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Tuberkuloserisiko bei Multipler-Sklerose-Therapie beachten

Tuberkulose verbreitet sich wieder mehr, auch in Deutschland. Die KKNMS gibt Empfehlungen bei der Behandlung mit Immunmodulatoren.

Tuberkulose spielte in Deutschland über Jahrzehnte hinweg so gut wie keine Rolle mehr. Die TB oder auch TBC gilt als Armutskrankheit. Ursache ist ein Bakterium, das per Tröpfcheninfusion übertragen wird, übrigens auch von Rindern auf den Menschen. Die Behandlung ist mitunter schwierig und dauert ein halbes Jahr.

Seit 2015 verbreitet sich die Tuberkulose auch in Deutschland wieder stärker. Menschen mit Immunschwäche oder solche, die Medikamente einnehmen, welche das Immunsystem unterdrücken, wie etwa manche Multiple-Sklerose-Patienten, haben potentiell ein erhöhtes Infektionsrisiko. Das Krankheitskompetenznetz Multiple Sklerose (kurz KKNMS) gibt daher Empfehlungen zur Diagnose und zur Therapie der TB.

Immunmodulatoren könnten Tuberkulose begünstigen

Rund ein Viertel der Weltbevölkerung trägt den Tuberkulose-Erreger (Mycobacterium tuberculosis) in sich. Die Infektion verläuft in der Regel unbemerkt (latent) ab. Kommt es jedoch zu einer Immunschwächung, sei es durch andere Erkrankungen oder auch durch Medikamente, kann die Tuberkulose ausbrechen. Das Risiko unter MS-Immuntherapien sei schwer einzuschätzen, so Professor Doktor Frauke Zipp. Doch Vorsicht heißt bekanntlich die Mutter der Porzellankiste. Das KKNMS, bei dem Zipp im Vorstand ist, erarbeitete nun Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der TB unter MS-Immuntherapien in Deutschland.

Als allgemeine Risikofaktoren gelten: Immigration aus Ländern mit hohem TB-Vorkommen wie Indien oder China, Leben in der Großstadt, TB in der Familie, TB in den letzten 2 Jahren, Nikotin-, Alkohol-, Drogenmissbrauch, BMI unter 20, mehrere Immuntherapien in der Vergangenheit, Kortisonstoßtherapien, Gründe für Immunschwäche wie etwa Niereninsuffizienz oder Diabetes mellitus.

Das KKNMS teilt die immunmodulatorischen MS-Therapien in drei Kategorien ein:  solche ohne TB-Reaktivierungsrisiko, solche mit mittlerem und solche mit hohem Risiko.

Reaktivierungsrisiko unter zugelassenen Multiple Sklerose-Wirkstoffen:

kein ReaktivierungsrisikoGlatirameracetat und Interferon-betaKein Tubekulose-Test empfohlen.
mittleres ReaktivierungsrisikoTeriflunomid, Fingolimod, Natalizumab, Dimethylfumarat, Mitoxantron und OcrelizumabTB-Testung für alle Patienten mit erhöhter individueller Risikosituation vor Beginn der Therapie (siehe allg. Risikofaktoren oben) empfohlen.
hohes ReaktivierungsrisikoAlemtuzumab und CladribinVor Beginn der Therapie, sowie bei Cladribin ebenso vor Applikation des zweiten Zyklus sollte eine TB ausgeschlossen werden. Bei Vorliegen zusätzlicher Risikofaktoren eine Wiederholung der Testung auch vor weiteren Alemtuzumab-Zyklen erwägen. Achtung: Das Testergebnis unter Immunsuppression kann nur eingeschränkt verwertbar sein.

Die TB "auf dem Schirm haben"

Wichtig ist, dass für den Fall, dass eine latente TB diagnostiziert wurde und diese – nach Abwägen von Rsisko und Nutzen – auch behandelt werden soll, die angestrebte verlaufsmodifizierende MS-Therapie bereits 4-8 Wochen nach der TB-Therapie beginnen kann. Im Falle einer akuten TB sollte abgewartet werden, bis die TB-Behandlung erfolgreich war. In Einzelfällen kann bei hochaktiver MS auch hier vor Abklingen der TB mit Immunmodulatoren behandelt werden, allerdings unter interdisziplinärer Abstimmung.

Die Empfehlung des KKNMS bezieht sich ausdrücklich auf den Beginn einer Therapie mit Immunmodulatoren und richtet sich an behandelnde Ärzte. MS-Erkrankte, die bereits eine Therapie gestartet haben und sich unsicher sind, sollten sich an ihren Arzt wenden. Ärzte sollten bei bestimmten Symptomen vermehrt auch an Tuberkulose denken. Symptome, die für eine TB sprechen können, sind anhaltender i.d.R. unproduktiver Husten, Nachtschweiß, Gewichtsreduktion. Diese Symptome müssen jedoch nicht von einer Tuberkulose her stammen.

Quelle: Pressemitteilung des KKNMS,16. Juli 2019.

Redaktion: AMSEL e.V., 23.07.2019