Der zweite Teil widmet sich den Unterstützungs- und Betreuungsmöglichkeiten während verschiedener Reha-Maßnahmen (medizinisch, beruflich, speziell auch der Mutter/Vater-Kind-Kur). Teil 1 thematisierte häusliche Unterstützungs- und Betreuungsmöglichkeiten in akuten oder vorübergehenden Notsituationen (bspw. durch eine Haushaltshilfe).
Fallbeispiel: Frau S., 31 Jahre alt, alleinerziehend, Mutter eines zweijährigen Sohns, arbeitet halbtags im Homeoffice für eine Versandfirma. Zusätzlich erhält sie wegen der MS-Erkrankung eine Teilerwerbsminderungsrente. Vor kurzem hatte Frau S. einen Schub, der mit Störungen der Konzentration, Gehbeeinträchtigungen sowie Doppelbildern einherging. Eine Kortison-Therapie hatte bei ihr nur mäßigen Erfolg. Ihre Neurologin hat ihr eine medizinische Rehabilitation angeraten. Doch was machen mit ihrem Sohn? Der Vater kann in diesem Fall die Versorgung des Kindes nicht leisten. Welche Möglichkeiten hat Frau S.?
1.1 Stationäre Rehabilitation ohne Kind, während das Kind zu Hause betreut wird
Die gesetzlichen Krankenkassen oder ggf. andere Kostenträger müssen in Notsituationen bspw. bei einer Verschlechterung einer Erkrankung oder einer ambulanten oder stationären Vorsorge- oder Reha-Maßnahme eine Haushaltshilfe gewähren, die sich um den Haushalt kümmert und auch die Kinder betreut (SGB V § 38 Absatz I). Wurde eine Haushaltshilfe von der Krankenkasse ganz oder teilweise abgelehnt oder deckt diese nicht den vollständigen Bedarf ab, kann auch eine ambulante Familienpflege über das Jugendamt gewährt werden. Ausführliche Infos.
1.2 Stationäre Rehabilitation mit Kind als Begleitperson
Die medizinische Rehabilitation umfasst Maßnahmen, die auf die Erhaltung oder Besserung des Gesundheitszustands ausgerichtet sind, drohende Pflegebedürftigkeit oder Behinderung abwenden sowie eine bestehende Behinderung verbessern oder ihre Verschlechterung vermeiden sollen. Eine medizinische Reha kann ambulant oder stationär erfolgen. Stationäre Vorsorge- und Rehabilitationsleistungen dauern in der Regel drei Wochen. Zwischen zwei Reha-Maßnahmen müssen in der Regel vier Jahre Wartezeit liegen, bei chronischen Erkrankungen wie einer MS und medizinischer Notwendigkeit kann eine Reha jedoch mit entsprechender Begründung auch häufiger in Anspruch genommen werden.
Kostenträger sind meist die gesetzlichen Krankenkassen oder Rentenversicherungen. Dort müssen die individuellen Leistungen beantragt und auch genehmigt werden. Falls Ihr Antrag auf eine Rehabilitationsmaßnahme abgelehnt werden sollte, können Sie Widerspruch einlegen.
Anmerkung: Geht ein Krankenhausaufenthalt voraus, etwa in einer Akutklinik wegen der Behandlung eines akuten Schubs, einer Verschlechterung der MS bei progredientem Verlauf oder weil die Erwerbsfähigkeit gefährdet oder gemindert
ist, kann auch eine Anschlussheilbehandlung in einer ambulanten oder stationären Rehabilitationseinrichtung in Anspruch genommen werden. Diese unterliegt nicht der Vierjahresfrist und muss nicht vorab vom Kostenträger genehmigt werden.
