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"Neues Zeitalter der Multiple-Sklerose-Therapie" - Experten über Fingolimod

Seit Montag ist Fingolimod / Gilenya auch in Europa bei schubförmiger MS zugelassen. Das Kompetenznetz Multiple Sklerose nimmt Stellung.

Mit dem positiven Votum der Europäischen Arzneimittelkommission (EMA), den Wirkstoff Fingolimod zur Behandlung der hochaktiven, schubförmig verlaufenden Multiplen Sklerose (RRMS) EU-weit zuzulassen (AMSEL.DE hat berichtet), beginne für viele Patienten eine neue Zeitrechnung in der MS-Therapie, so das Krankheitsbezogenen Kompetenznetzes Multiple Sklerose (KKNMS). Im Gegensatz zu den bisher erhältlichen Medikamenten wird Fingolimod, Handelsname Gilenya®, einmal täglich oral eingenommen. "Für viele Betroffene, die mit den Injektionen der handelsüblichen Wirkstoffe nicht ausreichend therapiert sind, gibt es jetzt eine neue Option mit einem Plus an Lebensqualität", weiß Professor Heinz Wiendl, Leiter der klinischen Forschungsgruppe für MS und Neuroimmunologie der Neurologischen Universität Würzburg, Vorstandsmitglied im Ärztlichen Beirat des DMSG-Bundesverbandes und Sprecher des vom Bundesforschungsministerium geförderten KKNMS.

Sorgfältig prüfen, dann erst verschreiben

 

 

Prof. Heinz Wiendl auf dem
Aktionstag für junge MS-
Betroffene der AMSEL 2006.

"Allerdings fordern wir unsere Kollegen, die niedergelassenen und klinisch tätigen Neurologen, dazu auf, Fingolimod erst nach sorgfältiger Prüfung des Risiko-Wirksamkeitsprofils zu verschreiben, da das Medikament tief ins Immunsystem der Patienten eingreift. Spritzenmüdigkeit per se ist keine Indikation!" Die Substanz bindet an den sogenannten Sphingosin-1-Phosphatrezeptor, der für den Austritt von aktivierten T-Lymphozyten verantwortlich ist. Fingolimod sorgt dafür, dass diese Entzündungszellen am Auswandern aus den Lymphknoten gehindert werden und es damit zu einer Umverteilung von Lymphozyten aus dem Blut in die lymphatischen Organe kommt. Fehlgeleitete T-Lymphozyten gelten als möglicher Auslöser für die Zerstörung der Myelinschicht der Nervenzellen bei MS-Patienten.

Wirkung und Nebenwirkung

In zwei großen Phase III Studien (FREEDOMS, TRANSFORMS) konnte
nachgewiesen werden, dass Fingolimod die jährliche Schubrate, Behinderungsprogression und Zahl der entzündlichen Hirnläsionen bei MS-Patienten günstig beeinflussen kann. Nebenwirkungen zeigten sich in
Form von Influenza-Infektionen, Kopfschmerzen, Durchfällen, Rückenschmerzen, Erkältungen, erhöhte Leberwerte und Lymphopenien
(Lymphozytenmangel).

In der TRANSFORMS Studie kam es zudem zu zwei schwerwiegenden
Herpesvirus-Infektionen mit Todesfolge. "Zwar wurden beide Patienten mit
einer höheren Dosis behandelt als die nun zugelassenen 0,5 mg pro Hartkapsel, dennoch darf das nicht bagatellisiert werden", so Wiendl. Es wurden auch mehrere Fälle von Lymphknotenvergrößerungen beobachtet, die im Zusammenhang mit der Therapie stehen könnten. "In Summe müssen
wir damit rechnen, dass unter Behandlung mit Fingolimod Komplikationen
auftreten können, deren Folgen sich derzeit schwer abschätzen lassen.
Aus diesem Grund plädieren wir für ein engmaschiges Monitoring, dessen
Ergebnisse in einem Sicherheitsregister erfasst werden", erklärt der
KKNMS-Experte.

Zulassung mit Einschränkungen

Unter Berücksichtigung der Phase III Studienergebnisse hat die EMA nun
Fingolimod für folgende Patientengruppen zugelassen:

  1. RRMS-Patienten, die trotz Interferon-Therapie weiterhin eine hohe
    Krankheitsaktivität aufweisen oder
  2. Betroffene, die zwei oder mehr behindernde Schübe in einem Jahr hatten und dabei einen oder mehrere kontrastmittelaufnehmende Herde (Läsionen) in der Kernspintomografie zeigten.

In den USA hat Fingolimod hingegen eine breitere Zulassung als Basismedikament bei RRMS erhalten. Das KKNMS arbeitet derzeit an praktischen Hinweisen zur Medikation.

Quelle: Pressemitteilung des Krankheitsbezogenen Kompetenznetzes Multiple Sklerose (KKNMS), 22.03.2011

Redaktion: AMSEL e.V., 23.03.2011