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Neuer Therapieansatz für Multiple Sklerose?

13.08.06 - Züricher Forscher haben im Mausmodell eine Möglichkeit entdeckt, das Immunsystem so zu modifizieren, dass eine Selbstzerstörung verhindert wird. - Die AMSEL-Redaktion sprach mit Prof. Burkhard Becher.

Bei Multipler Sklerose greift das Immunsystem Strukturen im Gehirn wie einen Fremdkörper an und verursacht so schwere Schäden.

Die Forschergruppe um den Neuroimmunologen Prof. Burkhard Becher von der Universität Zürich hat jetzt eine Möglichkeit entdeckt, das Immunsystem so zu modifizieren, dass die Selbstzerstörung verhindert wird. Die Arbeit wird in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift "Nature Immunology" publiziert und verspricht, ein wichtiger Schritt für eine mögliche Bekämpfung der Multiplen Sklerose zu sein.

Das Immunsystem schützt den Körper normalerweise vor Infektionen und schädlichen Umwelteinflüssen. Manchmal, wenn auch selten, greift das Immunsystem versehentlich
den eigenen Körper an. Genau dies passiert bei MS.

Forscher gehen heute davon aus, dass eine fatale Abwehrreaktion bei den MS-Patienten die Erkrankung auslöst: Das Immunsystem stuft Strukturen im Gehirn als Fremdkörper ein und greift diese an. Besonders betroffen von der Immunattacke ist die Nervenisolierung, das so genannte Myelin. Die Folge sind Entzündungen in Gehirn und Rückenmark, die bei den Betroffenen zu erheblichen Behinderungen führen können.

Die eigentlichen Täter, die die Immunattacke auf das Gehirn einleiten, sind eine bestimmte Sorte von weissen Blutzellen (Helfer-T-Zellen). Diese werden von Verräterzellen - die das
Forschungsteam von Prof. Burkhard Becher letztes Jahr identifizieren konnte - darauf programmiert, das Gehirn anzugreifen (wir haben berichtet). Zur Kommunikation verwenden die Zellen so genannte Zytokine, hormonähnliche Botenstoffe, die das Verhalten dieser selbst-aggressiven Immunzellen beeinflussen.

Der Forschergruppe um den Neuroimmunologen Prof. Burkhard Becher ist es jetzt gelungen, diese Kommunikation zu entschlüsseln und so einzugreifen, dass es zu einer Umprogrammierung der bösartigen Zellen kommt. "Dabei war es wichtig, dass die Schutzfunktion des Immunsystems nicht eingeschränkt wird", erklärt Burkhard Becher. Er zeigt in seiner Publikation in der Fachzeitschrift "Nature Immunology", dass durch eine Blockade des Interleukin-18-Rezeptors auf der Zelloberfläche das aggressive Verhalten der bösartigen Zellen verhindert werden kann.

"Wir können damit die Verräterzellen so manipulieren, dass das irregeleitete Immunsystem im Gehirn keinen Schaden mehr anrichten kann", sagt Prof. Becher weiter. "Wir versuchen, diesen Kommunikationsmodus zwischen den Verräterzellen und den bösartigen T-Zellen ganz genau unter die Lupe zu nehmen."
Nachdem der relevante Rezeptor entdeckt ist, suchen die Forscher vor allem nach dem Molekül, welches daran bindet. Je mehr die Kommunikationsformen zwischen Immunzellen bekannt sind, um so eher kann spezifisch eingegriffen werden. "Es ist durchaus wahrscheinlich", so Prof. Becher, Nachwuchspreisträger des Sobek-Forschungspreises, "dass diese Art von spezifischer ‹Kommunikationsstörung›
in Zukunft als Therapiestrategie für MS-Patienten angeboten wird."

"Das Spannende daran ist, dass das vermeintliche Molekül überhaupt nicht beteiligt ist", erklärte Becher gegenüber der AMSEL-Redaktion. Einen "bösen Liganden", der an den IL-18-Rezeptor bindet, müssten sie noch finden. Die Entdeckung ist patentiert und Prof. Becher hofft, dass sein Team dank des Vorssprunges - inzwischen arbeiten mehrere Forschungsteams daran - das Rätsel als erstes löst.

Momentan wird an einem Mittel zum Einsatz gegen Multiple Sklerose gearbeitet. Studien mit MS-Patienten jetzt anzusetzen, hält Prof. Becher für verfrüht, wenngleich Experimente mit Mäusen bislang keine bedenklichen Nebenwirkungen zeigten, und ihr Immunsystem - das ist das kritische Moment bei der Immunspression - weiterhin funktioniert, sie also gegen Krankheiten geschützt sind. Vorher würden sie gerne noch ein paar Details herausfinden.

Quelle: Universität Zürich

 
 
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Redaktion: AMSEL e.V., 04.09.2006