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Nachgehakt: Neue Immunzelle entdeckt

16.04.07 - Einen scheinbar eigenständigen T-Zell-Typus machte das Team um Prof. Heinz Wiendl ausfindig. Über dessen mögliche Rolle bei der Entstehung entzündlicher Krankheiten wie MS befragte die AMSEL-Onlineredaktion Heinz Wiendl.

AMSEL: Die regulatorischen T-Zellen, von denen man bisher drei Typen kannte, spielen eine Schlüsselrolle im Immunsystem: Sie halten es in Schach. Wie unterscheidet sich der neu identifizierte T-Zell-Typus von den anderen drei Typen?

Prof. Heinz Wiendl: Es gibt inzwischen mehrere bekannte Typen von regulatorischen T-Zellen. Diese kommen entweder als natürliche regulatorische T-Zellen vor (d.h. sie sind bereits als solche im Blut vorzufinden und sie unterdrücken Immunantworten) oder sie müssen erst dazu gebracht werden (durch spezielle Induktions- oder Kulturprotokolle). Unser Typus unterscheidet sich von den bekannten Zelltypen durch die Oberflächenexpression eines bestimmten Histokompatibilitätsmoleküls (HLA-G) und durch die Art und Weise wie die Zellen andere Zellen unterdrücken. HLA-G agiert hierbei sowohl als Markierung dieser Zellen als auch als das Eiweißmolekül, über das die regulatorische Wirkung maßgeblich ausgeübt wird.

AMSEL: Bei akuten Schüben soll er in größerer Anzahl als gewöhnlich in der Hirn- und Rückenmarksflüssigkeit der Patienten zu finden sein. Bietet dieses Wissen bereits neue Diagnosemöglichkeiten?

Prof. Heinz Wiendl: Dieses Wissen impliziert momentan noch keine neuen Diagnosemöglichkeiten. Es ist ein Befund, der zunächst sehr interessant ist und der darauf hindeutet, dass diese Zellen in den genannten Prozessen eine Rolle spielen. Um das tatsächlich als Diagnosemöglichkeit nutzen zu können, müssen wir noch intensivere und weiterführende Arbeiten an größeren Patientenzahlen durchführen. Unter Ziel ist natürlich in der Tat eine diagnostische oder auch therapeutische Nutzung dieser Zellen.

AMSEL: Nicht nur im Verlauf einer MS scheint der neue T-Zell-Typ mitzumischen; möglicherweise ist er auch bei der Entstehung beteiligt. Wie kann man sich das genau vorstellen und was würde diese Entdeckung für MS-Patienten in aller Welt bedeuten?

Prof. Heinz Wiendl: Es ist denkbar, dass diese Zellen, deren Funktion ja in der Regulation bestimmter Immunantworten liegt, bei Patienten mit Autoimmunerkrankungen nicht mehr richtig funktionieren. Genau diese Problematik besteht bei einem anderen Typ von regulatorischen Zellen, den sogenannten CD4CD25 regulatorischen Zellen. Hier postuliert man, dass der Defekt der Zellen zur Entstehung der MS mit beiträgt, da wichtige regulatorische Mechanismen zur Erhaltung der Toleranz gegen körpereigene Eiweißstoffe nicht mehr in der Weise wie bei gesunden Personen funktionieren. Eine ähnliche Frage ergibt sich selbstverständlich auch bei unseren regulatorischen Zellen. Genau das untersuchen wir momentan.



Redaktion: AMSEL e.V., 16.04.2007