Hallo,

vor ca. 10 Jahren sind (retroperspektiv betrachtet) bei mir zum ersten Mal motorische Symptome aufgetreten, aber erst im Jahr 2015 wurden bei einem spinalen MRT als Zufallsbefund einige nicht aktive Herde festgestellt und die neurologische Diagnostik ist losgegangen.
Die Liquordiagnostik wurde 2016 und 2019 ohne Befund durchgeführt und es wird einmal pro Jahr jeweils ein MRT des Schädels und des Rückenmarks gemacht.
Das radiologische Bild hat sich seit 2015 nicht geändert (alte, nicht aktive Herde im Rückenmark, keine Herde im Schädel), aber die neurologischen Beschwerden nehmen langsam, aber kontinuierlich, zu.
Vor zwei Jahren hat der Leiter einer MS-Ambulanz die Diagnose inaktive PPMS gestellt und es wurde ein Therapieversuch mit Ocrevus begonnen. Nach einem Jahr habe ich diesen unterbrochen, da es eher zu einer Verschlechterung der Symptome (bei unverändertem radiologischem Bild) gekommen ist und mir besonders vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie der Nutzen der Therapie fragwürdig erschien.

So, nach dieser längeren Vorrede nun zu meinem Anliegen: In ein paar Wochen habe ich einen Termin in der MS-Ambulanz und frage mich, ob ich die Medikation mit Ocrevus nach der abgeschlossenen Immunisierung gegen Corona wieder aufnehmen soll oder nicht.
Meine Erwartungen an die Wirkung des Medikamentes halten sich in Grenzen und die Studienergebnisse zeigen ja bekanntermaßen nur unter gewissen Bedingungen (kürzerer Erkrankungsdauer, nachweisbarer Krankheitsaktivität) eine Verlangsamung der Progression.
Allerdings konnte sich der Leiter der MS-Ambulanz beim letzten Termin nicht den Hinweis auf unterschwellige entzündliche bzw. degenerative Prozesse verkneifen, die aus seiner Sicht eine Fortsetzung der Behandlung rechtfertigen würden. Meine Fragen, ob das eine Dauertherapie werden würde, blieb allerdings unbeantwortet.

Also, würdet ihr jetzt die Therapie mit Ocrevus wieder aufnehmen?

Vielen Dank vorab und viele Grüße, SW

“Warum hat mir das denn keiner vorher gesagt?”
Link: https://ms-stiftung-trier.de/wp-content/uploads/2019/02/Vortrag-Diagnose-und-Prognose_Marktheidenfeld_April2016.pdf

“Zu viel versprochen - Neue Medikamente für progrediente MS-Verläufe. Taugen die was?”
Link: https://ms-stiftung-trier.de/wp-content/uploads/2019/02/ZIMS3_Zu_viel_versprochen.pdf

inaktive PPMS, was soll diese
Diagnose bringen ?

Etwas was vor der Medikation
keine Aktivität hatte, kann mit
Medikation nicht besser werden.

Ich würde auf falsche Diagnose
tippen.

  1. Meinung ist gefragt.

Kein Einfluss auf den EDSS -> bringt nichts.

Die Aussage stimmt nur dann, wenn dir egal ist, ob deine Arme weiter funktionieren oder nicht (was die MS Stiftung Trier hier schön unter den Tisch fallen lässt). Prof G lässt sich immer wieder darüber aus.
https://multiple-sclerosis-research.org/2017/06/thinkhand-people-with-ppms-need-your-help/

moin,
habe seit 25-30 Jahren ppms und es ging immer weiter bergab , langsam aber stetig .

Verschlechterungen waren oft nur im Vergleich gleichartiger Tätigkeiten im Abstand

von 12 Monaten festzustellen . Inaktiv war sie m.M.n. nie.

In Ocrevus würde ich nicht allzu viel Hoffnung setzen , sorry .

lg

Lieber Fubar

Da muss ich dir widersprechen.
Warum?
Weil die Vermutung von Prof G bis heute, wie er in deinem Link von 2017 selber schreibt, eine Hypothese ist. Hypothesen sind keine harten Fakten. Die Damen von Trier belegen ihre Aussagen immerhin mit Verweisen zur wissenschaftlichen Literatur.

Nichtsdestotrotz finde ich den Ansatz von Prof G interessant. Scheinbar wurde die geforderte Studie schlussendlich mit Cladribin (und nicht mit Ocrelizumab) gestartet. Resultate dieser Studie namens Chariot-MS sind frühestens 2024 zu erwarten.
https://clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT04695080?term=cladribine&draw=2&rank=5
https://www.mssociety.org.uk/research/latest-research/latest-research-news-and-blogs/new-trial-people-advanced-progressive-ms-starting-soon
Wie unter primary outcome measures festgehalten untersucht die Studie Cladribin im Vergleich zu einem Placebo bezüglich „Verringerung der Verschlechterung der Funktion der oberen Gliedmaßen“, d.h. im besten Fall verliert man seine Arme langsamer. Aber dafür nimmt man sämtliche potentiellen Nebenwirkungen des Medikamentes in Kauf.

