Glatirameracetat gehörte neben den Interferonen zu den ersten MS-Therapien überhaupt, die um die Jahrtausendwende herum zur Immunmodulation bei schubförmiger Multipler Sklerose zugelassen wurden. Der Wirkstoff wird subkutan gespritzt und steht mittlerweile in zwei Dosierungen zur Verfügung: 20 mg werden täglich oder 40 mg dreimal wöchentlich injiziert. Das Originalpräparat ist unter dem Namen Copaxone, ein Generikum als "Clift" auf dem Markt. Mehr dazu auf der AMSEL-Seite Multiple Sklerose (MS) behandeln.
Harmlose oder anaphylaktische Reaktion?
Obschon Glatirameracetat einen recht geringen Wirkungsgrad hat (Stufe eins von drei), kommen etliche MS-Patientinnen und -Patienten gut damit zurecht. Nicht zuletzt ist das Nebenwirkungsprofil überschaubar, hauptsächlich kommt es zu Reaktionen der Einstichstelle. Bei einigen Patienten kommt es, meist zu Beginn der Behandlung und direkt nach der Gabe, zu einer sogenannten sofortigen Postinjektionsreaktion, kurz: SPIRS. Die wirkt zwar bedrohlich – mit Herzrasen, Atemnot, Druckgefühl und Schweißausbruch –, ist es jedoch nicht. Nach 30 Sekunden bis längstens 30 Minuten ist der „Spuk“ vorbei. In der Regel tritt er auch nur einmal pro Patient/ pro Patientin auf.
Nun jedoch warnen die Zulassungsinhaber von Glatirameracetat, nach EU-weiter Untersuchung, vor einer gelegentlichen bedrohlichen Nebenwirkung: der anaphylaktischen Reaktion. Diese ist im Unterschied zu SPIRS lebensbedrohlich und führte vereinzelt auch schon zu Todesfällen. Dass sie sehr ähnliche Symptome zeigt wie die ungefährliche Postinjektionsreaktion, erschwert die Diagnose und verunsichert Patientinnen und Patienten. Dazu kommt, dass diese lebensbedrohliche Reaktion auch Monate oder Jahre nach Therapiebeginn kurz nach der Injektion auftreten kann.
Symptome einer anaphylaktischen Reaktion:
Schockzustand (niedriger Blutdruck, Verwirrung, kalte und schweißige Haut sowie schwacher und schneller Herzschlag)
Atemprobleme (Keuchen)
Weitere Symptome einer möglichen Anaphylaxie sind etwa die Schwellung des Unterhautgewebes, Quaddeln und Übelkeit oder andere Verdauungsstörungen. Behandelt wird mit Adrenalin, Antiallergika, evtl. Atmungserleichterung und Flüssigkeit intravenös.
Informiert sein zählt
Panik ist für Patientinnen und Patienten, die Glatirameracetat nehmen, dennoch nicht angebracht. Wichtig ist jedoch, dass sowohl Patientinnen und Patienten als auch ihr Umfeld über diese mögliche Nebenwirkung informiert und dazu angewiesen sind, in solchen Fällen unverzüglich notärztliche Hilfe zu rufen. amsel.de informiert seine Leserinnen und Leser über weitere Details, sobald diese verfügbar sind.
Quelle: Rote-Hand-Brief der Zulassungsinhaber (Pdf), 19.08.2024.
Redaktion: AMSEL e.V., 21.08.2024