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Gesundheitsreform - Start mit Hindernissen

Kaum waren die Neuregelungen der Gesundheitsreform zum 1. Januar 2004 in Kraft, da herrschte auch schon allgemeine Verwirrung über die Auslegung des Gesetzes bei Patienten, Ärzten und Mitarbeitern der Krankenkassen.

Wichtige Detailfragen waren noch nicht geklärt. Wer gehört zum Kreis der chronisch Kranken, die statt 2% nur 1% ihres Jahresbruttoeinkommens an Zuzahlungen leisten müssen und welche Personen können auch zukünftig Fahrkosten bei Fahrten zu ambulanten Behandlungen erhalten? Diese und weitere offene Fragen waren vom Gemeinsamen Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen zu klären. Der hatte auch entsprechende Richtlinien vorgelegt, die aber allgemein als viel zu eng und ungerecht angesehen wurden. Viele Patienten- und Behindertenverbände protestierten gegen diese Richtlinien. Auch der DMSG Bundesverband forderte in einem Brief an Gesundheitsministerin Schmidt und an die neue Patientenbeauftragte der Bundesregierung Helga Kühn-Mengel eine Korrektur der Richtlinien. Die Proteste hatten Erfolg und der gemeinsame Bundesausschuss musste nachsitzen und die Richtlinien nochmals überarbeiten.

Chronisch Kranke

Nach den nun eingeführten Richtlinien gilt als schwerwiegend chronisch krank, wer sich in ärztlicher Dauerbehandlung befindet (nachgewiesen durch einen Arztbesuch wegen der selben Krankheit pro Quartal) und außerdem eines der folgenden Kriterien erfüllt:

  • Es liegt Pflegebedürftigkeit der Pflegestufe 2 oder 3 nach dem zweiten Kapitel SGB XI vor.
  • Es liegt ein Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 60 % nach § 30 BVG oder eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von mindestens 60 % nach § 56 Abs. 2 SGB VII vor.
  • Es ist eine kontinuierliche medizinische Versorgung (ärztliche oder psychotherapeutische Behandlung, Arzneimitteltherapie, Versorgung mit Heil- und Hilfsmitteln) erforderlich, ohne die nach ärztlicher Einschätzung eine lebensbedrohliche Verschlimmerung der Erkrankung, eine Verminderung der Lebenserwartung oder eine dauerhafte Beeinträchtigung der Lebensqualität durch die aufgrund der Krankheit nach Satz 1 verursachten Gesundheitsstörung zu erwarten ist.

Wie können nun MS-Kranke nachweisen, dass Sie diese Kriterien erfüllen? Zunächst benötigen Sie vom behandelnden Arzt

  • eine Bescheinigung, dass Sie wegen ihrer MS-Erkrankung in Dauerbehandlung sind.
    Wer bislang wegen seiner MS-Erkrankung noch nicht regelmäßig zum Arzt geht, sollte darauf achten, dass er dies zukünftig mindestens einmal im Quartal tut. Besitzer eines Schwerbehindertenausweises mit einem GdB von 60 % oder Personen mit Pflegestufe 2 oder 3 haben zusammen mit der Bescheinigung über die Dauerbehandlung die Voraussetzungen für eine Reduzierung der Zuzahlung erfüllt.
  • Alle anderen müssen nun, ebenfalls per ärztlicher Bescheinigung, die Notwendigkeit einer kontinuierlichen medizinischen Versorgung zur Verhinderung dauerhafter Beeinträchtigungen der Lebensqualität nachweisen.
    Die AOK hat angekündigt, für diese Bescheinigungen baldmöglichst Vordrucke zur Verfügung zu stellen. Andere Kassen werden wohl ebenfalls solche Vordrucke entwickeln.
    Viele MS-Patienten werden keine Probleme haben nachzuweisen, dass sie auf eine kontinuierliche ärztliche Versorgung angewiesen sind, da sie beispielsweise regelmäßig Medikamente einnehmen müssen oder fortlaufende krankengymnastische Behandlung benötigen.

Es ist davon auszugehen, dass die meisten MS-Kranken die Voraussetzungen für die Reduzierung der Zuzahlung erfüllen. Nur die MS-Patienten, die keine regelmäßige ärztliche Behandlung benötigen, weil sie z.B. einen ganz leichten Verlauf haben, können die reduzierte Zuzahlung nicht beanspruchen. Da diese Patienten aber in der Regel ohnehin keine umfangreichen Zuzahlungen leisten müssen, würden sie auch von einer Reduzierung der Zuzahlung nicht profitieren.
Die allermeisten MS-Betroffenen werden deshalb wohl mit der neuen Regelung leben können.

Trotzdem muss man natürlich die Frage stellen, warum die bisherige einfache Regelung durch die neue, viel kompliziertere Regelung mit vielen Einzeltatbeständen ersetzt wurde. Der Verwaltungsaufwand ist um ein vielfaches gestiegen: Der Arzt muss bescheinigen, die Krankenkassen prüfen, evtl. sogar unter Einbeziehung des medizinischen Dienstes. Dies alles kostet Geld, das ja eigentlich durch die Gesundheitsreform eingespart werden sollte. Unterm Strich ist aber nicht ganz klar, wo den hier nun der eigentliche Spareffekt liegt.

Fahrkosten zur ambulanten Behandlung

Personen, die in ihrem Schwerbehindertenausweis das Merkzeichen "aG" (außergewöhnlich Gehbehindert), "Bl" (Blind) oder "H" (hilflos) oder Pflegestufe 2 oder 3 haben, können auch zukünftig Fahrkosten nach vorheriger Genehmigung jeder einzelnen Fahrt durch die Krankenkassen erhalten. Fahrten zur ambulanten Dialyse, onkologischen Strahlentherapie oder onkologischen Chemotherapie können als Ausnahmefall weiterhin verordnet werden.
Der Gemeinsame Budesausschuss hat in seinen Richtlinien festgestellt, dass diese Liste nicht abschließend ist. Die Krankenkassen genehmigen auf ärztliche Verordnung auch in vergleichbaren Fällen Fahrten zur ambulanten Behandlung.
Dies kann beispielsweise auch auf MS-Patienten zutreffen, die regelmäßig Krankengymnastik benötigen und hierfür einen Fahrdienst brauchen. Jeder, der bislang Fahrkosten zur ambulanten Behandlung erhalten hat, sollte mit seinem Arzt klären, ob dies auch zukünftig verordnet werden kann. Details zur Fahrtkostenregelung hat die AMSEL für Sie beim Bundesgesundheitsministerium erfragt.

Wegen der Koppelung der Übernahme ambulanter Fahrkosten an das Merkzeichen aG, ist dieses Merkzeichen für viele Schwerbehinderte noch attraktiver geworden und es muss mit einer Flut von Neuanträgen gerechnet werden. Streitigkeiten mit den Versorgungsämtern sind zu befürchten, da das Merzeichen aG nur unter engen Voraussetzungen bewilligt wird. Ein Urteil des Bundessozialgerichtes stellt nun die bisherige Bewilligungspraxis in Frage.

Wenn Sie weitere Fragen zu Fahrkosten, zur Chronikerregelung oder sonstigen Bereichen der Gesundheitsreform haben, wenden sie sich an Jürgen Heller im AMSEL-Landesverband Tel.: 0711 / 69786-12.

2. Februar 2004

Redaktion: AMSEL e.V., 02.02.2004