Rund 300 Teilnehmende nutzten die Gelegenheit, sich anhand vier kurzweiliger Impulsvorträge beim AMSEL-Thementag, der unter der Leitung von Prof. Dr. med. Peter Flachenecker stand, praxisnahe Tipps und wertvolle Informationen zu holen, wie der Alltag mit MS besser gelingen kann.
Neurologen: Wie finde ich den passenden?
Einen Facharzt mit freien Terminen zu finden, ist schon schwer genug, einen erfahrenen MS-Experten umso mehr. Unter dem Titel „Wie finde ich einen Neurologen?“ stellte Dr. med. Boris-Alexander Kallmann, Facharzt für Neurologie aus Bamberg, hilfreiche Tipps vor, die die Suche erleichtern können. Neben der guten Erreichbarkeit und Organisation der Praxis sei vor allem entscheidend, ob diese auf MS spezialisiert sei – idealerweise in Form einer zertifizierten MS-Schwerpunktpraxis der DMSG, die nach den strengen Kriterien des DMSG-Bundesverbands zertifiziert und in einer fortlaufenden, aktualisierten Liste MS-Erkrankten zur Verfügung gestellt werden. Wichtig sei außerdem: Fühle ich mich als betroffene Person ernst genommen und gut betreut?
Bei der Suche nach einem passenden Neurologen können neben dem Telefonbuch auch die Internetrecherche oder die Website der Kassenärztlichen Vereinigung helfen – aber auch persönliche Empfehlungen. Bewertungsportale seien indes mit Vorsicht zu genießen. Kallmann betonte aber auch, dass zu einer gelungenen Behandlung und Arzt-Patienten-Beziehung auch ein informierter, kooperativer und ehrlicher Patient gehöre. „Medizin ist Teamarbeit“, so seine klare Botschaft.
Fotostrecke: Thementag und Mitgliederversammlung 2025
Arztbriefe: Inhalte verstehen lernen
Viele MS-Patienten kennen die Situation: Nach einem Krankenhausaufenthalt bleibt der Arztbrief unbesprochen und der Patient wird mit vielen Fragen und wenig Antworten entlassen. Dr. med. Martin Rösener, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie aus Stuttgart, schuf in seinem Vortrag „Was bedeutet das? Arztbriefe und Befundberichte einfach erklärt“ mehr Verständnis.
Arztbriefe seien für Fachpersonal geschrieben, nicht für medizinische Laien. Hinzu komme, dass viele Briefe zu spät oder erst gar nicht geschrieben würden und häufig nicht oder unzureichend erläutert. Rösener erklärte anschaulich den typischen Aufbau eines Arztbriefes: Diagnose, Anamnese (Krankheitsgeschichte), Befunde und schließlich die Zusammenfassung plus Empfehlung zur weiteren Behandlung. Laut des Neurologen wird sich in Zukunft hinsichtlich der Erstellung der Arztbriefe einiges ändern – etwa durch den Einsatz von medizinischen Fachangestellten, die arztähnliche Tätigkeiten übernehmen oder auch Künstliche Intelligenz (KI). Seine Prognose: „Der Arztbrief wird zukünftig wahrscheinlich vom Chatbot erklärt.“
Stationäre Behandlung: Diagnostik und Schubbehandlung
„Was passiert eigentlich im Krankenhaus? Zukunft der stationären MS-Versorgung“. Darauf ging Prof. Dr. med. Hansjörg Bäzner, Ärztlicher Direktor der neurologischen Klinik am Katharinenhospital in Stuttgart, ein. Im Zusammenhang mit dem Verdacht auf eine MS, einem akuten Krankheitsschub, einer Verschlechterung der Symptome oder zur Verlaufskontrolle kann in einem Krankenhaus Unterschiedliches gemacht werden: Anamnese, klinische Untersuchung, bildgebende Verfahren mit MRT von Gehirn und Rückenmark, Messung der Sehbahn, Messung der Gefühlsbahn, Nervenwasseruntersuchung (Liquorpunktion), Messung der Kraftbahn, Infusion mit Kortison (bei einem Schub), eventuell Plasmaaustausch, Verordnung oder Gabe verlaufsmodifizierender Therapeutika, Beratung oder Verordnung einer Rehabilitation.
Zu wissen, was auf einen zukommen könnte, könne helfen, Ängste vor einem Besuch abzubauen. Wichtig sei es aber, sich nicht nur mental auf einen Krankenhausbesuch vorzubereiten, sondern auch ganz konkret. Heißt, Befunde im besten Fall dabei zu haben, ggf. auch ein stichpunktartiges Protokoll des Krankheitsverlaufs der letzten Monate, so dass auch der behandelnde Arzt in der Kürze der Zeit, sich ein besseres Gesamtbild machen könne, so der erfahrene Arzt.
Expertenrunde: Herausforderungen des Gesundheitssystems
Im Anschluss an die Impulsvorträge beantworteten die Experten Fragen der Teilnehmenden und diskutierten über die strukturellen Probleme im Gesundheitswesen. Zeit- und Geldmangel sowie die zunehmende Bürokratie prägen die Realität. Prof. Dr. med. Peter Flachenecker, Chefarzt des Neurologischen Rehabilitationszentrums Quellenhof in Bad Wildbad und Neurologe im Vorstand bei der AMSEL betonte: „Unser Gesundheitssystem steht vor gewaltigen Herausforderungen“.
Eine Hoffnung sei die ambulante spezialfachärztliche Versorgung, kurz ASV, einem noch recht jungen hochspezialisierten Behandlungsangebot für MS durch interdisziplinäre Fachteams für jene, die an einer seltenen oder schweren Erkrankung mit besonderem Krankheitsverlauf leiden – etwa einer MS. Eine umfassende Vernetzung sei wünschenswert, müsse aber auch finanziert werden.
Mitgliederversammlung und MS-Update
Bei der anschließenden Mitgliederversammlung, die exklusiv AMSEL-Mitgliedern vorbehalten war, gab es neben satzungsgemäßen Tagesordnungspunkten und der Wahl des neuen Vorstands auch noch ein umfassendes Update zum aktuellen Stand der MS-Forschung [amsel.de hatte berichtet].
AMSEL e.V. dankt der GKV-Gemeinschaftsförderung Baden-Württemberg für die freundliche Unterstützung bei der Durchführung des Thementags sowie der Mitgliederversammlung.
Redaktion: AMSEL e.V., 08.08.2025




