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Das neue Cannabis-Gesetz und MS

Seit dem 1. April 2024 gilt das neue Cannabisgesetz in der Bundesrepublik Deutschland. Einiges ändert sich dadurch auch für Menschen mit Multipler Sklerose, die Cannabisprodukte einsetzen, um zum Beispiel Schmerzen oder Spastik zu lindern.

Legalize it? – Wer meint, das neue Cannabisgesetz erlaube nun jeglichen Umgang mit und Konsum von Cannabis, täuscht sich. Die Bundesregierung hat lediglich eine Teillegalisierung verabschiedet. Das Ziel ist es, den teils gefährlichen Konsum vom Schwarzmarkt in einen geregelten Markt umzuwandeln. Um die Dosierung (den THC-Gehalt) besser zu kennen und giftige Beimischungen zu verhindern.

Die Menge an Cannabis, die man als Erwachsener bei sich führen darf, ist begrenzt (25 g unterwegs, 50 g zuhause), die Vorschriften sind deutlich: nicht vor Kindern, nicht in Sichtweite von 100 m von Schulen, Kinderspielplätzen, Kindergärten, nicht zwischen 7 und 20 Uhr in Fußgängerzonen... Auch gibt es klare Grenzen für den Eigenanbau (Zahl der Pflanzen, Samen etc.), der ausschließlich für den Eigenkonsum erlaubt ist, nicht zur Weitergabe an Dritte.

Cannabis und Cannabisderivate in der symptomatischen Behandlung der Multiplen Sklerose

Cannabis ist und bleibt eine Droge. Während "Freizeitkonsumenten" vor allem an der psychoaktiven Wirkung von Cannabis interessiert sind, wird Cannabis auch medizinisch eingesetzt. Etwa, um Schmerzen zu lindern, Spastik (Muskelsteife) zu verringern oder auch, um den Appetit zu fördern. Vor allem seine Wirkung auf Spastik und Schmerzen macht Cannabis zu einer, bei weitem nicht der einzigen, Option in der symptomatischen Behandlung der Multiplen Sklerose.

Cannabis kann auch bei Menschen mit Multipler Sklerose Schmerzen und Spastik lindern. Es wirkt jedoch nicht bei jedem. Und: Es gibt synthetische Cannabinoide, die deutlich reduzierte Nebenwirkungen haben. Hier ist vor allem das seit 2011 bei MS-bedingter Spastik zugelasssene Sativex (Wirkstoff: Nabiximols) zu nennen, ein Mundspray.

Es wirkt im Unterschied zu Cannabis, etwa in Blütenform, nicht oder nur wenig berauschend und macht auch nicht abhängig. Wie die meisten Arzneimittel hat es aber auch Nebenwirkungen (s. das Kapitel zur Spastik in "MS behandeln" und der Bericht "10 Fakten zu Sativex"). Fertigarzneimittel [mit Cannabinoiden] hätten Vorrang vor Cannabisblüten, schreibt der Bund der Kassenärztlichen Vereinigung. Außerdem werden Cannabisblüten oft geraucht, was dazu führt, dass man Verbrennungsrückstände mit inhaliert. Das wäre ein guter Grund, ein Fertigarzneimittel gerauchtem Cannabis vorzuziehen.

Änderungen beim Rezept von medizinischem Cannabis

Was sich mit der Teillegalisierung für die Ärzteschaft wie für Patientinnen und Patienten geändert hat, ist die Verschreibung von bestimmten Cannabinoiden (z.B. Sativex) und Cannabisblüten (ab einem Tetrahydrocannabinol (THC)-Gehalt von mindestens 0,3 Prozent ): Sie fallen nicht mehr unter das Betäubungsmittelgesetz (BtMG), sondern können, wie andere Wirkstoffe auch, mit elektronischem Rezept verschrieben werden, und zwar von jedem Arzt (ausgenommen Zahn- und Tierärzte). Bisher war dafür ein spezielles Betäubungsmittelrezept nötig, das nicht jede Praxis ausstellen konnte und das auch nur 7 Tage gültig war.

Was bleibt, ist der Erstantrag bei der Krankenkasse bei Schmerzen: Die Kasse (der MDK) prüft vor der allerersten Verordnung, ob der Patient/ die Patientin Anspruch auf eine Versorgung damit hat. Denn Sativex ist nur für die MS-bedingte „mittelschwere bis schwere Spastik als Add-on-Therapie“ zugelassen; für diese Anwendung ist kein Antrag bei der Krankenkasse erforderlich – wohl aber, wenn man es z. B. bei Schmerzen einsetzen will. Alle anderen Fertig- oder Rezepturarzneimittel auf Cannabis-Basis, die synthetischen Präparate sowie Blüten und Blätter, benötigen den Antrag, auch bei der Spastik.

Auch die Voraussetzungen bleiben gleich: Die Patientin/ der Patient erhält medizinischen Cannabis/ Cannabinoide bei schweren (chronischen) Erkrankungen nur, wenn keine andere medizinische Möglichkeit besteht oder nicht eingenommen werden kann und eine Aussicht auf Besserung durch Cannabinoide besteht.

Besser nicht Auto fahren

Warnen muss man ausdrücklich vor dem Autofahren unter Einfluss von Cannabinoiden. Cannabis hat und auch Sativex kann Einfluss auf die Aufmerksamkeit haben. Das Lenken von Fahrzeugen oder Maschinen unterliegt zwar dem eigenen Ermessen (ähnlich wie beim Alkoholkonsum) und es kann nach ein paar Wochen ein Gewöhnungseffekt eintreten, der einen wieder konzentrierter macht, doch was im Zweifel, also im Fall eines Unfalles oder auffälliger Fahrweise etwa, zählt, ist eine individuelle Entscheidung der beteiligten Behörden. Und: Cannabinoide sind mehrere Tage im Blut nachweisbar, d.h. auch Tage nach der Einnahme von Cannabis kann eine Kontrolle ein "Zuviel" ergeben. Bisher gilt noch der Grenzwert von 1,0 ng/ ml THC im Blut. Diskutiert wird derzeit die Anhebung auf z. B. 3,5 ng/ml.

Dazu kommt, dass Alkohol und jegliche Art von Cannabinoiden eine "schlechte" Mischung sind. Alkohol, aber auch Medikamente wie Tranquilizer oder Muskelrelaxanzien und Cannabinoide verstärken sich gegenseitig in ihrer Wirkung und Nebenwirkung. Bei einer dauerhaften Behandlung der Spastik beispielsweise mit Sativex sollte also auf den Genuss von Alkohol verzichtet werden.

Zusammengefasst lässt sich sagen: Nur, weil Cannabis nun teillegalisiert wurde, ist es noch lange nicht harmlos. Es kann bei manchen Menschen mit Multipler Sklerose helfen, bestimmte Symptome zu lindern. Dann sollte es jedoch mit Verstand eingesetzt werden, ohne sich oder andere zu gefährden.

Quellen: Almirall , abgerufen am 22.04.2024; Kassenärztliche Bundesvereinigung, abgerufen am 22.04.2024; Bundesgesundheitsministerium, Stand: 18.04.2024.

Redaktion: AMSEL e.V., 23.04.2024