Spenden und Helfen

Vorläuferstadien der MS

T-Zellen, hier mit grün gefärbten Rezeptoren, spielen möglicherweise eine tragende Rolle bei der Entstehung der Multiplen Sklerose.

Münchner Forscher finden früheste MS-Stadien in Zwillingsstudie und zeigen, dass bestimmte T-Zellen hier eine große Rolle spielen. Wenn es gelänge, die MS vor ihrem eigentlichen Ausbruch zu erkennen, könnte man sie besser behandeln und womöglich verhindern.

Multiple Sklerose lässt sich bis heute nicht heilen. Vor allem lässt sie sich aber auch erst nach dem Auftreten von MS-typischen Symptomen diagnostizieren, wie zum Beispiel

  • Sehstörungen,
  • länger anhaltender Taubheit oder Missempfindungen in Armen und Beinen,
  • Blasensstörungen oder
  • Problemen mit der Aufmerksamkeit.

Manchmal ist es auch ein Zufallsfund im MRT, der zur Diagnose Multiple Sklerose führt. Und selbst nach dem Auftreten eines MS-typischen Symptomes dauert es oftmals zum Beispiel bis zum nächsten Schub, bis eine Diagnose MS feststeht. Könnte man die Multiple Sklerose früher diagnostizieren, "präklinisch", also, bevor die Entzündungsaktivität in vollem Gange ist, dann könnte man sehr viel früher eingreifen und - so der damit verbundene Wunsch - den für das Zentrale Nervensystem verheerenden Ausbruch der MS womöglich verhindern.

Zwillingsstudie hilft MS-Forschung

Forscher weltweit vermuten schon lange, dass es Vorläufer-Stadien der Multiplen Sklerose geben muss, allein, diese sind schwer nachzuweisen. Das liegt unter anderem daran, dass es von den meisten MS-Patienten keine Liquorproben aus der Zeit vor ihrer Diagnose gibt.

Bekannt ist allerdings, dass Zwillinge, und vor allen Dingen eineiige Zwillinge, ein stark erhöhtes Risiko für Multiple Sklerose haben, wenn ihr Zwillingspartner erkrankt ist. Darum sind die Zwillingsstudien bei Multipler Sklerose so wertvoll für die Forschung.

RNA-Sequenzierung zeigt auffällige Zellen

Forschern aus München ist es nun gelungen, die vorklinischen Stadien der Multiplen Sklerose zu untersuchen. Dazu untersuchten sie die Liquorproben von MS-Erkrankten und ihren gesunden eineiigen Zwillingen. Fündig wurden die Wissenschaftler vor allen Dingen bei den sogenannten CD8+ Zellen.

Hierfür untersuchte ein Forscherteam des Instituts für Klinische Neuroimmunologie am Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München 78 eineiige Zwillingspaare, von denen jeweils nur ein Zwilling nach aktuellen klinischen Diagnosekriterien an MS erkrankt ist. Und sie fanden bei einigen der bislang als gesund geltenden Zwillinge subklinische Veränderungen sowohl im MRT als auch im Nervenwasser ("subklinische Neuroinflammation", kurz SCNI).

Sie untersuchten mittels RNA-Sequenzierung alle aktiv ausgelesenen Gene von knapp 3.000 Liquorzellen. Im allerfrühesten Stadium der MS-Entstehung waren dabei drei wesentliche Komponenten des Immunsystems beteiligt:

  • die CD8+ Lymphozyten,
  • die CD4+ Lymphozyten und
  • die B-Lymphozyten.

Aufgabe dieser Zellen ist es normalerweise, Infektionen und Tumoren zu bekämpfen. Am auffälligsten zeigten sich die CD8+ zytotoxischen Lymphozyten, von denen viele aktiviert waren und Hinweise gaben, dass sie bereits mit "Feinden"Kontakt hatten. Genau diese Art von Zellen findet sich auch vornehmlich im entzündeten Gewebe des Gehirns von MS-Erkrankten.

Die aktuellen Befunde geben nun Anlass, den CD8+ T-Zellen höchste Aufmerksamkeit zu schenken, da dieser Zelltyp offensichtlich bereits von Anfang an bei der MS-Entstehung eine herausragende Rolle spielt. Darum stehen genau diese Zellen nun im Fokus der Wissenschaftler. Es sind allerdings umfassendere Studien notwendig, um ihre Rolle im Frühstadium der MS-Entstehung nachzuweisen und - im besten Fall - den Lauf der Erkrankung unterbrechen zu können.

Quellen: The Journal of Clinical Investigation, 30.09.2019; Pressemitteilung der Ludwig-Maximilians-Universität München, 30.10.2019.

Redaktion: AMSEL e.V., 26.11.2019