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Therapeutische Höhepunkte vom ECTRIMS/ACTRIMS-Kongress 2017 (Teil 1)

Wie im letzten Jahr berichtet wieder Privatdozent Dr. Mathias Buttmann vom MS-Schwerpunktzentrum am Caritas-Krankenhaus Bad Mergentheim weltgrößten Spezialkongress für Multiple Sklerose. Der erste Teil beschäftigt sich mit einer Kinder-Studie zu Fingolimod.

ECTRIMS/ACTRIMS war in diesem Jahr der größte MS-Spezialkongress, der überhaupt jemals stattgefunden hat, mit über 10.000 registrierten Teilnehmern und fast 4.000 wissenschaftlichen Präsentationen. Die MS-Forschung ist so aktiv wie noch nie. Hier einen einzelnen therapeutischen Höhepunkt herauszugreifen, fällt schwer. Ganz subjektiv entscheide ich mich wegen meines persönlichen besonderen Interesses für die MS im Kindesalter für die PARADIGMS-Studie. Es handelt sich um die erste abgeschlossene randomisierte, kontrollierte Medikamentenstudie der Phase 3, in der Kinder mit MS untersucht wurden. Das allein ist ein wichtiger Meilenstein.

Vergleichsweise große Kinder-Studie

Es wurden 215 Kinder mit schubförmiger MS in diese Studie eingeschlossen. Damit war sie gemessen an derzeit üblichen Phase-3-Studien an Erwachsenen sehr klein, für eine Kinder-MS-Studie jedoch sehr groß. Es beginnen nämlich nur 3-5 % aller MS-Erkrankungen im Kindesalter. Das ist einer von mehreren Gründen, warum es sehr schwer ist, genügend Studienteilnehmer für eine Kinder-MS-Studie zu finden.

Die Kinder und Jugendlichen im Alter von 10-17 Jahren wurden entweder mit Fingolimod oder mit intramuskulärem Interferon-beta1a doppelt verblindet behandelt. Doppelte Verblindung bedeutet hier, alle Kinder haben sowohl Kapseln eingenommen als auch Injektionen erhalten, nur dass Wirkstoff und Placebo in Spritzen und Kapseln unterschiedlich verteilt waren; weder die Kinder und Eltern noch die Studienärzte wussten, wer welchen Wirkstoff erhielt.

Starke therapeutische Effekte, Langzeitwirkung noch unklar

In allen untersuchten Wirksamkeitsendpunkten erwies sich Fingolimod dem Interferon als hoch überlegen. Am wichtigsten bei solchen Studien ist immer der primäre Endpunkt, der ebenso wie die anderen Endpunkte vorab festgelegt wird. Hier reduzierte Fingolimod gegenüber dem Interferon die Schubrate über bis zu zwei Jahre um 81,9 %. Der zweitwichtigste Endpunkt war die Anzahl neuer oder vergrößerter T2-Läsionen im MRT. Die senkte Fingolimod gegenüber dem Interferon um 52,6 %. Sogar auf das Risiko einer bleibenden Behinderung und die Abnahme des Hirnvolumens zeigte Fingolimod gegenüber dem Interferon in nachträglichen Analysen statistisch signifikante günstige Effekte. Das ist für so eine kleine Studie sehr ungewöhnlich und war deshalb gar nicht Teil der vorab geplanten Hauptanalyse.

Vier der 107 mit Fingolimod behandelten Kinder erlitten Krampfanfälle gegenüber keinem Kind unter Interferon. Ansonsten zeigten sich im untersuchten Zeitraum keine möglichen Sicherheitssignale, die über das bei Erwachsenen bereits bekannte, insgesamt günstige Sicherheitsprofil von Fingolimod hinausgehen. Fingolimod stellte sich damit über zwei Jahre als gute therapeutische Option für Kinder mit einer hoch aktiven MS dar, die ja leider für die betroffenen Kinder gerade auf längere Sicht eine schwere Bedrohung darstellt. Momentan ist allerdings noch nicht klar, wie Kinder eine Einnahme von Fingolimod über einen längeren Zeitraum als zwei Jahre vertragen. Es läuft bereits eine fünfjährige Verlängerungsphase der Studie, die Informationen zu dieser wichtigen offenen Frage liefern wird.

Autor: PD Dr. med. Mathias Buttmann

Redaktion: AMSEL e.V., 15.11.2017