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Neue Abwehrzellen fürs Gehirn?

06.12.07 - Charité-Wissenschaftler wollen Mikroglia-Zellen ersetzen. Sollte dies beim Menschen gelingen, könnten (in etlichen Jahren) auch Multiple Sklerose-Schäden repariert werden.

Bislang ist ein Knochenmarksaustausch plus Bestrahlung notwenig, um das Verfahren bei Mäusen anzuwenden, doch scheinen sich damit immerhin Voraussetzungen aufzuzeigen, die nach der Geburt unersetzbar geglaubten Mikroglia-Zellen neu zu bilden und zwecks Reparatur an den Ort des Schadens zu transportieren. Gentechnische Verfahren könnten die brachiale Prozedur in (ferner) Zukunft möglicherweise ersetzen. Hier die Pressemitteilung der Charité - Universitätsmedizin Berlin:

"Berlin, 05. Dezember 2007. Wissenschaftler der Charité - Universitätsmedizin Berlin sind jetzt einem Mechanismus auf die Spur gekommen, mit dessen Hilfe künftig Abwehrzellen im Gehirn durch neue ersetzt werden könnten. Es geht um die so genannten Mikroglia-Zellen. Sie entstehen aus dem Knochenmark und siedeln sich bei der Geburt im Gehirn an. Dort bekämpfen sie Krankheitserre­ger und erkennen krankhafte Veränderungen des Gehirns, etwa bei Schlaganfall, Alzheimer oder Multipler Sklerose. Jahrzehntelang war man der Ansicht, dass diese Zellen unersetzbar sind. Prof. Josef Priller aus dem Labor für Molekulare Psychiatrie am Campus Charité Mitte hatte bereits vor sechs Jahren am Mausmodell nachgewiesen, dass die Mikroglia auch beim Erwachsenen neu gebildet und sogar gezielt an die geschädigte Stelle im Gehirn transportiert werden können. In einer neuen Arbeit, die von der Zeitschrift Nature Neuroscience jetzt veröffentlicht wurde*, zeigt er gemeinsam mit Kollegen aus Göttingen, Regensburg und Zürich, unter welchen Voraussetzungen das gelingen kann.

"Es ist ein komplizierter Prozess, den wir jetzt zum ersten Mal an Mäusen besser beschreiben können", erklärt Prof. Priller. Zunächst haben wir das Knochenmark und die restlichen Abwehrzellen einer Maus durch das Knochenmark einer anderen ersetzt. Es entsteht ein neues Blutbild und an diesem Punkt bilden sich auch wieder Monozyten, die Vorläuferzellen der Mikroglia. Diese wandern ins Gehirn und werden dort in neue Abwehrzellen umgewandelt. Um das zu erreichen, muss man allerdings den ganzen Körper des Empfängers, einschließlich des Gehirns, vorher bestrahlen. "Wenn man das Gehirn nicht bestrahlt, wandern die Monozyten dort nicht hin und es entstehen keine Mikroglia", sagt Prof. Priller. Die Forscher wollen sich in ihrem nächsten Projekt unter anderem der Frage zuwenden, weshalb diese Bestrahlung so wichtig ist. Wenn sie den Vorgang vollständig analysiert haben, werden sie prüfen, ob die Ergebnisse des Tierversuchs auf den Menschen übertragbar sind.

Doch Prof. Priller denkt schon weiter: "Vielleicht braucht man eines Tages das fremde Knochenmark und die Bestrahlung gar nicht mehr", meint er. Es könnte genügen, Zellen aus dem Blut des Patienten selbst zu isolieren, sie gentechnisch zu verändern und dann mit Hilfe spezieller Signalmoleküle zu veranlassen, im Gehirn mit der Reparatur des Schadens zu beginnen. "Das wäre für alle Erkrankungen des Gehirns von großer Bedeutung.""

 
 
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Quelle: Pressemitteilung der Cahrité, 05.12.07; Nature Neuroscience 10, 1544 - 1553 (2007)

Redaktion: AMSEL e.V., 06.12.2007