Spenden und Helfen

Vidofludimus Calcium reduziert Behinderungszuwachs bis zu 30%

2 weiße Tabletten auf schwarzem Grund als Symbolbild für orale Therapie bei Multipler Sklerose von AMSEL e V

Das gilt besonders für primär progrediente Verläufe, wie der Hersteller nach jüngsten Studienergebnissen bekanntgab. Je inaktiver der Verlauf, desto größer die neuroprotektive Wirkung.

Erste Auswertungen der CALLIPER-Phase-2-Studie zu Vidofludimus Calcium sind nun bekannt. Und es sieht so aus, als könnte Menschen mit nicht-aktiver, progredienter Multipler Sklerose damit neben bereits zugelassenen Wirkstoffen wie Ocrelizumab und Ofatumumab sowie dem anstehenden Tolebrutinib (dessen Zulassung in Europa wird 2026 erwartet; amsel.de hatte kürzlich berichtet) in den kommenden Jahren ein weiterer Wirkstoff zur Verfügung stehen. Vorausgesetzt, der Immunmodulator Vidofludimus Calcium zeigt auch in der geplanten Phase-3 Zulassungsstudie, dass er sicher und wirksam ist. Zuletzt hatte amsel.de über Zwischenergebnisse aus der Phase-2-Sudie zu Vidofludimus Calcium hinsichtlich der Senkung eines Biomarkers berichtet.

Im Unterschied zu anderen Wirkstoffen könnte Vidofludimus Calcium sowohl bei primär progredienter als auch bei sekundär progredienter MS Anwendung finden und darüberhinaus allgemein bei all jenen Patienten mit nicht-aktiver progressiver MS.

CALLIPER testete rund 500 Patienten mit entweder primär progredienter MS (PPMS) oder nicht-aktiver sekundär-progredienter MS (n.a. SPMS, also ohne Schübe) auf 45mg Vidofludimus respektive Placebo. Die Ergebnisse, die der Hersteller Immunic Therapeutics nun bekanntgab, sind eindeutig.

Behinderungszuwachs um bis zu 30% geringer

Bis zu 30% weniger Behinderungszuwachs nach 24 Wochen zeigten sich im Wirkstoff-Arm der Studie. Gemessen wurde nach EDSS, einer Skala, welche den Behinderungsgrad von MS-Erkrankten in Stufen von 0 bis 10 einteilt. Besonders an CALLIPER: Hier wurden gezielt Menschen eingeschlossen, die seit mindestens 24 Monaten keinen Schub hatten und entweder primär oder sekundär progredient sind. Das Durchschnittsalter war 51 Jahre (von 21 bis 65), der Durchschnitts-EDSS-Wert lag bei 5,5. Zum Vergleich: Viele bisherige Studien mit dem Ziel der Schubratenreduktion schließen Patienten über 55 Jahre aus.

Interessant außerdem die (bisherige) Betrachtung der Subgruppen dieser Studie: Es wurde nicht nur nach primär oder sekundär progredient unterschieden, sondern zudem danach, ob die Patienten bei Studienbeginn entzündliche gadoliniumverstärkende Läsionen aufwiesen oder nicht. Der Wirkstoff reduzierte das relative Risiko für eine Behinderungszunahme innert 24 Wochen bei Patienten ohne gadoliniumverstärkende Läsionen um 29 Prozent im Vergleich zu Placebo. In der gesamten Studienpopulation (also diejenigen Patienten eingeschlossen, die zu Studienbeginn gadoliniumaufnehmende Läsionen zeigten) lag die Reduzierung bei 20%.

Weniger Behinderungen, mehr Lebensqualität

Doch genau dieser Punkt ist wichtig, denn für die Gruppe ohne Schübe und ohne im MRT nachweisbare Krankheitsaktivität stehen bisher wenig krankheitsverändernde Therapieoptionen zur Verfügung. Bis zu 30% weniger Behinderungszuwachs mag sich zwar schwach anhören, zumal im Vergleich mit den wirkstärksten Therapien gegen die schubförmig-remittierende MS, die Schübe heute nahezu ganz verhindern können, kann dem einzelnen Patienten jedoch eine Menge Lebensqualität erhalten. Und bietet damit vor allem denjenigen MS-Patienten, die heute als "austherapiert" gelten (tatsächlich austherapiert ist kein MS-Patient, da die symptomatische und rehabilitative Therapie immer möglich sind), für die noch keine prophylaktisch wirksamen Immuntherapien zur Verfügung stehen, auch eine Zukunftsperspektive, ihre MS auszubremsen.

Nebenwirkungen waren in der Placebo-Gruppe ähnlich wie in der Wirkstoffgruppe. Vor allen Dingen seien keine lebensbedrohlichen Leberenzymwerte festgestellt worden. Außerdem zeigte Vidofludimus Calcium einen verringerten Gehirnvolumenverlust von 5% insgesamt, von 20% beim Thalamus als wichtigem "Marker" für ein Fortschreiten der MS.

Neuroprotektiver Faktor

Die Wirkweise von Vidofludimus Calcium ist teilweise vergleichbar mit der von Teriflunomid (ein bei RRMS zugelassener Wirkstoff der niedrigsten Wirksamkeitskategorie 1), was vor allem die anti-entzündliche Wirkung betrifft. Es ist ebenso ein selektiver Hemmer des Enzyms Dihydroorotat-Dehydrogenase (DHODH) und wird auch im Einsatz gegen schubförmige MS bereits in Phase 3 (zur Zulassung) getestet. Die Ergebnisse sollen kommendes Jahr feststehen.

Darüberhinaus aktiviert Vidofludimus Calcium aber auch den Nurr1-Rezeptor ("nuclear receptor-related 1", ein neuroprotektiver Transkriptionsfaktor), was Immunic Therapeutics als den neuroprotektiven Mechanismus des Wirkstoffes, und damit zuständig für weniger Behinderungszuwachs ansieht. Der Wirkstoff wird einmal täglich als Tablette eingenommen.

Immunic Therapeutics beabsichtigt, eine Phase-3-Studie mit Vidofludimus Calcium gegen progrediente Multiple Sklerose anzumelden. Wann diese starten wird, gab das Unternehmen nicht bekannt.

Quelle: Pressemitteilung von Immunic Therapeutics, 30.04.2025.

Redaktion: AMSEL e.V., 01.05.2025