Spenden und Helfen

Nutzen von Minocyclin bei Multipler Sklerose fraglich

Die 2-Jahres-Daten zu dem Aknemittel und Antibiotikum bei erstmaligem MS-verdächtigen Symptom widersprechen den Halbjahreszahlen. Die kanadische MS-Gesellschaft initiierte diese Studie. - Stellungnahme von DMSG, DGN und KKNMS.

Seit Jahrzehnten wird Minocyclin bei Akne eingesetzt. Der Wirkstoff gehört zu den synthetischen Tetrazyklinen ist damit ein Breitbandantibiotikum. Ihm werden antientzündliche sowie immunmodulatorische Wirkung zugeschrieben.

Minocyclin kostet rund 600 $ jährlich in Kanada und ist verglichen mit anderen MS-Therapeutika günstig. Auch muss es weder gespritzt noch injiziert werden. Minocyclin ist als Tablette verfügbar.

Bereits 2007 plante die kanadische MS-Gesellschaft nach positiven Kleinstudien eine Studie mit Minocyclin bei Multipler Sklerose (AMSEL.DE hatte berichtet). Der Start der Studie verzögerte sich wegen verschiedener Einwände, zum Beispiel der Möglichkeit, dass Minocyclin eine ALS verstärke. 2015 lagen positive Ergebnisse zu Minocyclin bei CIS - einem ersten MS-verdächtigen Symptom ohne gesicherte Diagnose - vor. In einer randomisierten doppelblinden Studie mit CIS-Patienten kam es nach 6 Monaten in der Wirkstoff-Gruppe nur zu halb so vielen gesicherten MS-Diagnosen wie in der Placebo-Gruppe (33,4 Prozent gegenüber 61 Prozent). Diese Zahlen werteten die Forscher als statistisch signifikant. Siehe AMSEL.DE-Bericht.

Ein anderes Bild nach 2 Jahren

Anders sieht es mit der aktuellen Datenlage aus. Nach 24 Monaten der Einnahme von Minocyclin (100 mg täglich) oder von Placebo hatte sich der Unterschied zwischen den beiden Gruppen angeglichen und war nicht mehr statistisch signifikant.

Wissenschaftler der Studie räumen ein, dass Minocyclin zwar nicht für einen langfristigen Erfolg sorgt, dennoch aber kurzfristig eingesetzt werden könnte.

Editoren des New England Journal of Medicine, in welchem die aktuellen Studienergebnisse veröffentlicht sind, widersprechen dem. Zum einen sei die Studie mit Minocyclin nicht wirklich verblindet gewesen, da die Einnahme von Minocyclin die Zähne gelb färbe, zum anderen rechtfertige die kleine Teilnehmerzahl und kurze nach Beobachtungszeit keine Empfehlung für Minocyclin bei CIS.

Umfassendere Studien zu Minocyclin gefordert

Dieser Kritik am Studiendesign schließen sich die deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft, die Deutsche Gesellschaft für Neurologie sowie das Krankheit Kompetenznetz Multiple Sklerose in ihrer gemeinsamen Stellungnahme an. Sie bemängeln zudem, dass "der Zeitraum von sechs Monaten bis zum Erreichen des primären Endpunktes (Konversion von KIS zu MS) im Vergleich zu anderen Studien sehr kurz" sei und es "Ungleichgewichte in der Zusammensetzung von Verum- und Placebogruppe" gegeben habe.

"Die Wirksamkeit von Minocyclin bei MS und damit die Möglichkeit, es als Alternative zu anderen immunmodulatorischen Therapien zu nutzen, muss jetzt in einer größeren und längeren klinischen Studie belegt werden," so Prof. Dr. Hohlfeld in der Stellungnahme.

Quelle: New England Journal of Medicine, 01.06.2017; Stellungnahme von DMSG, DGN und KKNMS, 03.08.2017

Redaktion: AMSEL e.V., 04.08.2017