Kraft und Koordination

Koordinationstraining kann aus der Spastik herausführen. Alltagsbewegungen wie Aufstehen oder eine Treppe steigen können dann wieder leichter fallen und Schmerzen verringert werden!

Jede Bewegung, die ein Mensch ausführt, setzt komplexe Abläufe in Gang – auch wenn es sich scheinbar um isolierte Teilbewegungen wie das Heben eines Armes handelt. Wer zum Beispiel eine Kiste trägt, betätigt dabei den ganzen Körper – vom kleinen Zeh bis zum Bizeps in den Oberarmen.

Bei MS-Erkrankten können die Vielfältigkeit der Bewegungen je nach Krankheitsstadium eingeschränkt und die Koordination gestört sein. Bei schwerer Betroffenen stellen sich häufig Muskelverkrampfungen / Spastik ein. Diese können sich immer weiter verfestigen, während andere Bewegungsabläufe gar nicht mehr ausgeführt werden. Diese starren, spastischen Muster sind jedoch auf Dauer nicht alltagstauglich – sie führen zu übermäßiger Anstrengung und Verschleiß. Die Folgen: Einschränkung der Mobilität und Schmerzen.

Die gute Nachricht: Koordinationstraining und Aktivität können aus der Spastik heraus-führen, so dass viele Alltagsbewegungen wie Aufstehen, eine Treppe hochsteigen oder sich ins Bett legen wieder leichter und mit weniger Schmerzen ausgeführt werden können.

Die Bedeutung von Krafttraining für MS-Erkrankte gewinnt seit Jahren an Bedeutung. Kraft bedeutet die Fähigkeit, durch Muskeltätigkeit Widerstände zu überwinden, sie zu halten oder ihnen entgegenzuwirken. Die Kraft kann bei Menschen mit MS reduziert sein – vor allem in der unteren Körperhälfte, aber auch an der oberen Extremität. Einige Studien zum Krafttraining bei MS sagen aus, dass es durch Training zu einer Verbesserung der Kraft zwischen 7% und 32% kommen kann.

Grundsätzlich gelten folgende Regeln beim Krafttraining für
Menschen mit MS:

  • wenig Gewicht, viele Wiederholungen,
  • Beine auch funktionell trainieren (z.B. Laufband, Kletterwand),
  • Pausen einhalten,
  • Ausweichbewegungen beachten,
  • keine pathologischen Muster nutzen,
  • nicht überhitzen,
  • physiologische Synergien (z.B. Abstützen) dürfen genutzt werden.

Die im Folgenden beschriebenen Geräte dienen in erster Linie dem Training von Koordination und Kraft.

Das Seilzuggerät (oder für den häuslichen Bereich das Theraband) ist sehr vielseitig und verbessert die Koordination sowie die Kraft und Ausdauer.

In erster Linie werden die Rumpfmuskeln, der Schultergürtel, die Hüftmuskeln, Knie und Ellenbogen trainiert. Der Therapeut analysiert zunächst die vorhandene Bewegungsfähigkeit des MS-Erkrankten, um geeignete Übungen festzulegen. Ergibt zum Beispiel eine Ganganalyse, dass bestimmte Bewegungskomponenten beim Gehen fehlen, können diese am Seilzuggerät gezielt geübt werden. Die Übungen haben Verbesserungen zum Ziel, die dem schwer MS-Erkrankten im Alltag helfen können.

Je nach Befindlichkeit und Übungseinheit kann der MS-Patient im Stehen, Sitzen (auch im Rollstuhl) oder Liegen trainieren. Die Intensität des Trainings – Anzahl der Gewichte, Anzahl der Einzelübungen und Serien – legt der MS-erfahrene Therapeut oder Trainer fest. Angestrebt werden je nach Ziel (Schnellkraft und Kraftausdauer) 50 bis 80 Prozent der Maximalleistung. Das Training sollte mindestens zwei- bis viermal in der Woche stattfinden. Nach ein bis zwei Wochen werden die Leistungsfähigkeit erneut beurteilt und das Programm eventuell angepasst. 

Vorteile:
Das Seilzuggerät ist sehr viel-seitig. Es kann gezielt bestimmte Muskelgruppen trainieren und in der Übungsintensität problemlos angepasst werden.
Bedenken:
Es besteht die Gefahr, dass sich die Trainierenden überfordern und dass vorhandene spastische Bewegungsmuster trainiert werden.

Beim Schwingstab handelt es sich um eine elastische Stange mit Gewichten an beiden Enden, die durch rhythmische Armbewegungen in Schwingung versetzt wird.

Ziel sind ein Aufbau der Körperstabilität und eine Verbesserung der Koordination von Rumpf, Arm und Hand. Geübt wird abwechselnd mit beiden Armen, je nach individueller Leistungsfähigkeit einige Minuten lang. 

Vorteile:
Übungen mit dem Schwingstab dienen der Verbesserung von Koordination, Rumpfstabilität und Körperhaltung und können auch bequem zu Hause durchgeführt werden.
Bedenken:
Menschen mit Schultergelenkschmerzen können den Schwingstab nicht einsetzen, wenn sie dabei Schmerzen haben.

Die Beinpresse ist als unterstützendes Gerät geeignet, um die Kraft in den Waden, Oberschenkeln und dem Gesäß zu trainieren.

Für MS-Erkrankte wichtig: Es sollte zur selben Zeit immer nur ein Bein trainiert werden, da sonst die Gefahr besteht, dass das stärkere Bein die Leistung für das schwächere übernimmt.

Vorsicht ist auch bei Spastik geboten. Wenn die Knie zu stark zusammendrücken, dann ist die Beinpresse weniger geeignet. Die MS-Kranken sollten dann lieber an die Kletterwand gehen.

Vorteile:
Die Beinpresse trainiert gezielt das Gesäß, die Waden- und Oberschenkelmuskulatur.
Bedenken:
Bei starker Spastik ist die Beinpresse weniger geeignet.
  • Beginnen Sie mit einfachen Aufwärmübungen.
  • Überanstrengen Sie sich nicht zu sehr. Wenn Sie sich nicht mehr wohlfühlen, legen Sie eine Pause ein.
  • Machen Sie regelmäßige Pausen.
  • Planen Sie eine geringere Wiederholungsfrequenz der Übungen als Gesunde ein.
  • Entspannen Sie nach dem Training. Wenn Sie sehr lange brauchen, um sich wieder zu erholen, war möglicherweise das Pensum zu hoch. Reduzieren Sie es beim nächsten Training.
  • Trinken Sie ausreichend.
  • Falls Sie unter dem Uhthoff-Phänomen leiden, sorgen Sie für eine Kühlung (z.B. durch Kühlkleidung) während des Trainings und vermeiden Sie bei hohen Temperaturen Anstrengungen im Freien.

Letzte Änderung: 29.04.2020