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Therapeutische Höhepunkte vom ECTRIMS/ACTRIMS-Kongress 2017 (Teil 3)

Vom 25.-28.10.2017 fand in Paris der alljährliche weltgrößte Spezialkongress für Multiple Sklerose statt. Wie im letzten Jahr berichtet wieder Privatdozent Dr. Mathias Buttmann vom MS-Schwerpunktzentrum am Caritas-Krankenhaus Bad Mergentheim darüber. Im dritten Teil geht es um Phase-3-Ergebnisse zu Laquinimod.

Erstmals auf einem Kongress präsentiert wurden auch die Ergebnisse der CONCERTO-Studie, in der Laquinimod, das einmal täglich als Tablette eingenommen wird, in zwei unterschiedlichen Dosierungen in Patienten mit schubförmiger MS mit Placebo verglichen wurde. Ausgangspunkt waren die 2012 bzw. 2014 veröffentlichten Phase-3-Studien ALLEGRO und BRAVO, in denen Laquinimod in einer Dosis von 0,6 mg pro Tag gegenüber Placebo jeweils nur einen nicht sehr ausgeprägten günstigen Effekt auf das Schubrisiko, jedoch einen deutlichen schützenden Effekt auf das Risiko einer bleibenden Behinderung gezeigt hatte. Das führte zusammen mit verschiedenen tierexperimentellen Ergebnissen zur attraktiven Hypothese, dass Laquinimod neuroprotektive Effekte entfalten könnte, also das Nervengewebe bei MS schützt.

Vor einer möglichen Zulassung für die schubförmige MS forderten die Gesundheitsbehörden allerdings noch eine weitere Studie. Deren Hauptziel war es zu untersuchen, ob eine doppelte Laquinimod-Dosis von 1,2 mg pro Tag einen therapeutischen Zusatznutzen gegenüber 0,6 mg bringt. In ALLEGRO und BRAVO war jeweils nur eine Laquinimod-Dosis untersucht worden, und der Effekt dieser Dosis von 0,6 mg auf die Schubrate war ja eher bescheiden gewesen bei zugleich gutem Sicherheitsprofil.

Der Studienarm mit der höheren Laquinimod-Dosis von 1,2 mg wurde dann allerdings im Januar 2016 wegen Sicherheitsbedenken abgebrochen, nachdem in diesem Arm einige Herzinfarkte aufgetreten waren. Da hat es natürlich auch nichts genutzt, dass durch 1,2 mg Laquinimod die Schubrate tatsächlich stärker als durch 0,6 mg pro Tag reduziert wurde.

Krankheitsaktivität zu niedrig, um Reduktion zu messen

Der größte und für die meisten wohl vollkommen unerwartete Fehlschlag der Studie war allerdings der primäre Endpunkt. Man hatte sich hier anders als bei ALLEGRO und BRAVO aufgrund der bei diesen beiden Studien gewonnenen Ergebnisse nicht für die Schubrate, sondern für das Risiko eines über drei Monate bestätigten Fortschreitens der Behinderung als primärer Endpunkt entschieden. Überraschenderweise unterschied sich mit keiner der beiden Laquinimod-Dosen das Risiko für eine bleibende Behinderung von einer Placebo-Behandlung. Damit gilt die Studie als fehlgeschlagen. Im Mai 2017 gab die Firma mit der Veröffentlichung erster Hauptergebnisse deshalb bekannt, das Medikament für die schubförmige MS zunächst nicht weiterentwickeln zu wollen.

Ein Grund für den fehlenden Unterschied beim primären Endpunkt war ähnlich wie bei Ozanimod wahrscheinlich, dass nur jeder zehnte Placebo-Patient während der Studie ein Fortschreiten der Behinderung erlitt, während es in ALLEGRO und BRAVO unter Placebo jeweils deutlich mehr Patienten gewesen waren. Einen therapeutischen Effekt kann man nur nachweisen, wenn die Kontrollgruppe "ausreichende" Krankheitsaktivität aufweist. In einer Reihe weiterer Endpunkte, die aber bei negativem primären Endpunkt nach den Gesetzen der Statistik nicht zählen, hatte Laquinimod auch in CONCERTO gegenüber Placebo günstige Effekte gezeigt bei wiederum guter Verträglichkeit der 0,6 mg.

Das Ergebnis der CONCERTO-Studie ist aus meiner Sicht bedauerlich, weil Laquinimod in einer Dosis von 0,6 mg aufgrund seines Wirkungsprofils und seiner guten Verträglichkeit meines Erachtens weiterhin ein interessantes Potenzial besitzt. Denkbar wäre auch eine kombinierte Therapie mit einem Medikament, das seine Hauptstärken bei der Reduktion der Schubrate besitzt, jedoch wären für einen solchen Ansatz natürlich weitere Studien erforderlich. Ich hoffe jetzt zunächst einmal auf positive Ergebnisse der ARPEGGIO-Studie, einer Phase-2-Studie zur Behandlung der primär progredienten MS mit Laquinimod, deren erste Ergebnisse in Kürze vorliegen werden. Manchmal leben bereits Totgesagte länger.

Autor: PD Dr. med. Mathias Buttmann

Redaktion: AMSEL e.V., 15.11.2017