Voraussetzungen:
Die Reha-Maßnahme muss aus medizinischen Gründen erforderlich, von einem Arzt verordnet und beim zuständigen Kostenträger vorher beantragt und genehmigt worden sein. Zudem muss eine passende Reha-Klinik gefunden werden. Der Kostenträger prüft und entscheidet hierbei immer nach wirtschaftlicher Angemessenheit. So wird oft auch
wegen Reduzierung der Reisekosten für eine nahegelegene Reha-Einrichtung entschieden.
Sie haben allerdings ein Mitspracherecht bei der Wahl Ihrer Rehaklinik, das sogenannte Wunsch- und Wahlrecht. Denn Reha ist nicht gleich Reha: Den größten Erfolg werden Sie in einer Einrichtung haben, die genau auf Ihre Bedürfnisse und Erkrankung ausgerichtet ist. Schreiben Sie Ihren Klinik-Wunsch mit in den Reha-Antrag und begründen Sie, warum Sie genau diese Klinik ausgewählt haben. Sollte z.B. die Mitunterbringung des Kindes gewünscht/erforderlich sein, muss das unbedingt vorab angegeben werden.
Bitte beachten: Es gibt nur wenige Reha-Kliniken in Deutschland, die eine Mitnahme von Kindern als Begleitpersonen anbieten.
Pro und Contra einer stationären Reha-Maßnahme mit und ohne Kind
Eine stationäre Reha-Maßnahme mit Kind kann für den betroffenen Elternteil wesentlich energieaufwendiger sein als ohne Kind. Das Kind wird zwar während der Therapie-Zeit betreut, danach ist jedoch die Mutter bzw. der Vater wieder für das Wohl des Kindes verantwortlich. Damit sind die Erholungszeiten für den betroffenen Elternteil nach der Therapie wesentlich geringer als bei einer Reha ohne Kind.
Bitte beachten Sie: Wird ein Kind mit in eine Reha genommen, sollte das Kind auch bereit sein, sich betreuen zu lassen. Klappt die Eingewöhnung des Kindes z.B. in der Kindergruppe nicht, muss die Reha abgebrochen werden. Bei Säuglingen oder Kleinkindern wird empfohlen, eine Begleitperson mitzunehmen, die sich während der Therapie um das Kind kümmert.
Aus entwicklungspsychologischer Sicht ist der kontinuierliche Kontakt zur Hauptbezugsperson in den ersten drei Lebensjahren für das Kind von hoher Bedeutung.
Diese Bindung ist ein wichtiger Faktor für die Entwicklung der psychischen und physischen Gesundheit eines Kindes. Außerdem kann es sowohl für das Kind als auch für den betroffenen Elternteil eine große emotionale Herausforderung darstellen, über eine so
lange Zeit getrennt voneinander zu sein.
Im Vorfeld einer anstehenden Reha sollte daher gut abgewogen werden, welches die passende Maßnahme für alle Beteiligten ist.
2. Ambulante Rehabilitation
Eine Rehabilitation kann auch ambulant in einer nahegelegenen Tagesklinik erfolgen. Ist das der Fall, übernachtet der Patient zu Hause und kann sich morgens vor der Klinik und abends danach um das Kind kümmern. Diese Form der Reha ist vor allem geeignet für Eltern von Kindern, die tagsüber durch einen Ganztageskindergarten betreut werden oder zur Schule gehen und schon etwas selbstständiger sind. Ambulante Rehabilitationsleistungen dauern längstens 20 Behandlungstage.
Auch hier ist es möglich, zusätzlich eine Haushaltshilfe über den Kostenträger zu beantragen, z.B. um das Kind nachmittags vom Kindergarten abzuholen, die Kinder
in der Zwischenzeit zu betreuen, einzukaufen oder andere Tätigkeiten im Haushalt zu verrichten.
Der Vorteil einer ambulanten Reha kann sein, dass das Kind nicht aus seinem sozialen Umfeld „gerissen“ wird. Eine ambulante Reha erfordert aber auch eine große
Belastbarkeit für alle Beteiligten, weil nach dem Therapietag der übliche Alltag gemeistert werden muss und die Erholungszeiten entsprechend geringer sind.
