Ob die aktuelle Studie tatsächlich den letzten Akt im "Nahrungsergänzungsdrama" Vitamin-D-Substitution bei Multipler Sklerose bildet, bleibt vorerst offen. Was jedoch bereits feststeht, ist, dass die französische Studie mit rund 300 Teilnehmern nichts wirklich Neues erbracht hat: Vitamin D spielt sicher eine Rolle beim Erkrankungsrisiko. Und wer bereits MS und einen Vitamin-D-Mangel hat, dem nützt eine Nahrungsergänzung mit dem Prohormon am meisten.
Pro-"Hormon"? – Richtig gelesen. Vitamin D ist kein Vitamin, sondern ein sogenanntes Prohormon. Möglicherweise ist die eingebürgerte Bezeichnung als "Vitamin" D mit daran schuld, dass viele Menschen diesen Stoff gern unkritisch kaufen und einnehmen. Wo man schon mal vor dem Regal mit den vielen bunten Packungen mit Vitamin A, B, C und E steht, nimmt man gern auch gleich Vitamin D mit. Oder fragt seinen Arzt nach einem grünen Rezept darüber, da die Dosierungen im Drogeriemarkt eher klein sind.
Vitamin-D-Mangel und Multiple Sklerose
"Vitamin" D ist jedoch ein Prohormon. Ein anderer Name ist Cholecalciferol. Dieses wird im Körper zu dem Hormon Calcitriol umgewandelt. Und spielt eine wichtige Rolle im Calciumstoffwechsel, dient also in erster Linie der Knochengesundheit. Bei einem echten Mangel können in der Kindheit Rachitis, später bzw. im Alter Osteomalzie oder Osteoporose entstehen.
Ein wirksames Mittel und oft und (für ein paar Tage) bei MS-Schüben hoch dosiert eingesetzt, ist Kortison. Auch Kortison begünstigt eine Osteoporose. Ein Grund mehr also, gerade als MS-Patient, auf seinen Vitamin-D-Spiegel zu achten, diesen ggf. und nach Rücksprache mit dem Arzt durch Vitamin D in Kapselform (moderat) zu substituieren.
Vitamin D überdosiert?
Umgekehrt kann zu viel Vitamin D auch für eine Calciumüberproduktion (Hyperkalzämie) sorgen und so Organe belasten. Daraus können entstehen: Übelkeit, Appetitlosigkeit, Magenkrämpfe bis hin zu Nierenschädigung, Herzrhythmusstörungen, Bewusstlosigkeit und sogar Tod. Darum sollte man seinen Vitamin-D-Status über einen Bluttest bestimmen lassen. Vor allen Dingen, bevor man, womöglich über einen längeren Zeitraum, hohe oder sehr hohe Dosen Vitamin D einnehmen möchte.
Zurück zur Studie: Die stellte bei rund 300 recht jungen Teilnehmern mit CIS (einem ersten MS-typischen Syndrom, jedoch noch keiner gesicherten MS-Diagnose) fest, dass es innerhalb von 24 Monaten im Placebo-Arm zu einem signifikant höheren Ergebnis an MRT-Ereignissen kam (Läsionen). Die Schubrate war im Placebo-Arm zwar auch erhöht, jedoch nicht signifikant gegenüber der Vitamin-D-Gruppe. Am meisten profitierten diejenigen von einer (in diesem Fall mit 100.000 Einheiten alle 2 Wochen recht hohen) Vitamin-D-Substitution, die bei Studienbeginn bereits einen Vitamin-D-Mangel hatten.
Fazit: Wer an einem Vitamin-D-Mangel leidet, kann seinen MS-Verlauf möglicherweise leicht günstig beeinflussen. Keinesfalls sollten Patienten auf eine Immunmodulation verzichten, weil sie bereits Vitamin-D einnehmen. Diese verzögert den weiteren Verlauf weit wirksamer als eine (noch so hohe) Substitution des Prohormons Cholecalciferol. Wenn Vitamin D, dann zusätzlich, als Add-On.
Keine Überdosierung durch Sonnenlicht
Gute Nachricht: Die Sonne versorgt unsere Körper gratis mit Vitamin D. In unseren Breitengraden genügt es von März bis Oktober schon, regelmäßig für mindestens eine halbe Stunde mit hochgekrempelten Ärmeln ins Freie zu gehen. Die noch bessere Nachricht: Selbst bei ausgiebigen Sonnenbädern ist eine Überdosierung über die Haut unmöglich. Die Haut produziert für uns aus den UV-B-Strahlen Vitamin D. Und speichert einiges davon im Fettgewebe für die Wintermonate.
Wer wissen möchte, ob er vielleicht winters an Vitamin-D-Mangel leidet, der sollte zum Beispiel ab Ende November einen Bluttest machen lassen (als Eigenleistung, zum Beispiel beim Hausarzt). Und kann sich bei festgestelltem Mangel dann gleich vom Arzt Vitamin D in der passenden Dosierung verschreiben lassen.
Ob nun mit oder ohne Vitamin-D-Ergänzung: Es lohnt sich in mehrfacher Hinsicht, möglichst oft ins Freie zu gehen, gerade auch im Winter. Nicht allein des Vitamin Ds wegen, sondern weil uns frische Luft und neue Eindrücke guttun, gerade in den düsteren Monaten.
Quelle: D-lay-MS (Pdf), Charcot-MS, abgerufen am 17.12.2024; RKI, abgerufen am 17.12.2024; MS-Docblog, 11.12.2024.
Redaktion: AMSEL e.V., 23.12.2024