brennend oder seltsam schmeckend - immer anders, aber immer da und langsam immer mehr.
Ich sehe und erkenne nur noch schwer - werde auch nicht mehr gesehen, geschweigedenn erkannt.

Vielleicht braucht es große Gegensätze um es zu bemerken: In den 80zigern lebte ich in Frankfurt - war Licht.
In den 90zigern auf La Gomera - und war Licht.
In den 20zigern in München - und war Licht.

Dann zog der Nebel auf, ich verlief mich, nun ist es dunkel.
Das einzige Licht: ist das Rücklicht am Rolli, schöne Schxxxx.

Ich stimme Barocke zu, an manchen Tagen sehe ich schwarz, an manchen ist es neblig und ehrlich es ist wie das normale Leben.

In den 80ern war viel Party, das große tolle Leben konnte kommen…Die Träume und Wasser kam konnte nur toll werden.
In den 90ern war Studium, Party angesagt, die ersten Illusionen platzten und trotzdem war das Leben schön.
Die 20er fingen gut an, dann kam 04 MS, Brustkrebs innerhalb von 3 Mon. Nach der Op kam Chemo und Bestrahlung. Anfang 05 zog die Depression ein und ich landete im NervenKH.
War das Leben schön, naja der dunkle Anteil war höher.
In den Jahren danach mußte ich aus meinem Loch wieder rauskrabbeln. Es war und ist ein Prozeß mit Rückschlägen…

Klar hab ich mir mein Leben anders vorgestellt, aber mal ehrlich, das Leben läuft für die wenigsten planmäßig und rosarot. Wenn man sich mit Gleichaltrigen unterhält schluckt man so manches mal, wer schon alles verstorben ist…

Gelten die Maßstäbe von früher… nöööööööö wo wäre da eine Weiterentwicklung…???
Haben sich Maßstäbe verändert. Manche Freunde sind verschwunden neue sind aufgetaucht,… liegtes auch an mir??? Vermutlich. In derZeit in der Du Dich als Licht siehst, was war ander??? Hast Du all diese Eigenschaften verloren.
Ich habe mich in den letzten Jahren verändert… Logo wer nicht, hab ich versucht mein Leben positiv zu gestalten jaaaaaaa. Ist es mir gelungen? Nicht immer aber immer öfter;)
Mach Dich auf Die Suche nach Deinem inneren Leuchten… Es lohnt sich und Du kannst es schaffen…

Idefix

Einer, etwas was ich lernen mußte war:

Liebe Dich selbst und Deinen nächsten wie Dich selbst.

Das Wohlbefinden aller anderer war wichtiger als ich. An mich hab ich grds. an mich gedacht…
Durch meine Erkrankung hBe ich gelernt mich zu verändern und nicht immer als den Letzten zu begreifen.

Ich habe mich bis zur Unkenntlichkeit verbogen. Klar ist das ein Teil meiner Persönlichkeit, aber daran arbeite ich … es lohnt sich

Idefix

Doch immer wieder sind da diese Lebensumstände, in die man gebracht wurde oder sich selbst gebracht hat UND aus eben diesen kommt man immer schwerer herraus.
Man könnte sie als Gradmesser oder Indikator seines Wohlbefindens oder seiner Lebenslust nehmen, egal wie, das Ergebnis bleibt unverändert das Gleiche - die Kurve ist absteigend.
Natürlich lernen wir ständig, so ist der Mensch programmiert, aber das Niveau, der Level auf dem wir das gelernte anwenden, ist ein absteigender.
Das zu erkennen war werder neu noch überraschend.

Blöde Frage, hast Du ein Problem mit dem Älter werden???

Als ich im NervenKH hab ich meiner Bezugsschwester in schillernden Farben Erlebnisse aus den 80ern und 90ern erzählt. Daraufhin fragte sie mich, wollen Sie nochmal 18 sein … oh nööö
Klar gab es in diesen Zeiten viel Schönes, aber auch Dinge die nicht so doll waren…

Früher hab ich die Nächte auf Unifeten und war morgens um 8 Uhr vor der Bib… 3-4 Std haben gereicht um fit zu sein. Ich konnte früher ohne Probleme auf Schuhen mit hohen Absätzen laufen… Kann ich das heute noch nööööööö, schminken kann manchmal ne kathastrophe sein.
Sprich ich mußte mich von Dingen verabschieden (sowohl alterswegen als auch krankheitsbedingt). Das ist vollkommen normal.
Ich muß mich immer wieder zurückkämpfen. Mein Mann ließ mich heute nicht unsere Pasta holen lassen. da ich zu wackelig war. Wäre mir das in den 90ern passiert, wohl kaum.
Klar je älter wir werden, desto mehr Kraft und Energie braucht man um etwas neu zu machen…

Ich leide unter starker Fatigue, will nächstes Jahr mit meinem Mann weiter weg, das bedeutet Arbeit für mich physisch und psychisch. Ich muß wieder an meiner Gehfähigkeit, meiner körperlichen Konstitution (Untergewicht) und Wiederbelebung meiner Spanischkenntnisse arbeiten.

Glaubst Du ich habe alles Richtig gemacht??? Sicher nicht, aber Fehlentscheidungen haben auch das Potential daraus zu lernen, es besser zu machen…
Keiner ist perfekt.

Ein Leben mit MS ist lebenswert man muß es gestalten ebenso wie das „normale“ Leben…
Du hast immer die Chance Entscheidungen anders zu treffen…

Angreifen
Idefix

“…hast Du ein Problem mit dem Älter werden???”
Nicht weniger oder mehr als jede/r andere auch.

