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Smouldering MS - was ist das?

In den Medien taucht immer häufiger der Begriff "smouldering" oder "schwelende MS" auf. Was es damit auf sich hat, erklärt Prof. Mathias Mäurer im Video.

"Smouldering MS", das ist ein Begriff, der vor allem in englischsprachigen Medien immer häufiger auftaucht. Eine neue Form der Multiplen Sklerose vielleicht? Nein, "smouldering" heißt "schwelend" und tatsächlich hatte sich dafür im deutschsprachigen Raum bereits der Fachbegriff "progredient" eingebürgert.

"Schwelend" liefert jedoch ein sehr passendes Bild für diesen Anteil der MS. Im Unterschied zu einem Schub, den man als schnell ausbrechendes Feuer, das wieder erlischt, ansehen kann, also dem entzündlichen Anteil der MS, arbeitet der progrediente oder eben schwelende Anteil der MS weitgehend im Verborgenen. Er ist zwar da, richtet sehr wohl bleibende Schäden an, doch er ist schwerer zu entdecken. Jedenfalls auf herkömmlichen MRT-Bildern. Noch schwieriger allerdings ist die schwelende MS zu behandeln.

Andauernder Schwelbrand im Zentralen Nervensystem: schwelende MS

Die MS-Erkrankten bemerken diesen Teil ihrer MS jedoch sehr wohl: Die Symptome und möglichen Behinderungen nehmen langsam, im Laufe der Zeit zu. Nicht wie bei einem Schub, wo gestern noch nichts war und heute deutliche Symptome zu spüren sind. Und: Die Schäden bleiben in aller Regel.

Dennoch: Die schwelende MS ist zunächst ein gedankliches Konzept, wenngleich wissenschaftliche Arbeiten wie die von Dr. Martina Absinta e.a. darauf hindeuten, dass die Theorie auch nachzuweisen ist. Die amerikanischen Forscherinnen und Forscher haben bei MS-Patienten mit besonders hochauflösenden MRT-Geräten metallene Rahmen um alte Läsionen herum entdeckt.

Diese Läsionen werden mit der Zeit nicht kleiner, behalten auch nicht ihre Größe, sondern wachsen ganz allmählich. Charakeristisch ist der metallene Ring um sie herum. Man bezeichnet sie als chronisch aktive Läsionen. Die Anzahl solcher metallummantelten Läsionen scheint mit der Existenz einer schwelenden MS, also mit der allmählichen Progredienz der Behinderungen, eventuell einer aggressiven MS zu korrelieren.

Wirkstoffe gegen progrediente/ schwelende MS

Diese speziellen MRT-Aufnahmen werden bisher allerdings nur im Rahmen von Studien gemacht. Um eine progrediente MS festzustellen, benötigt man sie (leider) auch gar nicht: Patienten, die eine allmähliche Zunahme von Symptomen bei sich bemerken, sind von der schleichenden bzw. schwelenden MS betroffen.

Oft nimmt die schwelende MS im Laufe der Erkrankung zu, beim einen mehr, beim anderen weniger; meist ist sie jedoch von Anfang an vorhanden. Die meisten immunmodulatorischen Wirkstoffe haben auch einen (wenngleich begrenzten) Einfluss auf den schwelenden/ progredienten Anteil der MS. Sie halten vor allen Dingen den entzündlichen Teil der Erkrankung auf: Weniger Schübe bedeuten auch weniger bleibende Behinderungen.

Auf den entzündlichen Anteil der MS therapeutisch einzuwirken, gelingt heute schon sehr gut. Die schwelende MS lässt sich weniger einfach beeinflussen. Auch sie mit Wirkstoffen gezielt und effektiv behandeln zu können, daran arbeiten Forscherinnen und Forscher weltweit, interdisziplinär und mit vereinten Kräften. Zum Beispiel wurde die Progressive MS Alliance gegründet, um hier Ressourcen und Wissen zu bündeln (im AMSEL-Video-Interview berichtet Prof. Alan Thompson darüber). Auch die BTKi, die nächste große Wirkstoff-Klasse, die vermutlich in den kommenden Jahren zugelassen wird, könnte, so der Stand heute, die Behandlung der schwelenden oder progredienten MS verbessern.

Kleiner Hinweis am Rande: Die Bezeichnungen rund um die Multiple Sklerose und ihre Therapie sind komplex und umfangreich – ähnlich wie das Krankheitsbild MS selbst. Für Verwirrung sorgt zudem ein "false friend", also ein falscher Freund: Während im Englischen die progrediente MS als "progressive" bezeichnet wird, war es im Deutschen über Jahrzehnte üblich, progredient nur für den allmählichen Fortschritt der Behinderungen zu verwenden, progressiv hingegen für jegliche Art von Fortschritt (einer Erkrankung), also auch in Schüben. Wissenschaftssprache ist jedoch Englisch und somit liest man immer häufiger auch in deutschen Texten "progressiv", wo früher progredient gestanden hätte.

Quellen: AMSEL-Video mit Prof. Mathias Mäurer zur schwelenden MS, 02.05.2023; JAMA Neurology, Dezember 2019.

Redaktion: AMSEL e.V., 05.05.2023