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Ocrelizumab bei Multipler Sklerose

Der neue Wirkstoff wird vermutlich noch 2017 zugelassen, dann unter dem Namen Ocrevus. Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie ordnet die Ergebnisse der Phase-3-Studien ein.

Ocrelizumab könnte nicht nur die Reihe der Multiple Sklerose-Wirkstoffe beim Schub förmigen Verlauf erweitern; es könnte auch das erste Arzneimittel sein, das für den primär progredienten Verlauf der MS zugelassen wird (AMSEL.DE hatte berichtet).

Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) äußert sich in ihrer aktuellen Pressemitteilung positiv über die Ergebnisse der Phase-3-Studien zu Ocrelizumab. Die Studien OPERA 1 und 2 untersuchten den Schubförmig-remittierenden Verlauf. ORATORIO untersuchte den monoklonalen Antikörper beim Primär Progredienten Verlauf der MS.

Ein erster Fortschritt beim progredienten Verlauf

Das sei ein erster Fortschritt, denn der humane monoklonalen Antikörper gegen B-Lymphozyten sei das erste Medikament, dass überhaupt eine Wirkung beim primär progredienten Verlauf der MS zeige, so Prof. Ralf Gold, Direktor der neurologischen Klinik der Universität Bochum, Past-Präsident der Deutschen Gesellschaft für Neurologie und Sprecher des krankheitsbezogenen Kompetenznetzes Multiple Sklerose. Ocrelizumab zerstöre B-Zellen. Diese spielen eine Schlüsselrolle bei der Entstehung von MS-Herden im Zentralen Nervensystem.

„Wir konnten nachweisen, dass Ocrelizumab auch bei dieser Verlaufsform wirksam ist“, wird Professor Hans Peter Hartung, Direktor der Klinik für Neurologie der Universität Düsseldorf und Co-Autor der ORATORIO-Studie zitiert. Bei rund 10 % der MS Patienten beginnt die Krankheit mit einer kontinuierlichen Verschlechterung anstatt mit Schüben. Für diese Patientengruppe gibt es bislang keine krankheitsmodifizierende Therapie, während für den schubförmigen Verlauf rund ein Dutzend Mittel zur Verfügung stehen.

732 Patienten mit PPMS nahmen an der ORATORIO-Studie teil. Zwei Drittel davon erhielten randomisiert den Wirkstoff, das andere Drittel ein Placebo als Infusion. Während die Krankheit binnen 120 Wochen in der Ocrelizumabgruppe bei 32,9 % voranschritt, lag dieser Wert in der Placebogruppe bei 39,3 %. Die Unterschiede in der Lebensqualität waren jedoch weniger groß.

Zu früh, um von Durchbruch zu sprechen

Untersucht wurden Patienten zwischen 18 und 55 mit weniger als zehn Jahren Krankheitsdauer und einem EDSS-Wert zwischen 3 und 6,5. Nicht teilnehmen konnten Patienten, die zuvor eine B-Zelltherapie oder andere immunsuppressive Medikamente erhalten hatten. Professor Gold betont, dass Ocrelizumab eine innovative Therapie bei, aber es sei noch zu früh, um von einem Durchbruch bei der Behandlung der PPMS zu sprechen.

Der Wirkstoff richtet sich - im Unterschied zu den meisten MS Mitteln, die sich gegen T-Zellen richten - gegen B-Lymphozyten. Es ist ein monoklonaler Antikörper (Anti-CD20), eine Variante von Rituximab, das bereits bei Krebs und Rheuma eingesetzt wird.

Ocrelizumab wird halbjährlich als Infusion gegeben. Insgesamt sei der Wirkstoff in allen drei Studien gut vertragen worden, jedoch traten in der Ocrelizumab-Gruppe häufiger Tumoren auf. Bei ORATORIO kam es bei 2,3 % der Patienten zu Krebserkrankungen, besonders Brustkrebs. In der Placebogruppe lag dieser Anteil bei nur 0,8 %. Theoretisch ließe sich dies auf eine verminderte Immunüberwachung des Körpers durch die Zerstörung von B-Zellen zurückführen, so Gold dies müsse sorgfältig beobachtet werden. Bei ORATORIO kam es in der Wirkstoffgruppe außerdem häufiger zu Atemwegsinfektionen und Herpes simplex.

Quelle: Pressemitteilung der DGN, 17.01.2017; New England Journal of Medicine, 19.01.2017

Redaktion: AMSEL e.V., 19.01.2017