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Neue Hoffnung bei Schlaganfall, MS und Alzheimer

18.03.08 - Charité-Forscher entschlüsseln die mangelnde Nervenzellenproduktion bei neurodegenerativen Erkrankungen wie Multiple Sklerose.

Forscher der Charité haben jetzt entdeckt, warum sich im Gehirn nach Schädigungen, wie sie durch Schlaganfall, Multiple Sklerose und andere neurodegenerative Erkrankungen entstehen, keine neuen Nervenzellen bilden. Darüber berichten sie gemeinsam mit Kollegen vom Institut für Zell- und Neurobiologie der Charité und dem Institut für Rekonstruktive Neurobiologie in Bonn in der aktuellen Ausgabe von Nature Cell Biology.*

"In einem gesunden Gehirn werden bei einem Erwachsenen permanent neue Nervenzellen aus Stammzellen gebildet", erklären Prof. Frauke Zipp und Privatdozent Dr. Orhan Aktas, Wissenschaftliche Direktorin und Oberarzt der Cecilie-Vogt-Klinik für Neurologie im HKBB, Charité – Universitätsmedizin Berlin. "Nach einer Schädigung des Hirns jedoch produzieren die Stammzellen kaum mehr Nervenzellen, sondern stattdessen vermehrt so genannte Gliazellen." Der Unterschied ist entscheidend: Neue Nervenzellen können den durch die Erkrankung entstandenen Hirnschaden reparieren. Gliazellen – auch Stützzellen genannt – die als Gerüst für Nervenzellen dienen, können das nicht. Anders als die Nervenzellen sind sie nicht in der Lage, Informationen zu verarbeiten. Die Folge: Es kommt zu Dauerschäden im Gehirn.

Bei vielen krankheitsbedingten Schädigungen des Hirns kommt es zu oxidativem Stress. Das heißt, es entstehen freie Radikale, die schädlich sind. Die Forscher haben diese Bedingungen künstlich hergestellt und beobachtet, dass dann die Aktivität eines Enzyms namens SIRT1 steigt. "Dieses Enzym kann man sich als eine Art Wegweiser vorstellen, der den Zellen vorgibt, in welche Richtung sie sich entwickeln sollen", sagt Dr. Aktas. Bei Schädigungsprozessen, die zu oxidativem Stress führen können, zeigt der Wegweiser in eine andere Richtung, und statt der hilfreichen Nervenzellen werden Gliazellen produziert.

In künftigen Projekten soll nun herausgefunden werden, wie sich die Zellproduktion steuern und die Erkenntnisse therapeutisch nutzen lassen. "Wir haben die Hoffnung, Menschen, die an Schädigungen im Gehirn leiden, wie sie bei Multipler Sklerose, Schlaganfall oder auch anderen traumatischen Hirnschädigungen auftauchen, irgendwann einmal besser helfen zu können", sagt Dr. Aktas. Bis dato sind die Möglichkeiten der Nervenzellenregeneration noch begrenzt. Die Entdeckung der Charité-Forscher könnte die vorhandenen Ansätze nun jedoch ein entscheidendes Stück weiterbringen.

Vergangene Woche bereits hat die AMSEL-Onlineredaktion über die Erkenntnisse zu einem "Wegweiser-Protein" namens Gogo berichtet: Ein Protein sorgt für geregeltes Zellwachstum und weist den Weg zum Ziel durch das "Verkehrschaos" im Gehirn der Fruchtfliege, so Forscher des Max Planck-Institutes in ihrer Veröffentlichung (wir haben berichtet).

* Prozorovski, Schulze-Topphoff, Glumm, Baumgart, Schröter, Ninnemann, Siegert, Bendix, Brüstle, Nitsch, Zipp and Aktas.

Quelle: Charité, Berlin, 17.03.08; Nature Cell Biology, 16.03.08

Redaktion: AMSEL e.V., 18.03.2008