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Sommer mit Multipler Sklerose

Nach dem langen und dunklen Winter freuen sich die meisten Menschen auf den Sommer. Für viele Menschen mit Multipler Sklerose ist diese Jahreszeit allerdings mit besonderen Herausforderungen verbunden. Dr. med. Martin Rösener gibt in Together 02/13 Tipps, wie auch MS-Betroffene den Sommer genießen können.

Im Sommer ist es heiß

Viele Patienten mit Multipler Sklerose leiden unter einer Wärmeintoleranz, d.h. bei hohen Körper- oder Umgebungstemperaturen, manchmal auch bei Wetterumschwung, kommt es zu einer Verschlechterung neurologischer Funktionen. Dazu zählt bspw. auch die Spastik, die sich bei Hitze mal verschlechtern kann. Zum ersten Mal beschrieben wurde dieses Phänomen 1892 von dem deutschen Neuroophthalmologen Wilhelm Uhthoff, es wird deshalb auch Uhthoff-Phänomen genannt.

MS-Patienten, die kein Problem mit der Wärme haben, können die Sonne in vollen Zügen genießen. Einer Gefahr setzen sich MS-Betroffene durch Wärmeexposition nicht aus, ein Schub wird dadurch nicht ausgelöst. Keinesfalls darf die Wärmeintoleranz mit einer durch einen Schub verursachten Verschlechterung verwechselt werden, das ist sie eindeutig nicht. Die Verschlechterung der neurologischen Funktion durch Wärme verschwindet, wenn der Körper abgekühlt wird. Das kann ein paar Minuten oder auch mehrere Stunden dauern. Bei einem Schub treten meist für den Patienten neue Symptome auf und dauern mindestens 48 Stunden an.

Kühlung im Sommer

Daraus leiten sich für Betroffene mit Wärmeintoleranz schon die wichtigsten Maßnahmen ab. Kühlung heißt das oberste Gebot. In der Wohnung sollten an einem heißen Sommertag rechtzeitig die Rolläden vor zu starker Sonneneinstrahlung schützen. Draußen helfen Mützen oder Hüte und der Aufenthalt im Schatten vor einer zu starken Aufwärmung. Kühlende Fußbäder, Duschen und kühle Getränke können helfen, wie auch spezielle Kühlbekleidung. Man muss nur aufpassen, dass man sich nicht erkältet.

Ob T-Shirt, Kühlweste, Kühlhose, Stirn-, Nacken- und Handgelenksband, Bandana-Kopftuch, Basecap, Strümpfe oder Handtuch – Kühlkleidung gibt es in verschiedenen Ausführungen. Der Kühleffekt wird – je nach Hersteller – durch Verdunstungskälte von Wasser, vorherige Kühlung in Kühlschränken oder durch batteriebetriebene Luftzirkulation erzeugt. Kühlkleidung ist bislang kein zugelassenes Hilfsmittel, so dass die Kosten nicht von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden. Einige Hersteller bieten Sonderkonditionen für MS-Betroffene an. So ausgerüstet sollten auch die von der Wärmeintoleranz betroffenen MS Patienten einen Sommertag genießen können.

Autor: Dr. med. Martin Rösener

niedergelassener Neurologe

  • Studium der Medizin in Würzburg und London.
  • Neurologische Ausbildung an den Neurologischen Universitätskliniken Würzburg und Tübingen.
  • Langjährige wissenschaftliche Arbeit auf dem Gebiet der Multiplen Sklerose.
  • Aufbau und Führung einer Ambulanz für Patienten mit Multipler Sklerose an der Universität Tübingen.
  • Seit 2000 niedergelassener Neurologe in Stuttgart mit Schwerpunkt Multiple Sklerose.
  • Häufig als Referent und Chatexperte für die AMSEL aktiv.
  • Seit 2006 Mitglied des Ärztlichen Beirates der AMSEL

Im Sommer wird geschwitzt

Bei hohen Umgebungstemperaturen schwitzt der Mensch um durch die Verdunstungskälte die Körpertemperatur stabil zu halten. Es kommt dadurch zu einem zusätzlichen Flüssigkeitsverlust. Wegen der bei Multipler Sklerose häufigen Blasenprobleme trinken viele Erkrankte zu wenig um nicht ständig auf die Toilette zu müssen. Eine unzureichende Trinkmenge kann im Sommer zusammen mit dem Flüssigkeitsverlust durch das Schwitzen nicht nur das Wohlbefinden verschlechtern, sondern auch Harnwegsinfekte begünstigen. Ganz besonders sollten Patienten mit Multipler Sklerose im Sommer deshalb auf eine ausreichende Trinkmenge achten.

Sommer und Sport

Dauerhaft betriebene sportliche Betätigung und damit eine verbesserte körperliche Konstitution verbessern die Lebensqualität. Für Patienten mit Multipler Sklerose wurde das in mehreren Studien eindeutig nachgewiesen. Geeignet sind vor allem Ausdauersportarten wie Laufen, Radfahren und Schwimmen.

Belastung darf auch im Sommer sein (nach Möglichkeit nicht in der Mittagshitze, sondern frühmorgens oder spätabends). Wichtig ist, seine persönlichen Belastungsgrenzen zu beachten, um Überlastung zu vermeiden.

Im Sommer sind alle so aktiv

Viele MS Betroffene leiden unter einer vorzeitigen Erschöpfbarkeit. Wärme verstärkt sie manchmal noch. Diese Patienten sollten der Versuchung widerstehen zu viele Aktivitäten zu planen und sich damit zu überfordern. Gerade im Sommer sollte man ausreichende Pausen einplanen.

