Der erste Teil beschäftigt sich mit Unterstützungs- und Betreuungsmöglichkeiten in akuten oder vorübergehenden Notsituationen. Der zweite Teil wird sich den Unterstützungs- und Betreuungsmöglichkeiten während verschiedener Reha-Maßnahmen widmen (medizinisch, beruflich, speziell auch der Mutter/Vater-Kind-Kur).
Fallbeispiel (alle Namen frei erfunden): Laura Schmidt, 27 Jahre alt, seit 2017 an MS erkrankt, hat mit ihrem Mann zwei Kinder (Lea 1 Jahr alt und Miran 4 Jahre alt). Sie leidet aktuell an einem heftigen Schub, der sie außer Gefecht gesetzt hat und weiß nicht, wie sie ihre Kinder und sich selbst tagsüber versorgen soll. Ihr Mann arbeitet und steht deshalb nicht zur Verfügung. Die Großeltern wohnen weit weg und/oder sind berufstätig. Freunde haben beide hier noch nicht, da sie aus beruflichen Gründen in eine neue Stadt gezogen sind. Frau Schmidt ist zurzeit in Elternzeit. Sie hat Anspruch auf eine Haushaltshilfe. Bis die Bewilligung vorliegt und die Haushaltshilfe da ist, kann glücklicherweise die Großmutter mütterlicherseits noch kurzfristig für ein paar Tage die Familie unterstützen.
1. Haushaltshilfe über die gesetzlichen Krankenkassen
Die gesetzliche Krankenkasse muss bei schweren Erkrankungen oder akuter Verschlechterung einer Erkrankung eine Haushaltshilfe gewähren, die sich um den
Haushalt kümmert und auch die Kinder betreut; ebenso nach einem Krankenhausaufenthalt oder einer ambulanten oder stationären Vorsorge- oder Reha-Maßnahme.
Dieser Rechtsanspruch ist im SGB V § 38 Absatz I geregelt. Voraussetzungen sind:
- Die versicherte Person kann den Haushalt nicht weiterführen.
- Keine andere im Haushalt lebende Person kann den Haushalt weiterführen, z.B. wegen Berufstätigkeit.
- Kind/er unter 12 Jahren (bei manchen Krankenkassen unter 14) oder mit Behinderung (ohne Altersbegrenzung) lebt/leben im Haushalt.
- Gesetzliche Krankenversicherung liegt vor. Bei privat Versicherten können die Leistungen variieren und sind vertraglich festgehalten und zu prüfen.
1.1 Haushaltshilfe mit Kind
Familien haben Anspruch auf eine Haushaltshilfe für die Dauer des „Ausfalls“ bzw. bis zu max. 26 Wochen
1.2 Haushaltshilfe bei Schwangerschaft und Entbindung
Nach § 24h SGB V kann während der Schwangerschaft oder nach der Entbindung ebenfalls eine Haushaltshilfe gewährt werden, so lange wie der Arzt sie für notwendig
hält, es gibt keine zeitliche Beschränkung der Maßnahme. Auch ist es für die Genehmigung nicht erforderlich, dass ein Kind im Haushalt leben muss.
1.3 Haushaltshilfe bei Krankheit ohne Kind
Übrigens steht auch Paaren oder alleinstehenden Personen, die keine Kinder haben, eine Haushaltshilfe bei schweren Krankheiten, akuter Verschlimmerung einer Krankheit oder nach einem Krankenhausaufenthalt zu, allerdings für die Dauer von maximal vier Wochen. Voraussetzung ist, dass sie nicht pflegebedürftig sind, also nicht in Pflegegrad 2 oder höher eingestuft sind.
Kosten für eine Haushaltshilfe
Organisiert die Krankenkasse die Haushaltshilfe, fällt für Versicherte ab 18 Jahren pro Tag eine gesetzliche Zuzahlung in Höhe von zehn Prozent der Kosten an. Die tägliche Zuzahlung ist dann mindestens fünf Euro und maximal zehn Euro. Geht es um Schwangerschaft und Geburt, ist die Leistung zuzahlungsfrei.