Meine Erinnerungen im Verlauf der Zeit, waren ergänzend zu:

>
Voll von Freunden war mir die Welt,
Als noch mein Leben licht war;
Nun, da der Nebel fällt,
Ist keiner mehr sichtbar.

Wahrlich, keiner ist weise,
Der nicht das Dunkel kennt,
Das unentrinnbar und leise
Von allem ihn trennt.

Wahrlich, keiner ist weise,
Der nicht das Dunkel kennt,

Worin könnte diese Weiheit bestehen? Wie kann es gelingen, nicht an dem “Dunkel” zugrunde zu gehen?

Das könnten vielleicht Fragen sein, die über die bloße Klage hinausgehen.

Wunderbar!
Großartig, dein Hinterfragen der ersten, offensichtlichen Antworten.

“Das könnten vielleicht Fragen sein, die über die bloße Klage hinausgehen.”
Absolut!

In meinen dunklen/nebligen Phasen,
habe ich mich selbst zurückgezogen und nicht meine Freunde.

Ich spreche hier nicht von den x Bekannten, die man hat, wenn man ein aktives und abwechslungsreiches Leben führt. Mir geht es um die “echten” Freunde, von denen ich nicht mehr als eine Hand voll habe.

Es sind, bis auf einen, allesamt Menschen, die ich schon seit Jahrzehnten kenne. Wie wertvoll diese Beziehungen sind, ist mir v. ca. 10 Jahren bewusst geworden und ich bin sehr dankbar dafür.

Mit meiner besten Freundin, hatte ich zwischendrin fast 10 Jahre wenig Kontakt, weil wir ganz unterschiedliche Lebenswege eingeschlagen haben und ich auch des öfteren umgezogen bin.
Wir haben uns vor ca. 17 Jahren “wiedergefunden”.

Hier noch ein weises Gedicht von Hesse, mit welcher Einstellung man der Dunkelheit/dem Nebel entkommen kann…

Gestutzte Eiche

Wie haben sie dich, Baum, verschnitten
Wie stehst du fremd und sonderbar!
Wie hast du hundertmal gelitten,
Bis nichts in dir als Trotz und Wille war!
Ich bin wie du, mit dem verschnittnen,
Gequälten Leben brach ich nicht
Und tauche täglich aus durchlittnen
Roheiten neu die Stirn ins Licht.
Was in mir weich und zart gewesen,
Hat mir die Welt zu Tod gehöhnt,
Doch unzerstörbar ist mein Wesen,
Ich bin zufrieden, bin versöhnt,
Geduldig neue Blätter treib ich
Aus Ästen hundertmal zerspellt,
Und allem Weh zu Trotze bleib ich
Verliebt in die verrückte Welt.

Dem kann man nur zustimmen. Meine beste Freundinn ist meine Schulfreundin, der kann ich bis heute selbst am Telefon nix vor machen.
Auch wir hatten Weile Funkstille aber Freunde sind diejenigen, wo man sich nach einigen Monaten wieder meldet und plaudert wie Gestern. Eine meiner Therapeutinnen ist auch ne gute Freundin von mir, sie schätzt meinen Mann und mich als Perfektionisten ein und sie hat Recht…

Es gibt niemand der ungestutzt durchs Leben. Manchmal muß man sich von alten Maßstäben verabschieden und neue entwickeln. Manchmal braucht man Hilfe von außen. Immer nur in der Vergangenheit zu kleben und sie zu glorifizieren bringt nichts für heute.
Man kann die Vergangenheit zum Lernen verwenden oder als Kraftquelle.
Nutzen muß man sie aber selbst…
Idefix

Für mich ist das Hesses schönstes Gedicht und kam mir
gleich in den Sinn, als ich eure Diskussion verfolgt habe.
LG Tina

Voll von Freunden war mir die Welt,
Als noch mein Leben licht war;
Nun, da der Nebel fällt,
Ist keiner mehr sichtbar.

Schade wenn Du nur Freunde hast die um Dich rumfliegebn wie Motten um das Licht.

Wirkliche Freunde sind auch an Deiner Seite sind, wenn Dein Licht nur glimmt…
Man muß aber auch ein offenes Herz für andere haben. Nicht jeder entspricht den Vorstellung.
Die Gnade der Freundschaft zu meinem Opa vom Stock hatte ich dem Umstand zu verdanken, daß Akademikerin bin. Ich mochte ihn, aber ist mein Studium alles was mich ausmacht. Seist eine Facette mehr nicht.

Idefix

Nun, liebe Idefix, ich denke Hermann weiß darum, was “Freundschaft” meint.
Schrieb er doch eine autobiografische Erzählung dazu. (In der auch das “Wegbrechen” seiner alten Schulfreundschaften Thema ist. Will sagen: er wird wissen, wovon er vor 100 Jahren schrieb).
https://de.wikipedia.org/wiki/Freunde_(Erzählung)

Hallo Idefix,

Leviticus 19,18, darin steht das höchste Gebot des Judentums und des Christentums: “Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst; ich bin der HERR.”

Der offenbar ziemlich bibelferne große Philosoph Weh-Weh meint dazu: “Ich glaube, ich halte das für einen falschen Spruch.” http://ms-ufos.org/forum/index.php?id=37738

Da hat er wieder mal einen seiner berüchtigten kapitalen Amateurphilosophenböcke geschossen. Ich kann dazu nur sagen: O Herr, schmeiß Hirn ra!

Liebe Grüße
Renate

Danke liebe Renate :slight_smile:
Dicker Knuffel und einen schönen Abend

Idefix