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Zug abgefahren?

11.08.05 - Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg entschied gegen barrierefreie Zugänge zu Bahnsteigen.

Bahnunternehmen sind nach dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofes (VGH) Baden-Württemberg nicht verpflichtet, barrierefreie Zugänge zu Bahnsteigen zu ermöglichen. Eine Klage des Bundesverbandes für Körper- und Mehrfachbehinderte e.V. und des Bundesverbandes Selbsthilfe Körperbehinderter e.V. wurde abgewiesen.

Endstation Treppe

Auslöser der Klage war die geplante Neugestaltung des Bahnhofs Oberkochen im Ostalbkreis. Bisher konnte der Mittelbahnsteig durch Überqueren der Außengleise erreicht werden - nach der Neugestaltung ist für Rollstuhlfahrer schon am Bahnhofsgebäude Endstation, da der einzige Weg zum Mittelgleis über Treppen führt. Aufzug oder Rampe sind nicht vorgesehen, da nach Angabe der Bahn weniger als 1000 Menschen täglich den Bahnhof nutzen.

Gleichstellung gescheitert

Die Renovierung stellt eine deutliche Verschlechterung dar, die nach Auffassung der Verbände gegen das Behindertengleichstellungsgesetz verstößt, welches einen barrierefreien Lebensraum ermöglichen soll. Dieses Gesetz kam eigentlich auch in der geänderten Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung zum Tragen: Die Benutzung von Bahnanlagen solle für behinderte und alte Menschen sowie Kinder und sonstige mobilitätseingeschränkte Menschen "ohne besondere Erschwernis" möglich sein. Und dies ist nach der Renovierung des Bahnhofes eben nicht mehr ohne Weiteres möglich.

Juristischer Haken: Die Eisenbahn-Verordnung regle nicht den Zugang zum Bahnsteig, so der VGH. Die Bahn solle die Belange behinderter Menschen zwar abwägen. Und ob sie dies rechtmäßig getan habe, könne das Gericht aufgrund des eingeschränkten Anwendungsbereiches der Verbandsklage nicht prüfen.

Überfällige Projekte

Indes, es ist noch viel zu tun: Noch nicht einmal 50 Prozent aller Bahnstationen sind mit Rampen und Aufzügen ausgestattet. Die Deutsche Bahn AG hatte noch im Juni ein Konzept zur "barrierefreien Bahn" vorgelegt. Schön und gut, aber die Neugestaltung etlicher Bahnhöfe z.B. im Bereich der Brenzbahn (Haupteisenbahnstrecke von Ulm nach Aalen) bleibt davon möglicherweise unberührt, wenn die Verbände mit ihrer Revision beim Bundesverwaltungsgerichts keinen Erfolg haben.

Quelle: Rolli-aktiv. Infomagazin des Landesverbandes für Körper- und Mehrfachbehinderte Baden-Württemberg, 16 (2005).

Redaktion: AMSEL e.V., 11.08.2005