Damit Betroffene durch die gesetzlichen Zuzahlungen finanziell nicht unzumutbar belastet werden, müssen Familien pro Jahr nicht mehr als zwei Prozent ihrer jährlichen Familien-Brutto-Einnahmen zuzahlen. Bei einer chronischen Erkrankung liegt die Grenze bei einem Prozent. Um herauszufinden, ob eine Zuzahlungsbefreiung in Frage kommt, können Sie einen Zuzahlungsrechner (Homepage Ihrer Krankenkasse) nutzen.
Organisieren Sie selbst eine Haushaltshilfe, können Sie die anfallenden Kosten direkt mit der Krankenkasse abrechnen. Die Kassen gewährten im Jahr 2023 bis zu 10,50 Euro pro Stunde, maximal 84 Euro am Tag bei einem achtstündigen Einsatz. Handelt es sich hierbei aber um Verwandte oder Verschwägerte bis zum zweiten Grad (Eltern, Geschwister oder Schwäger), erstattet die Krankenkasse höchstens den Verdienstausfall bei unbezahltem Urlaub und/oder die Fahrtkosten für maximal zwei Monate in angemessener Höhe.
Manche Krankenkassen bieten auch höhere Satzungsleistungen (also Leistungen, die eine Krankenkasse zusätzlich zu den gesetzlich festgeschriebenen Leistungen gewähren kann) an. Bitte erkundigen Sie sich bei Ihrer gesetzlichen Krankenkasse.
Wie beantrage ich eine Haushaltshilfe?
Den Antrag auf Haushaltshilfe müssen Sie selbst bei der Kasse stellen. Zum ausgefüllten Formular muss eine Notwendigkeitsbescheinigung des behandelnden Arztes vorgelegt werden, in der die Diagnose und die daraus resultierenden Beeinträchtigungen aufgeführt sind. Außerdem muss der Arzt darin auch angeben, ab wann die Hilfe notwendig ist, für wie lange und in welchem Umfang die Hilfe gewährt werden sollte.
Ist ein Krankenhausaufenthalt oder eine Reha-Maßnahme geplant, lohnt es sich, den Antrag schon im Vorfeld zu stellen, damit die Haushaltshilfe auch übergangslos im Haushalt anfangen kann. Die Bewilligung des Antrags dauert in der Regel eine Weile, der Gesetzgeber schreibt eine Bearbeitung innerhalb von drei Wochen vor.
Je kurzfristiger Unterstützung gebraucht wird, umso schwieriger ist es, jemanden zu finden, der im Haushalt und bei der Kinderbetreuung unterstützen kann. Anders als bei einer geplanten Operation oder bei einer Reha-Maßnahme ist eine gesundheitliche Verschlechterung nicht voraussehbar.
Auch ist zu bedenken, dass selbst wenn die Kostenzusage seitens der Krankenkasse da ist, nicht immer direkt eine geeignete Haushaltshilfe zur Verfügung steht, da es zu Engpässen kommen kann. Für Familien mit MS ist es daher sinnvoll, einen Plan B in petto zu haben, wenn möglich, verbindliche Absprachen z.B. mit Großeltern, Geschwistern, Freunden oder anderen der Familie nahestehenden Personen getroffen zu haben, die bereit sind, auch mal kurzfristig einzuspringen.
Andere Kostenträger für Haushaltshilfe können sein
- Die Unfallversicherung aufgrund eines Arbeitsunfalls.
- Die Rentenversicherung während einer medizinischen oder beruflichen Reha, (Näheres siehe Teil 2).
- Die Agentur für Arbeit als ergänzende Leistung zu einer beruflichen Reha, (Näheres siehe Teil 2).
- Träger der Eingliederungshilfe.
- Träger der Sozialhilfe u.a.
