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Wie Smartphones bei Multipler Sklerose helfen

Wir tragen es ständig bei uns: unser Handy. Wie es dabei helfen kann, unsere Multiple Sklerose genauer zu erfassen und Therapien möglicherweise anzupassen, darüber spricht Professor Ludwig Kappos im AMSEL Video anlässlich der jüngsten Sobek Preisverleihung.

Die meisten von uns unterschätzen ihr Handy komplett: Es kann weit mehr mit seinen Sensoren als nur Schritte zu zählen. Zum Beispiel kann es dabei helfen, Einschränkungen im Alltag bei Multipler Sklerose zu erkennen und exakt zu messen. Noch bevor der Patient selbst diese wahrnimmt oder der Neurologe sie erkannt hat. Professor Ludwig Kappos und Team arbeiten an smarten Apps für die Verlaufsdiagnose beim individuellen MS-Patienten.

Mit der Entwicklung neuer Therapien sei es immer wichtiger, so Kappos, besonders auch hinsichtlich der progressiven Phase einer MS, genauer auf neurologische Funktionen zu schauen. Smartphones helfen dabei, denn sie haben hochkomplexe Sensoren und Möglichkeiten für die Informationsverarbeitung. Sie erkennen und messen zum Beispiel

  • Tempo,
  • Richtung,
  • Schwerkraft,
  • Beschleunigung, aber auch
  • den Umgang mit der Tastatur inklusive Tippfehlern.

Wo die Multiple Sklerose unsere Alltagsfunktionen beeinträchtigt, das versucht auch der Neurologe zu erfassen. Doch das Ergebnis fällt mitunter recht subjektiv aus, wenn er den Patienten nur alle halbe Jahre sieht. Womöglich hat der gerade da einen besonders schlechten oder besonders guten Tag, ist ungewöhnlich stark erschöpft oder hat sich kurz zuvor geärgert. Das verfälscht natürlich die Ergebnisse.

Das Handy erkennt, wo Funktionen gestört sind

Eine kontinuierliche, objektive Erfassung der neurologischen Funktionen ist da deutlich besser – und mit dem Smartphone möglich. Etwa in Bezug auf

  • die Motorik,
  • scharfes Sehen,
  • die Geschwindigkeit beim Denken,
  • das Kurzzeitgedächtnis oder auch
  • die Handfertigkeit, verbunden mit Aufgaben.

Neben der kontinuierlichen Messung entwickelten pro Kappos und Team eine App mit elf Aufgaben, die programmiert sind für alle Smartphones. Hier können Patienten täglich, wöchentlich oder monatlich Aufgaben durchführen. Die dauern in der Regel nur 1 Minute und sind nicht unangenehm, sondern eher eine kleine Herausforderung. Somit ergibt sich ein realistisches und objektives Bild über den Verlauf, die Auswirkungen der Krankheit der individuellen Multiplen Sklerose Wissenschaftler sprechen von einem „ökologisch Invalidenbild“.

Ziel der genaueren Erfassung ist es, die Therapie noch besser anzupassen, an den individuellen Verlauf einer MS.

MS-Video mit dem Sobek Forschungspreisträger 2017: Porf. Ludwig Kappos

Um herauszufinden, ob das Smartphone mehr erfassen kann, als in der neurologischen Untersuchung, auch in MRTs und anderen Untersuchungen möglich ist, ob sie diesen entsprechen, vergleichen Kappos und sein Team die Ergebnisse im Studienprogramm dreaMS miteinander. Zudem werden Selbstbewertungsbögen mit aufgenommen und geschaut, ob die Ergebnisse dem entsprechen, wenn sich die Krankheit verbessert oder verschlechtert.

Das Messen der Alltagsfunktionen mit dem Smartphone ist durch seine Kontinuität Tagesform-unabhängig. Mit den Nutzern stehen aktive und passive Erfassung zur Verfügung, also kontinuierliches messen und zusätzlich kleine Übungen am Handy. Die passive Erfassung funktioniert auch mittels Smart Wortes etc.

Vergleich der Smartphonedaten

Rund 300 Patientinnen und Patienten sind in die Studie momentan eingeschlossen, im Rahmen der Schweizer MS-Kohorte. Zusätzlich zur Nutzung von dreaMS auf dem Smartphone gibt es neurologische Besuche, MRTs und Blutwerte Messungen. Alles miteinander soll den Zusatzgewinn der Erfassung durch Smartphones bewerten. Im positiven Fall müssten die Behörden die App als "digitale Gesundheitsanwendung", kurz: DiGA, noch genehmigen lassen.

Professor Ludwig Kappos leitet ein Forschungszentrum für neurologisch-immunologische Erkrankungen in Basel mit dem Schwerpunkt auf Multiple Sklerose und ähnlichen Erkrankungen. Als Wissenschaftler ist der Sobek Forschungspreisträger 2017 sehr breit aufgestellt und hat herausragend viel über Multiple Sklerose veröffentlicht. Er forscht unter anderem über die Diagnose der MS, Diagnosekriterien, Wirkstoffe, hat aber auch mitgewirkt an einem Buch zur Physiotherapie bei MS.

Quelle: AMSEL-Videos, 07.03.2025.

Redaktion: AMSEL e.V., 07.03.2025