Im Sommer ist man draußen

Wer auf der Wiese liegt oder durch den Wald geht kann auch mal von einer Zecke gebissen werden. Durch geeignete Kleidung kann man sich davor schützen. Nach dem Aufenthalt im Freien sollte man sich sorgfältig nach Zecken absuchen und diese dann ggf. entfernen. Gegen die in Baden-Württemberg gelegentlich von Zecken übertragene Frühsommer-Meningoenzephalitis kann man sich durch eine Impfung schützen. Diese Impfung können auch Patienten mit Multipler Sklerose bekommen. In einer entsprechenden Studie hat sich kein Nachteil herausgestellt (Vaccine. 2003; 21 Suppl 1: S. 56 – 61). In diesem Zusammenhang kann dann gleich der gesamte Impfschutz überprüft werden. Die meisten Impfungen können auch bei Patienten mit Multipler Sklerose gegeben werden.

Einen Überblick gibt die Tabelle:

Standard-ImpfungenDiphtherie (TI)
Tetanus (TI)
Influenza (TI)
Keine Einschränkungen bei MS
Pneumokokken (TI)Datenlage nicht ausreichend, dennoch erwägen
Reise- und Indikations-Impfungen
Hepatitis B (TI)
Masern, Mumps, Röteln (LI)
Varizellen (LI)
Kein erhöhtes Risiko für Schubauslösung
Hepatitis A (TI)
Meningokokken (TI)
Hämophilus influenzae (TI)
Polio (Salk) (TI)
Pertussis (TI)
Cholera (TI)
Tollwut (TI)
Typhus (TI)
Datenlage nicht ausreichend
Gelbfieber (LI)
Typhus (LI)
Ungünstig bei MS, Verschlechterung möglich
Legende: TI: Totimpfungen; LI: Lebendimpfungen
Quelle: Mod. nach Nervenarzt 2010; 72: 181 – 193

Im Sommer fährt man in Urlaub

Krankheitsschübe können auch im Urlaub auftreten. Nach den Richtlinien der Multiple-Sklerose-Therapie-Konsensus-Gruppe (MSTKG) der Deutschen Gesellschaft für Multiple Sklerose (DMSG) werden schubförmige Verschlechterungen mit hochdosierten, intravenösen Methylprednisolongaben behandelt. Diese Behandlung kann (nur) durch einen Arzt in einer entsprechenden Einrichtung am Urlaubsort erfolgen.

In besonderen Ausnahmefällen, in denen die Infrastruktur des Urlaubslandes keine Arztbesuche zulässt, kann vor der Reise mit dem behandelnden Neurologen eine orale Stand-by Kortisonbehandlung vereinbart werden. Diese würde dann bei einer schubförmigen Verschlechterung und nach Rücksprache mit dem Neurologen vom Patienten im Urlaub eingenommen. Ein Schub muss also kein Grund sein, den Urlaub abzubrechen.

Die immunmodulatorische Therapie sollte im Urlaub fortgeführt werden. Die Transport- und Lagerungsbedingungen der Medikamente sind in heißen Urlaubsländern besonders zu beachten. Auch ist besonderes Augenmerk auf die Einhaltung der Hygiene bei den erforderlichen Injektionen zu legen. Was sonst noch zu beachten ist:

Medikamente auf Reisen

 

  • Wenn man auf ein gewisses Medikament angewiesen ist, sollte man genügend, aber nicht zuviel mitnehmen (Reserve für eine Woche). Eventuell kann man sich ein ärztliches Attest ausstellen lassen (am besten auf Englisch).
  • Medikamente immer im Handgepäck mitführen.
  • An Spritzen und Tupfer denken, evtl. Coldpack für die Injektionsstelle.
  • Die immunmodulierenden Medikamente müssen mindestens teilweise kühl gelagert werden, deshalb Kühlkette im Flugzeug, Hotel usw. und unterwegs sicherstellen. Vor der Abreise im normalen Rhythmus spritzen, während der Reise unterbrechen, und bei Ankunft am Reiseziel den normalen Rhythmus wieder aufnehmen.
  • Medikamente zur Behandlung von Nebenwirkungen, falls notwendig, z.B. Ibuprofen, Paracetamol, nicht vergessen.
  • Seit dem 11. September 2001 gelten überall strengere Flughafenkontrollen, besonders in den USA. Laut "Federal Authority Recommendations" müssen alle mitgeführten Medikamente mit einem offiziellen Etikett versehen sein. In den meisten Fällen reicht die Originalverpackung des Herstellers mit Chargennummer. Arztbriefe genügen hier wegen der Fälschungsmöglichkeit nicht. Je nach Flughafen gibt es viele Einzelbestimmungen, deshalb vorsorglich vorher dort anfragen.
  • Besonders zu beachten bei Medikamenten, die gespritzt werden: – Tragen Sie den vom Arzt ausgefüllten Therapiepass mit sich.

 

– Entsorgen Sie Spritzen, Nadeln und Ampullen nach Gebrauch sachgemäß an Ort und Stelle.

 

Bei Medikamentenfragen geben Ihnen Ihr behandelnder Arzt und Mechthild Zeh (Tel. 0711 / 69 786-14 odermechthild.zehamsel-dmsgde) vom Beratungsteam der AMSEL gerne Auskunft.

Die Einrichtungen am Urlaubsort sollten der ggf. vorliegenden Behinderung angemessen sein. So können eine Klimaanlage und ein barrierefreies Hotel manchen Ärger ersparen. Mit guter Planung und kleinen Maßnahmen können auch MS-Betroffene den Sommer und entspannte Urlaubsfahrten genießen.

Quelle: Together 02/13; Dr. med. Martin Rösener

Redaktion: AMSEL e.V., 26.06.2013