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Wie steuert das Gehirn das Wasserlassen?

18.07.06 - Mit dem MRT kann man "live" zuschauen, was im Gehirn passiert. Göttinger Forscher haben dies getan.

Harnlassen ist ein zum Teil willkürlicher, vom Gehirn gesteuerter Prozess. Welche Regionen des Gehirns bei dem willentlichen Harnlassen und -zurückhalten aktiv sind, hat eine Göttinger Forschergruppe mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanz-Tomografie (fMRT) "live" beobachtet.

Die Untersuchungen an gesunden Frauen mit vollen Harnblasen bieten die Grundlage für genauere Analyse neurologisch erkrankter Personen mit Blasenschwäche. Inkontinenz zählt zu den häufig auftretenden Symptomen bei Multiple Sklerose.

Die Göttinger Wissenschaftler haben die Gehirnaktivität von elf gesunden Frauen bei der willkürlichen Kontrolle ihres Harndrangs untersucht. Hierzu legten sich die Frauen mit voller Harnblase in den Magnetresonanz-Tomografen und erhielten im kurzen Wechsel schriftliche Anweisungen, Harn zu lassen beziehungsweise ihn zurückzuhalten.

"Die genauen Kenntnisse über bewusste und unbewusste Vorgänge im Gehirn beim Harnlassen dienen uns jetzt als Grundlage für die Untersuchung von Patienten mit Blasenentleerungsstörungen", sagt Dr. Sandra Seseke aus der Abteilung Urologie des Bereichs Humanmedizin der Universität Göttingen.


Die auffälligsten Ergebnisse der Göttinger Forscher waren räumlich klar umgrenzte Aktivitäten im "Zentralen Höhlengrau" (PAG) und in der so genannten "Brücke" (Pons). Beide Regionen liegen im Hirnstamm, einem evolutionär sehr alten Teil des Gehirns. "Uns ist es erstmals gelungen, mit der nicht-invasiven fMRT-Methode das komplexe Netzwerk der am Harnlassen beteiligten Hirnregionen, vor allem auch die wichtigen Regionen im Hirnstamm, zu identifizieren", sagt Dr. Jürgen Baudewig aus der Forschungsgruppe MR-Forschung in der Neurologie und Psychiatrie.

Den Harn erfolgreich zu speichern und das Harnlassen zu steuern, erfordert die filigrane Zusammenarbeit von unwillkürlich und willkürlich steuerbaren Abläufen im Gehirn und Körper. Das komplexe System kann relativ leicht aus dem Gleichgewicht geraten und zu ungewolltem Harnverlust oder erschwerter Blasenentleerung führen. Allein in Deutschland wird die Zahl der Personen mit Blasenschwäche auf über zehn Millionen geschätzt. Die Dunkelziffer ist hoch, denn viele Betroffene schämen sich ihrer "Schwäche" und vermeiden den Arztbesuch.

Die Funktionelle Magnetresonanztomografie, abgekürzt fMRT, ist ein nicht-invasives bildgebendes Verfahren mit hoher räumlicher Auflösung. Mit ihrer Hilfe ist es möglich, die Aktivität der "grauen Zellen" beim Denken, Fühlen oder bei körperlicher Aktivität zu beobachten. Die interdisziplinäre Göttinger Forschungsgruppe "MR-Forschung in der Neurologie und Psychiatrie" untersucht den Aufbau und die Funktionsweise des menschlichen Gehirns mit Hilfe eines modernen Magnetresonanz-Tomografen.

Quelle: Universitätsklinikum Göttingen (14. Juli 2006)

Redaktion: AMSEL e.V., 18.07.2006