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Nachgehakt: Gürtelrose und Multiple Sklerose

Ursache oder Manifestation der Krankheit? Die AMSEL-Onlineredaktion hat bei Prof. Horst Wiethölter nachgehakt, wie er die Taiwanesische Studie einordnet.

Eine Gürtelrose, auch "Herpes Zoster" genannt, sei nicht nur sehr schmerzhaft, sondern auch viel gefährlicher als bisher angenommen, meldeten verschiedene populärmedizinische Zeitschriften und Portale in den vergangenen Wochen. Taiwanesische Wissenschaftler hätten nämlich entdeckt, dass das Risiko einer Multiplen Sklerose um ein vierfaches erhöht sei, nachdem man eine solche Infektion durchgemacht habe.

Den Verdacht habe man schon lange gehegt, aber nun hätten Wissenschaftler aus Taiwan den Zusammenhang auch nachgewiesen, mit einer Studie, derzufolge das MS-Risiko nach einer Gürtelrose-Infektion fast 4 Mal so groß sei. Beeindruckend an dieser Studie sind natürlich die Daten von über einer Million Patienten, wovon natürlich nur ein sehr kleiner Teil später eine MS entwickelte.

Die Forscher selbst merken bereits an, dass sich dieses Ergebnis nicht ohne weiteres übertragen lasse, denn die Multiple Sklerose ist in der untersuchten Bevölkerungsgruppe, den Han-Chinesen, deutlich weniger verbreitet als etwa in Deutschland. Prof. Horst Wiethölter relativiert dieses Ergebnis weiter:

Kang et al. (2011 J. Infect. Dis. 204(2):188-92) beschreiben in einer großen populationsbasierten Studie Untersuchungsergebnisse, die einen Zusammenhang zwischen MS und dem Auftreten einer Gürtelrose nahelegen.

Offen bleibt dabei die Frage, ob durch eine Gürtelrose ursächlich eine MS ausgelöst wird oder ob eine bereits bestehende präklinische MS durch die Auslösung eines Schubes klinisch manifest wird. (Auch andere Virusinfektionen, insbesondere mit Reaktivierung latenter Viren, wie z.B. beim Epstein-Barr Virus können die Krankheitsaktivität im Sinne der Schubfrequenz und Progredienz bei MS-Patienten verstärken.)

Nach der Studie in Taiwan hatten Patienten, die eine Gürtelrose (durch Varizella-Zoster Virus Reaktivierung) erlitten haben, im Folgejahr eine Wahrscheinlichkeit von 9,2 / 100.000 = 0,009% einen MS-Schub zu entwickeln, während Vergleichspersonen, die keine Gürtelrose hatten, nur mit einer Wahrscheinlichkeit von 2,5 / 100.000 = 0.003% einen MS-Schub entwickelt haben. Dabei ist die Inzidenz (d.h. das Auftreten der MS / 100.000 Einwohner/Jahr) mit 2,5 / 100.000 Einwohner / Jahr für ein Land mit eigentlich niedrigem MS – Risiko recht hoch. In Hochrisikoregionen, wie z.B. in Deutschland liegt die Inzidenz etwa bei 3 / 100.000 Einwohner / Jahr.

Es gibt noch eine Reihe von Argumenten, mit denen sich die höhere Wahrscheinlichkeit (bei Gürtelrose-Erkrankten) noch weiter relativieren

lässt, sodass der Unterschied zwischen den Gruppen kleiner wird und Argumente dafür, dass die Häufung von Schüben nicht gleichbedeutend ist mit dem Auftreten von MS.

Quellen: Journal of Infectious Diseases, Juni 2011; Prof. Horst Wiethölter

Redaktion: AMSEL e.V., 29.06.2011