3. Mutter-/Vater-Kind-Kur
Eltern sind im familiären Alltag vielfältigen Belastungen ausgesetzt, müssen den Spagat zwischen Job, Kindern, Haushalt und Familienleben meistern. Wenn dann noch eine chronische Erkrankung wie die MS hinzukommt, kommen viele an oder über ihre persönliche Belastungs- und Leistungsgrenze. Dies kann besonders den Elternteil
mit der höheren Erziehungsverantwortung betreffen.
Physische und psychische Symptome können die Folge einer Überlastung sein, wie z.B. chronische Erschöpfungszustände, Unruhe und Angstzustände, chronische
Schlafstörungen, Magen-Darm-Beschwerden, Herz-Kreislauf-Störungen, Übergewicht, Rückenschmerzen, Verspannungen, Atemwegserkrankungen etc. In so einem Fall kann eine Behandlung in einer spezialisierten Kurklinik helfen.
Anmerkung: Eine Mutter-/Vater-Kind-Maßnahme wird bei medizinischer Notwendigkeit von der gesetzlichen Krankenkasse bezahlt. Sie dauert in der Regel drei bis vier Wochen und kann alle vier Jahre beantragt werden, in Ausnahmesituationen auch öfter. Für die erholungsbedürftigen Familien gibt es spezielle Einrichtungen des Müttergenesungswerkes oder Einrichtungen mit Versorgungsvertrag. Mutter-/Vater-Kind-Kuren werden immer stationär erbracht und sind vom Grundsatz „ambulant vor stationär“ ausgenommen.
Im Unterschied zu einer medizinischen Reha-Maßnahme ist eine Mutter-/Vater-Kind-Kur eine präventive Maßnahme für Eltern, die im Familienalltag sehr gefordert sind und dringend eine Auszeit benötigen. Es geht hier nicht um die medizinische Besserung des Gesundheitszustandes, sondern um die Erholung und das Kraftschöpfen für ihren kräftezehrenden Alltag (§24 SGB V).
Voraussetzungen einer Mutter-/Vater-Kind-Kur
- Vorliegen einer gesundheitlichen Beeinträchtigung oder Kurbedürftigkeit, die ärztlich attestiert wurde oder eine familiär und/oder psychisch stark belastende Situation durch bspw. erhebliche Erziehungsprobleme, Trennung oder Versorgen pflegebedürftiger oder behinderter Kinder oder Angehöriger,
- der/die Betroffene muss gesetzlich krankenversichert sein,
- der/die Betroffene muss das Kind im Alltag selbst versorgen und betreuen,
- das Kind darf nicht älter als 12 Jahre (bei manchen Krankenversicherungen auch 14 Jahre) sein, bei Kindern mit Behinderung gibt es keine Altersgrenze,
- das Kind selbst ist gesundheitlich gefährdet oder krank, kann nicht anderweitig betreut werden und/oder würde unter der Trennung zum Elternteil leiden.
Der Elternteil kann die Vorsorge-Kur mit einem oder mehreren Kindern als Begleitperson beantragen. Wenn beide Eltern eine Auszeit benötigen, handelt es sich um eine so genannte Familien-Kur oder Familien-Reha. Es gibt aber auch spezielle Vorsorge-Angebote, die sich nur an betroffene Mütter richten, so genannte Mütteroder
Frauen-Kuren. Diese werden allerdings nur ohne Mitnahme des Kindes angeboten.
Wissenswertes: Es gibt Kliniken des Müttergenesungswerkes oder gleichartige Einrichtungen, die zu bestimmten Zeiten ausschließlich Mutteroder Vater-Kind-Maßnahmen anbieten oder parallel stattfindende Mutter-/Vater-Kind-Gruppen. Für Schwangere gibt es spezielle Mutter-Kind-Häuser, die auf die Bedürfnisse von Schwangeren ausgerichtet sind.