2. Ambulante Familienpflege über das Jugendamt
Das Jugendamt sichert die Betreuung und Versorgung von Kindern bis zum 14. Geburtstag in Notsituationen. Darauf haben Eltern seit 10.06.2021 nach § 20 SGB VIII Anspruch. Voraussetzung für die Gewährung ist, dass der Antrag auf eine Haushaltshilfe von der Krankenkasse ganz oder teilweise abgelehnt wurde oder diese nicht den vollständigen Bedarf deckt. Beispiel: Die Krankenkasse hat eine Haushaltshilfe genehmigt, was in der Regel maximal für acht Stunden pro Tag möglich ist (bei Alleinerziehenden zehn Stunden). Ist dieser Umfang nicht ausreichend, kann zusätzlich eine ambulante Familienpflege über das Jugendamt beantragt werden.
Weitere Voraussetzungen sind:
- Der Elternteil, der überwiegend für die Betreuung des Kindes zuständig ist, fällt aus gesundheitlichen oder anderen zwingenden Gründen aus, bspw. Krankenhausaufenthalt,
- Kur, chronische Erkrankung, Depressionen, etc.
- Der andere Elternteil ist z.B. berufsbedingt nicht in der Lage ist, die Betreuung und Versorgung des Kindes wahrzunehmen.
- Großeltern, andere Verwandte oder Freunde können ebenfalls nicht aushelfen (diese wären vorrangig einzusetzen).
- Die Hilfe muss für das Wohl des Kindes erforderlich sein; die Versorgung durch eine externe Betreuung wie Kita oder Tagespflege ist bspw. nicht ausreichend.
- Der familiäre Lebensraum für das Kind muss erhalten bleiben, d.h. das Kind wird zu Hause betreut und es soll in seinem sozialen Umfeld (Kita, Schule und Freunde) bleiben. Fremdunterbringungen sind zu vermeiden. Falls das Jugendamt die Leistung ablehnt, z.B. weil es der Ansicht ist, das Kind brauche die Betreuung nicht oder es sei besser, das Kind in einer Wohngruppe des Jugendamts unterzubringen, können Eltern gegen das Jugendamt klagen. Das Jugendamt hat hier keinen eigenen Beurteilungsspielraum, anders als bei zahlreichen anderen Leistungen der Jugendhilfe. Die Entscheidung kann gerichtlich überprüft und angeordnet werden.
Umfang der Betreuung durch eine ambulante Familienpflege:
- Säuglingspflege bzw. Kinderpflege,
- Sicherstellung von Schulbesuch und anderen Terminen (Sport, Freizeit),
- Aufsicht und Unterstützung bei den Schulhausaufgaben,
- altersgemäße Beschäftigungen,
- Unterstützung bei psychischen Belastungen,
- Zubereitung von Mahlzeiten, Ernährung des Kindes,
- Haushaltsführung wie Einkauf, Wäschepflege, Haushaltsreinigung u.a.
Kosten für ambulante Familienpflege
Die Kosten übernimmt das örtliche Jugendamt. Je nach Familieneinkommen kann die Familie an den Kosten beteiligt werden.
Bitte beachten: Die Bewilligung dieser Maßnahme benötigt viel Zeit, da eine Voraussetzung die Ablehnung einer Haushaltshilfe bei der gesetzlichen Krankenkasse ist. D.h. es geht hier um die Einrichtung einer langfristigen Maßnahme mit entsprechender Vorlaufzeit.
3. Weitere Unterstützungsmöglichkeiten für Familien in Notfällen können sein:
- Projekt Wellcome: ehrenamtliche Nachbarschaftshilfe im ersten Lebensjahr eines Kindes: www.wellcome-online.de
- Nachbarschaftshilfe durch die örtlichen Kirchengemeinden
- Familienhebammen: www.hebammen-bw.de
Quelle: together, 02.2023, Stand: Juni 2023.
Redaktion: AMSEL e.V., 14.08.2024