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Warum hat ein Zwilling Multiple Sklerose, der andere nicht?

29.04.10 - Eigentlich ein Meilenstein der Genforschung und doch enttäuschend: Das Erbmaterial liefert keine klare Antwort, wie amerikanische Forscher nun gezeigt haben.

Gleich vorneweg: Der Gencsan der amerikanischen Forscher mag nicht die erwarteten Erfgebnisse liefern. Doch er betont einmal mehr, wie komplex das Krankheitsbild Multiple Sklerose ist.

Die gesamte DNA eines Patienten zu inspizieren, ist mittlerweile erschwinglich geworden - ein Traum für Wissenschaftler. Fest steht nach wie vor, dass Verwandte von MS-Betroffenen eine (leicht) erhöhte Chance haben, ebenfalls zu erkranken. Bei eineiigen Zwillingen liegt dieses Risiko sogar bei 25 %. Das erbliche Risiko an MS zu erkranken, bleibt bestehen, wenngleich es in aller Regel gering ausfällt (außer zum Beispiel bei eineiigen Zwillingen). Daran rütteln auch die neuen Ergebnisse nicht.

Díe Untersuchung unter der Leitung Sergio Baranzini, University of California, San Francisco, und Stephen Kingsmore, National Center for Genome Resources in Santa Fe, New Mexico, untersuchten nun das Erbmaterial der Immunzellen von zwei eineiigen Zwillingsfrauen, von denen nur eine erkrankt ist, sehr intensiv: von der Sequenzierung über die Epigenetik bis hin zur Genexpression. Und fanden überraschender Weise nichts. Während sie im Vorfeld annehmen mussten, dass das Erbgut von eineiigen Zwillingen eben doch nicht ganz identisch ist, sondern winzige Unterschiede aufweist, entstanden etwa durch Mutation, durch Fehler beim Kopieren der Zellen, hatten sie tatsächlich völlig identisches Material vorliegen. Und damit erst keine Antwort auf die Frage, welche genetischen Voraussetzungen zur MS des einen Zwilling beigetragen haben.

Auch wenn der Erfolg der Untersuchung "negativ" ausfiel, könnte er doch sehr aussagekräftig sein. Forscher haben nämlich bei Genuntersuchungen großer Gruppen von MS-Patienten bestimmte Genvariationen mit einem erhöhten MS-Risiko zusammenbringen können und diese Variationen auch bei betroffenen Zwillingen ausgemacht.

Wenn nun beide Zwillinge die gleichen genetischen Voraussetzungen mitbringen, aber nur einer an MS erkrankt, dann bedeutet dies im Umkehrschluss: Der eine Zwilling muss irgendwann (oder auch über einen längeren Zeitraum) den "optimalen" Umweltbedingungen ausgesetzt gewesen sein, um Multiple Sklerose zu entwickeln, während der andere Zwilling diesem Schicksal glücklicher Weise entging. Mit anderen Worten: Der Nicht-Fund der aktuellen Untersuchung könnte die Umweltfaktoren, die eine MS begünstigen, in ihrer Wichtigkeit gegenüber der Erblichkeit verstärken.

"Könnte", wie bei so vielen Untersuchungen. Um mehr Aussagekraft zu erhalten, so Kingsmore, sei es an der Zeit, nicht nur Immunzellen von Zwillingen zu untersuchen, sondern auch Hirngewebe (was jedoch nur post mortem möglich ist), und außerdem die Zahl der untersuchten Zwillingspaare zu erhöhen.

Quelle: Nature, 28.04.10

Redaktion: AMSEL e.V., 29.04.2010