Schlussendlich ist es so wie immer: ich als MSler habe die Wahl zwischen Pest und Cholera! Jeder muss für sich entscheiden, ob der Vorteil der eventuellen Verlangsamung der Behinderungszunahme das Risiko der möglichen Nebenwirkungen übersteigt oder nicht.

Für einen garantierten Stopp der MS oder sogar eine Heilung derselben würde ich sofort alles schlucken, aber für eine Verlangsamung?

Gruss
MO

> Die Damen von Trier belegen ihre Aussagen immerhin mit Verweisen zur wissenschaftlichen Literatur

Harte Verweise worauf? Daß in 17% der Fälle vielleicht eine „begnigne MS“ eintreten kann?
Und daher sollten „verantwortungsvolle“ praktizierende Neurologen gefälligst von den riskanten Therapien absehen bis richtige neurologische Ausfälle eintreten?

Haben die Damen in Trier eigentlich auch mal an Ausreden gedacht, die Neurologen dann den Patienten sagen sollen? „Tut uns leid, dass wir erstmal Watchful Waiting bei ihnen gemacht haben. Hätte ja vielleicht klappen können. Sonst hätten welche uns wieder vorgeworfen, wir wären zu Pharmahörig“

Sowas kann womöglich klappen, wenn Patienten jung sind, und das ZNS noch eine gewisse Plastizität hat. Bei älteren Patienten ist aber fast jeder Schub ein Treffer…

Recherchiere gerde selber

https://www.ms-stiftung-trier.de/?s=SPMS&submit=Suche

Hast Du am WE auch Neurologie im Gespräch geschaut???

Hallo Marc

ich hatte sternenwanderer so verstanden, dass er an einer kontinuierlichen Verschlechterung seiner MS leidet und dass Schübe für ihn nicht im Vordergrund stehen. Er schreibt:
> Vor zwei Jahren hat der Leiter einer MS-Ambulanz die Diagnose inaktive PPMS gestellt und es wurde ein Therapieversuch mit Ocrevus begonnen.

Insofern sind meine Antworten in diesem Kontext zu verstehen, das habe ich vielleicht zu wenig betont. Auch der Ocrelizumab-kritische Artikel handelt vom Einsatz bei der progredienten Form.

Für die Behandlung der schubförmigen MS und für die Schubreduktion werden ganz andere Vor- und Nachteile verglichen als bei einer progredienten MS, oder irre ich mich?

Gruss
MO

Bei einer inaktiven PPMS ohne nachweisbare Aktivität ist Ocrevus nicht mal indiziert.

Fragen an die Ambulanz?

  1. Erstmal prüfen, ob trotz vorangegangener Anti CD20 Therapie tatsächlich COVID-19 Antikörper gebildet wurden bevor überhaupt eine Therapieentscheidung getroffen wird.
  2. Behauptung von Krankheitprogression durch Aufnahmen im 7T MRT bzw. durch Hirnvolumenmessng belegen lassen.

Erst danach weiteres Vorgehen entscheiden…

Hallo Marc,

Danke für die Hinweise.

  1. Erstmal prüfen, ob trotz vorangegangener Anti CD20 Therapie tatsächlich COVID-19 Antikörper gebildet wurden bevor überhaupt eine Therapieentscheidung getroffen wird.

Rest assured, ich werde das abgeklärt haben, bevor ich mich dort (oder anderswo) blicken lasse. :slight_smile:

  1. Behauptung von Krankheitprogression durch Aufnahmen im 7T MRT bzw. durch Hirnvolumenmessng belegen lassen.

… ich hatte mich auch schon gefragt, wie der Neurologe (Leiter der MS-Ambulanz) zu dieser Aussage nach einem (kurzen) Blick auf das aktuelle MRT kommen konnte. Hirnvolumenmessung kann ich vor dem nächsten MRT ansprechen.

Danke für den Hinweis, werde mir mal die Seite von BartMS ansehen.

Hallo MO, gut auf den Punkt gebracht, danke.

Der sagt doch in dem Text, wo die Zahlen herkommen? ORATORIO, also hier https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/nejmoa1606468
Die Daten zur Armfunktion (“9 hole peg test”) sind etwas versteckt (im “Supplementary Appendix”), aber sie sind da.

Eine spätere Veröffentlichung zu den gleichen Daten, diesmal auch mit Fokus auf die Arme:
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC6282157/

Ich hab den erstbesten Artikel aus dem Blog herausgesucht, den ich zur Arm-/Handfunktion gefunden habe. Das Thema kommt öfters auf.

Zur Verlangsamung - für mich macht es einen Riesenunterschied, ob ich noch 5 oder noch 15 Jahre selbstständig bleibe.

Hallo Fubar,

das sind nützliche Hinweise, danke! Ich kann mich nicht daran erinnern, dass die Armfunktion jemals Thema bei den Arztgesprächen in der MS-Ambulanz war, aber so be it…

Gruß, SW