Spenden und Helfen

Re-myelinisiert GANT61 bei Multipler Sklerose ?

Zumindest im Mausmodell hilft das Krebsmittel. Auch der Zuwachs an neuralen Stammzellen war hier deutlich erhöht.

Eigentlich war der Wirkstoff gar nicht zum Einsatz gegen Multiple Sklerose gedacht. Doch die Dinge laufen manchmal eben anders als geplant. Ein experimenteller Wirkstoff, der ursprünglich in einer Substanzbank eines MS-Registers als potenzielle Therapie gegen Gehirn- und Basalzellkrebs identifiziert wurde, verbessert die Maus-MS, wie New Yorker Wissenschaftler nun herausgefunden haben.

GANT61, so der Wirkstoffname, scheint - zumindest im Mausmodell - re-myelinisierend zu wirken. Dafür ist bisher noch kein Mittel zugelassen und diese Eigenschaft verleiht dem Wirkstoff die Fähigkeit, Schäden an den Nerven durch die Multiple Sklerose einzudämmen, denn wo genügend Myelin die Nerven ummantelt, können diese auch nicht so leicht absterben.

Mehr Myelin-bildende Zellen

Darüberhinaus erhöht GANT61 den Zuwachs an neuralen Stammzellen um ein Vielfaches. Neurale Stammzellen sind Vorläuferzellen, die sich in die verschiedenen Zelltypen des zentralen Nervensystemes (z.B. Neurone, Astrozyten, Oligodendrozyten) differenzieren können. Oligodendrozyten bilden zum Beispiel das für die Nerven notwendige Myelin.

GANT61 blockiert das Schlüsselprotein Gli1, das mit dem Sonic Hedgehog-Signalweg zu tun hat, einem biologischen Signalweg mit enger Verbindung zur Produktion neuraler Stammzellen aber auch zu bestimmten Krebsarten. In Gewebeproben von Patienten mit Multipler Sklerose ist Gli1 in den Läsionen erhöht.

In der Studie bekamen Mäuse mit chemisch beschädigtem Hirnmyelin über einen Monat hinweg täglich eine Dosis GANT61. Mit dem Ergebnis, dass die mit GANT61 behandelten Mäuse am Ende des Monats 50% mehr Myelin hatten als die unbehandelten Mäuse. Die Myelinschicht um die Nerven herum schützt diese. Bei der Multiplen Sklerose wird dieses Myelin zerstört; deshalb gehen auch die Nerven unter.

Mäuse haben sich von Lähmungen erholt

Außerdem zeigten die behandelten Mäuse einen achtfachen Zuwachs an neuralen Stammzellen, die zu den Myelinschäden wanderten und sich dort in myelinproduzierende Oligodendrozyten verwandelten.

Klinisch konnten sich die behandelten Mäuse von anfänglichen MS-ähnlichen Symptomen wie Lähmungen und Beinschwäche erholen. Unbehandelte Mäuse zeigten hingegen weiterhin Beinkrämpfe und Blasenschwäche, also Symptome wie sie auch eine Multiple Sklerose hervorrufen kann.

GANT61 scheint also im Mausmodell bereits entstandene Schäden wieder rückgängig machen zu können. Ob GANT61 mit dieser Funktion überhaupt auf die menschliche MS übertragbar ist, muss sich noch zeigen und wird einige Jahre an Forschung beanspruchen. Außerdem müssen die Nebenwirkungen vertretbar sein.

Einsatz auch bei PPMS und SPMS denkbar

Bei einem Mittel, das die Stammzellproduktion ankurbelt, kann grundsätzlich auch das Wachstum unerwünschter (Krebs-)Zellen angekurbelt werden. Weitere Studien sind wichtig - und bereits geplant -, bevor GANT61 am Menschen erprobt und dann eventuell für die Multiple Sklerose zugelassen werden könnte. Da hier nicht die Schubratenreduktion im Vordergrund steht, wäre dann auch ein Einsatz gegen die progredienten Verläufe (Primär Progrediente und Sekundär Progrediente MS) denkbar. Bis heute ist gegen diese Verlaufsform, an der rund 40% der Erkrankten leiden, noch kein krankheitsmodifizierendes Mittel zugelassen.

Die New York State Stem Cell Science und die National Multiple Sclerosis Society haben die Forschung mit unterstützt.

Quelle: Pressemitteilung der New York University Langone, 30.09.2015

Redaktion: AMSEL e.V., 05.10.2015