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Weiterer Rote-Hand-Brief für Alemtuzumab

Laut Hersteller ist die Indikation für den Multiple-Sklerose-Wirkstoff nun nochmals eingeschränkt. Es gibt außerdem mehr Gegenanzeigen und weitere Maßnahmen, um das Risiko für seltene jedoch schwerwiegende Nebenwirkungen zu senken.

Das Multiple-Sklerose-Mittel Alemtuzumab, vertrieben unter dem Handelsnamen Lemtrada, wird zwei mal als Pulstherapie per Infusion je an 3-5 Tagen innerhalb von zwei Jahren eingesetzt. Es gilt – auch nach diesem zweiten Rote-Hand-Brief innerhalb von neun Monaten (amsel.de hatte berichtet) – als ein Mittel der ersten Wahl bei hochaktiven Formen der schubförmigen MS.

Im Unterschied zu manch anderen immunmodulatorischen Medikamenten gegen Multiple Sklerose hält die Wirkung von Alemtuzumab ohne erneute Einnahme/Infusion für lange Zeit (mehrere Jahre) an. Das hat Vorteile, aber auch Nachteile, wie auf der Hand liegt: Ist dieses Medikament einmal im Körper, lassen sich Wirkung und Nebenwirkung kaum rückgängig machen.

Es haben sich nach Marktzulassung des Medikaments seltene jedoch mitunter tödliche Nebenwirkungen gezeigt, die vorher nicht bekannt waren. Entsprechend hat der Hersteller Sanofi nun zum zweiten Mal reagiert und warnt im aktuellen Rote-Hand-Brief.

Zum einen ist die Anwendung mit Alemtuzumab eingeschränkt auf:

  • Patienten mit hochaktiver Erkrankung trotz vollständiger und angemessener Behandlung mit mindestens einer krankheitsmodifizierend an Therapie oder
  • Patienten mit rasch fortschreitender schwerer schubförmig-remittierender MS. D.h., Patienten, die innerhalb eines Jahres zwei oder mehr Schübe erleiden, welche ihre Behinderung voranschreiten lassen und Patienten mit entweder einer oder mehreren Gadolinium-anreichernden Läsionen (Kernspin des Gehirns) oder einer signifikanten Zunahme der T2-wichtenden Läsionen im Vergleich mit einer erst kürzlich vorgenommenen MRT-Aufnahme.

Wenn folgende Gegenanzeigen im Arzt-Patientengespräch bejaht werden bzw. bekannt sind, darf Alemtuzumab nicht gegeben werden:

  • schwere aktive Infektion (diese müssen abgeklungen sein vor der Gabe),
  • unkontrollierter Bluthochdruck,
  • sogenannte Dissektionen (also Risse oder Hämatome) der Kopf-/ Halsarterien,
  • ein Schlaganfall,
  • eine Angina pectoris oder Myokardinfarkt,
  • eine Koagulopathie (Gerinnungsstörung) unter Therapie mit Thrombozytenaggregationshemmern oder Antikoagulanzien,
  • bestehende Autoimmunerkrankungen neben der Multiplen Sklerose.

Außerdem sollten die Infusionen mit Alemtuzumab nur in Krankenhäusern mit intensivmedizinischer Behandlung Möglichkeit durchgeführt werden. Dies vor allem vor dem Hintergrund, dass schwerwiegende Nebenwirkungen während oder auch kurz nach der Infusion auftreten könnten und versorgt werden müssen. Die Patienten sollten sorgfältig überwacht und darüber aufgeklärt werden, sofort Arzt zu kontaktieren, sollten Anzeichen schwerwiegender Reaktionen auftreten.

Für mindestens 48 Monate (also vier Jahre), nach der letzten Version sollten die Patienten auf Autoimmunerkrankungen überwacht werden. Außerdem sollte man die Patienten darauf hinweisen, dass diese Erkrankungen auch noch nach dem Ablauf von vier Jahren auftreten können.

Zu den seltenen aber möglichen Nebenwirkungen gehören:

  • Myokardischämie,
  • Myokardinfarkt,
  • Hirnblutung,
  • Dissektionen zervikozephaler Arterien,
  • pulmonale alveoläre Blutungen und
  • Thrombozytopenie.

Diese treten selten in engem zeitlichen Zusammenhang mit einer Alemtuzumab-Infusion auf. In den meisten dieser Fälle kam es binnen weniger Tage nach Infusion zu einem solchen Ereignis und zwar meist ohne, dass ein Risiko beim Patienten bekannt gewesen wäre.

Wie genau vor, während und in den Stunden nach der Infusion vorgegangen werden sollte, um das Nebenwirkungsrisiko zu minimieren, erklärt der Rote-Hand-Brief.

Ein kausaler Zusammenhang mit Alemtuzumab wird auch für folgende Autoimmunerkrankungen vermutet:

  • autoimmune Hepatitis,
  • Hämophilie A und
  • hämophagozytische Lymphohistiozytose (HLH).

Bei der HLH handelt es sich um ein lebensbedrohliches Syndrom einer pathologischen Immunaktivierung. Es äußert sich durch Symptome wie Fieber, Hepatomegalie und Zytopenien und führt oft zum Tod, wenn es nicht frühzeitig erkannt und behandelt wird.

Autoimmunerkrankungen treten anders als die Herz-Kreislaufnebenwirkungen innerhalb von Monaten bis Jahren nach Beginn der Behandlung auf. Daher sollte in regelmäßigen Abständen bis mindestens 48 Monate nach der letzten Behandlungsphase untersucht werden, um frühe Anzeichen von Autoimmunerkrankungen zu erkennen. Tritt eine Autoimmunerkrankung auf, sollte zudem auf andere autoimmunvermittelte Erkrankungen geprüft werden.

Zudem wurden Fälle einer Reaktivierung des Epstein-Barr-Virus (EBV), einschließlich schwerer EBV-Hepatitis-Fälle berichtet.

Quelle: Rote-Hand-Brief des Herstellers Sanofi, Januar 2020.

Redaktion: AMSEL e.V., 27.01.2020