Atemtherapie

Konzept des Verfahrens:

Atemtherapie kann – wie bei Ilse Middendorf – „Therapie mit dem Atem“ bedeuten. Es kann sich aber auch um eine ganz konkrete „Therapie der Atmung“ handeln, die bei Funktionsstörungen der Lunge eingesetzt wird. Dies betrifft meist schwerer betroffene Multiple Sklerose-Erkrankte, bei denen die Belüftung der Lunge z.B. durch mangelnde Bewegung eingeschränkt ist.

Ziel des Verfahrens:

Die Funktion der inneren Organe soll unterstützt, der Rumpf stabilisiert und die allgemeine Beweglichkeit erhöht werden. Die Atemtherapie wirkt positiv auf Spastik, Ataxie, Fatigue und Sprachstörungen.

Multiple Sklerose-Erkrankte, deren Lungenfunktion durch mangelnde Beweglichkeit oder ständige Nutzung eines Rollstuhls meist eingeschränkt ist, können durch Atemübungen auch die Belüftung der Lunge verbessern.

Beschreibung des Verfahrens:

Atemtherapie bei Multipler Sklerose wird häufig nach der Meditations- und Entspannungstechnik „Erfahrbarer Atem“ von Ilse Middendorf praktiziert. Grundlage des „Erfahrbaren Atems“ ist die Erkenntnis, dass der Atem mit Geist und Körper eng vernetzt ist und dass jeder auch noch so kleine Reiz von außen die Art und Weise des Atmens verändert.

Nach Middendorf können drei Arten des Umgangs mit der Atmung unterschieden werden:

  • Der Atem wird willentlich eingesetzt – zum Beispiel im Yoga.
  • Der Atem bleibt unbewusst und wird nicht registriert.
  • Der Atem wird bewusst zugelassen, aber nicht willentlich beeinflusst (= Erfahrbarer Atem).

Erfahrbarer Atem bedeutet nach Ilse Middendorf: „Ich lasse meinen Atem kommen, lasse ihn gehen und warte, bis er von selbst wiederkommt.“ Wer auf diese Weise mit seinem Atem umgeht, kann seine Selbstheilungskräfte aktivieren. Er stärkt das „Gesunde“ in sich, so dass alles „Kranke“ an Einfluss und Kraft verliert. Wer seinen Atem bewusst empfindet, steigert seine „Atemfähigkeit“, seine „Empfindungsfähigkeit“ und seine „Sammlungsfähigkeit“.

Mechanisch hat die Atmung einen direkten Einfluss auf viele Organe und ihre Funktionen. Kreislaufdynamisch besteht eine Wechselwirkung zwischen der Atembewegung und dem Körper- und Lungenkreislauf. Chemisch beeinflusst die Atmung den Stoffwechsel, vor allem die Sauerstoffversorgung und den Kohlendioxidspiegel. Nervös-reflektorisch hat die Atmung Auswirkungen auf die Organe über nervliche Verflechtungen. Zentral-nervös wirkt die Atemmotorik auf das Bewusstsein und so auf das Empfindungs- und Gefühlsleben des Menschen.

Richtig atmen – aber wie?

Beim „Erfahrbaren Atem“ gibt es kein „falsches“ Atmen. Vielmehr spricht man von ungünstigen Atemgewohnheiten: flaches Atmen, wie zum Beispiel bei Menschen, die ständig auf einen Rollstuhl angewiesen sind. Oder das Hochziehen des Atems in den Brustkorb oder das Zurückhalten des Ausatmens. Auch Ängste und Stress können sich in der Atmung widerspiegeln, etwa durch schnelles und hektisches Atmen, was zu einer reduzierten Sauerstoffversorgung führt. Solche unnatürlichen Atemmuster können sich so verselbstständigen, dass ein Mensch sich auch ohne konkreten Grund ständig unruhig fühlt. Unbewusste Atemangewohnheiten können durch spezielle Übungen verändert werden. Der erste Schritt ist, den Atem zu spüren und bewusst wahrzunehmen, wie und wo er sich im Körper ausbreitet.

Unabdingbare Voraussetzung in der Atemtherapie ist die Atmung durch die Nase, um das Zwerchfell als Hauptatemmuskel zu trainieren und zu einer vertieften Atmung zu finden. Ziel ist es, die natürlichen Atemimpulse wieder zu erwecken und dadurch die gesamten Rhythmen im Körper zu harmonisieren.

Wissenswertes:

Atemtherapie kann auch im häuslichen Umfeld selber praktiziert werden.

  • Legen Sie Ihre Hände seitlich am unteren Brustkorb an, lassen Sie sie mit der Weitung des Brustkorbs beim Einatmen und mit dem Verengen des Brustkorbs beim Ausatmen weich mitgehen. Spüren Sie, wie der Atem weit und schmal macht.
  • Atmen Sie kräftig ein, verschließen Sie Ihren Mund und halten Sie sich die Nase zu. Lassen Sie keine Luft heraus! Atmen Sie erst dann aus, wenn Sie dazu gezwungen werden. Empfinden Sie, wie es ist, wenn man sich voll Luft pumpt und keine „Luft ablassen“ kann.
  • Blasen Sie die Luft durch den Mund aus, als wenn Sie eine Kerze ausblasen wollten, so lange wie möglich. Dann lassen Sie das Einatmen von selbst kommen.
  • Atmen Sie ein und zählen Sie still bis drei, halten Sie den Atem an und zählen vier und fünf, dann atmen Sie aus und zählen rückwärts von fünf bis null.
  • Drücken Sie beim Ausatmen mit Ihren Händen weich auf die Bauchdecke, bis Sie die Eingeweide der Bauchhöhle tasten können, während Sie beim Einatmen in die Hände atmen.

Letzte Änderung: 21.01.2021