Spenden und Helfen

Treppensteighilfen keine Kassenleistung mehr

Das Bundessozialgericht weist die Klage einer Multiple-Sklerose-betroffenen Frau zurück. - Sieht so die Teilhabe am sozialen Leben aus?

Eine elektrisch betriebene Treppensteighilfe für Rollstuhlfahrer – Scalamobil – ist kein Hilfsmittel, das von der Krankenkasse zu bezahlen ist. Dies hat das Bundessozialgericht am 7.10.2010 entschieden (Aktenzeichen: B 3 KR 13/09 R).

Die Richter erkennen zwar an, dass eine Treppensteighilfe für einen Rollstuhlfahrer ein wichtiges Hilfsmittel zur Bewältigung seines Alltags sein kann, sehen darin aber keine Maßnahme einer medizinischen Rehabilitation. Vielmehr diene eine solche Treppensteighilfe der sozialen bzw. gesellschaftlichen Integration und dies sei nicht Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung, sondern anderer Leistungsträger, etwa im Rahmen der Sozialhilfe. Das Gericht führte weiter aus, dass zwar ein Grundbedürfnis der Mobilität zur Erschließung der eigenen Wohnung und des umliegenden Nahbereiches besteht, dies wäre aber mit dem vorhandenen Rollstuhl ausreichend abgedeckt. Auch wäre es nicht Aufgabe der Krankenkasse Hilfsmittel zu finanzieren, die nur wegen der individuellen Wohnsituation benötigt würden.

Folgen für Menschen mit Multipler Sklerose

Welche Auswirkungen hat dieses Urteil nun für MS-Betroffene? Bislang konnten Krankenkassen die Kosten für Treppensteighilfen übernehmen, weil diese nicht fest im Gebäude montiert werden und deshalb im Gegensatz zu Treppenliften als Hilfsmittel galten. Allerdings ist für einen Treppensteiger immer eine Hilfsperson erforderlich, die diesen sicher bedienen kann. Um von fremder Hilfe unabhängig zu sein, bevorzugen viele deshalb für den häuslichen Bereich einen Treppenlift, der allerdings auch erheblich teurer ist.

Treppensteighilfen

sind Mobilitätshilfen, die einer Sackkarre gleichen.
Mit ihnen kann eine zweite Person einen Rollstuhlfahrer Treppen hoch- oder heruntertransportieren. Ein spezielles, meist batterie-betriebenes Räder- oder Raupensystem macht die Rollifahrer so leicht und "geländegängig".

Hier war ein von der Krankenkasse finanzierter Treppensteiger bislang eine kostengünstige Alternative, gerade auch für Personen mit geringem Einkommen. Nach dem Urteil des Bundessozialgerichts fällt diese Möglichkeit nun weg. Und da nicht zu erwarten ist, dass andere Sozialleistungsträger, wie z.B. die Sozialämter nun problemlos die Kosten übernehmen werden, muss man befürchten, dass gerade Personen mit geringem Einkommen unter den Folgen dieses Urteils zu leiden haben.

Weltfremde Sichtweise: treppenfreie Umwelt

Im Übrigen erscheint die Sichtweise der Richter, die für ihre Beurteilung eine treppen- und barrierefreie Umwelt als Regelmaßstab anlegen, doch ziemlich weltfremd. Wer als Rollstuhlfahrer schon einmal eine rolligerechte Wohnung gesucht hat, weiß, wie schwer dies ist und wie wenig wirklich rollstuhltaugliche Wohnungen vorhanden sind. Oft müssen sich die Betroffenen dann mit unzureichenden Wohnbedingungen arrangieren.

Die Ausführungen des Gerichts, dass die Mobilität zwar ein Grundbedürfnis darstellt, allerdings nur solange es in der Umwelt keine Treppen oder andere Barrieren gibt, sind für viele Rollifahrer deshalb genauso schwer nachzuvollziehen wie die Aussage, dass die Gestaltung der Wohnsituation im individuellen Verantwortungsbereich liegt.

Autor: Jürgen Heller, Sozialrechtsberater AMSEL e.V.

Quelle: Pressemitteilung des Bundessozialgerichts, 11.03.2011

Redaktion: AMSEL e.V., 06.04.2011