Die Mutter-/Vater-Kind-Kur wird in spezialisierten Einrichtungen durchgeführt. Vollverpflegung in diesen Häusern ist Standard. Je nach gesundheitlichen Beschwerden
gibt es Sport-und Bewegungsangebote, Entspannungskurse aller Art, Beratung und Gesprächskreise bei familiären Problemen, Physiotherapie, Massagen und Heilbäder sowie Freizeitangebo te. Die Begleitkinder werden während der Therapie-Einheiten in
der Einrichtung kindergerecht betreut.
Diese Häuser sind – anders als in Reha-Kliniken nur für Erwachsene – auf Kinder eingerichtet. Sie haben fast alle Eltern-Kind-Appartements mit zwei Zimmern, einen speziellen Kinderbereich für die Betreuung und einen kindergerechten Außenbereich mit Spielgeräten und einen großen Garten. Ausgebildete Erzieher bieten interessante Spiel- und Freizeitangebote für Kinder an. Die meisten Kinder fühlen sich in diesen Häusern sehr
wohl und finden schnell Freunde zum Spielen.
Kosten einer Mutter-/Vater-Kind-Kur
- Zuständiger Kostenträger ist, wie bei anderen Vorsorge- und Reha-Maßnahmen auch, die gesetzliche Krankenkasse.
- Falls die Erwerbsfähigkeit des Betroffenen eingeschränkt ist, kann auch die Rentenversicherung der Kostenträger sein.
- Die Zuzahlung beträgt täglich 10 Euro. Unter bestimmten Voraussetzungen können Sie sich von der Zuzahlung befreien lassen.
- Die Fahrtkosten werden vom Kostenträger mit übernommen.
Anders als bei der medizinischen Reha werden auch Kosten für weiter entfernte Kliniken übernommen, da es hier primär um die Erholung geht: In schöner und naturverbundener Umgebung kann der Erholungswert für die Familien höher sein als in einer nähergelegenen Einrichtung einer Stadt. Wichtig bei der Auswahl der Klinik kann auch die Größe des Hauses sein: Vorteil der größeren Vorsorge-Einrichtungen ist, dass sie eine
größere Auswahl an Therapieangeboten haben. Vorteil der kleinen Häuser ist die familiäre Atmosphäre und die persönliche Begegnung im Haus.
Schulpflichtige Kinder werden für die Dauer der Maßnahme vom Schulunterricht freigestellt. Sie erhalten eine Bescheinigung für die Schule vom Kostenträger. In einigen Vorsorgeeinrichtungen gibt es schulbegleitenden Unterricht und Hausaufgabenhilfe.
Während der Vorsorge-Maßnahme haben Angestellte Anspruch auf Entgeltfortzahlung: Der Arbeitgeber muss nach Erhalt der Zusage unverzüglich über den Zeitpunkt und die Dauer der Maßnahme informiert werden, ebenso bei einer Verlängerung. Angestellte gelten in dieser Zeit als „arbeitsunfähig“.
Bitte beachten Sie: Anträge für Vorsorge-Kuren bekommen Sie bei Ihrem Hausarzt oder bei einer Kurberatung (Formular 64). Für jedes Kind, das bei einer Vorsorgemaßnahme mitbehandelt wird, ist eine eigene Verordnung auszufüllen (Formular 65).
Bei vielen Kurberatungen ist es möglich, sich bereits einen Platz in Ihrem Wunschhaus für sich und Ihr Kind im Vorfeld reservieren zu lassen, bis die Kostenzusage der Krankenkasse nachgereicht werden kann. Fragen Sie gezielt danach. Falls die Maßnahme vom Kostenträger abgelehnt wird, kann innerhalb eines Monats Widerspruch eingelegt werden. Die Kurberatung kann Ihnen hier hilfreich zur Seite stehen.
Kostenlose Kur-Beratungsstellen:
Redaktion: AMSEL e.V., 19.08.2024