Berlin, 22. September 2003. Großer Fortschritt auf dem Weg, Multiple Sklerose (MS)heilen zu können: Bestimmte Substanzen sind in der Lage, die zerstörte Schutzschicht um Nervenfasern zu einer Selbstreparatur anzuregen. Das haben Laborversuche gezeigt, deren Ergebnisse jetzt auf dem internationalen MS-Kongress "Gateway to Progress" in Berlin vorgestellt wurden. Vision der Forscher: Sie wollen den "Kurzschluss" in der Reizleitung, die durch die Zerstörung der Isolierschicht entstanden ist, beheben und ausgefallene Funktionen - zum Beispiel die Fähigkeit zu gehen - wieder aktivieren.
Moderne Immun-Therapien haben in den vergangenen Jahren bei vielen Patienten zwar zu einer deutlichen Verlangsamung des Fortschreitens der typischen MS-Symptome beitragen können. Die eigentlichen Schäden, die die Erkrankung hervorruft, haben sie aber nicht beheben können. MS ist dadurch gekennzeichnet, dass die die Nervenfasern schützenden Markscheiden (Myelin) zerstört werden - wahrscheinlich durch eine Autoimmunreaktion. Jüngere Forschungen zielen darauf ab, die Regeneration des Myelin zu verbessern. Dies eröffne neue therapeutische Perspektiven, die auf eine Reparatur von funktionalen Störungen der Nervenfaser (Axon) abzielen.
Über Erfolg versprechende Laborversuche berichtete Prof. Dr. med. Catherine Lubetzki, Präsidentin des Wissenschaftsausschusses der französischen Multiple Sklerose Gesellschaft. Ein bestimmter Wachstumsfaktor aus der so genannten CNTF-Familie begünstige die Re-Myelinisierung im zentralen Nervensystem, so die Forscherin beim Kongress.
Eine Reparatur geschädigter Nervenfasern ist ebenfalls Ziel der Forschungen, die auf embryonale und adulte Stammzelle baut. In den vergangenen Jahren haben erste Laborergebnisse Hoffnungen geweckt, verloren gegangenes Nervengewebe wiederherstellen zu können.
Während des internationalen MS-Kongresses stellte Prof. Dr. med. Neil J. Scolding, Professor der klinischen Neurowissenschaften aus Großbritannien, den neuesten Stand vor. Er warnte in seinem Beitrag vor Hoffnungen, die Stammzellentherapie bereits bald als restaurative Therapie bei MS einsetzen zu können. Die Umsetzung vom Labor in die Klinik berge zwar viel versprechende Möglichkeiten, aber auch Gefahren. Die Sicherheit des Patienten müsse - sowohl im Zusammenhang mit dem therapeutischen Verfahren selber als auch mit ihren längerfristigen Konsequenzen - in den Überlegungen ganz oben stehen.
Redaktion: AMSEL e.V., 09.09.2004