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Nachgehakt: Ein Enzym, das Autoimmunkrankheiten stoppt?

07.10.08 - Ein schwedisch-deutsches Forscherteam hat ein Enzym entdeckt, das Antikörper gezielt ausschalten und somit Autoimmunreaktionen im menschlichen Körper unterdrücken soll. Die AMSEL-Onlineredaktion wollte das genauer wissen. SWR2 berichtet im Audio-Podcast.

Die Studie der Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Falk Nimmerjahn weckt Hoffnungen auf neue therapeutische Möglichkeiten zur Bekämpfung von Erkrankungen wie Multipler Sklerose, Arthritis oder Systemischen Lupus Erythematodes (SLE). Ihre Forschungsergebnisse haben die Wissenschaftler in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) veröffentlicht.

Das menschliche Immunsystem ist in der Lage, Bakterien und Viren, die in den Körper eingedrungen sind, effizient zu bekämpfen und so den Organismus vor lebensbedrohlichen Infektionen zu schützen. Kommt es jedoch zu einer Fehlsteuerung im Immunsystem, kann dies dazu führen, dass die Antikörper eigentlich gesundes Gewebe angreifen und im schlimms­ten Fall chronische Erkrankungen wie etwa Multiple Sklerose oder Arthritis auslösen.

Achillessehne der Antikörper: Die Zuckerseitenkette

Die Gruppe um Professor Nimmerjahn hat nun in Zusammenarbeit mit einer Arbeitsgruppe der Universität Lund (Schweden) einen besonders erfolgversprechenden Therapieansatz gefunden, der die schädigende Wirkung der Antikörper blockiert. Die Forscher haben ein bakterielles Enzym identifiziert, das die so genannte Zuckerseitenkette des Antikörpers entfernt. Das Zuckermolekül ist Bestandteil jedes Antikörpers. Fehlt die Zuckerseitenkette, kann der Antikörper nicht funktionieren und verliert seine entzündliche Wirkung. Bisher war es der Wissenschaft noch nicht möglich, diese Schwachstelle der Antikörper gezielt anzugreifen.

Im Tiermodell ist es den Wissenschaftlern gelungen, eine Reihe von Autoimmunerkrankungen erfolgreich zu unterdrücken. Außerdem konnten die Forscher zeigen, dass auch menschliche Antikörper nach Behandlung mit dem Enzym ihre entzündliche Wirkung verlieren. Ein großer Vorteil der neuen Therapie ist, dass das Enzym gezielt auf bestimmte Antikörper wirkt und nicht - wie derzeit gängige Verfahren - das Immunsystem komplett unterdrückt und die Patienten anfällig für Infektionen macht.

Die AMSEL-Onlineredaktion hakt nach

Und um welches Enzym handelt es sich? "Das Enzym heißt Endoglycosidase S (kurz: EndoS)", so Prof. Falk Nimmerjahn gegenüber der AMSEL-Onlineredaktion. "Es kommt aus Streptococcus pyogenes."

Der Vorteil des Ansatzes, so Prof. Nimmerjahn weiter, sei, dass das Enzym nicht alle Immunglobuline inaktiviere, die den Körper ja auch vor Infektionen schützen, sondern selektiv IgG Antikörper angreift. Diese sind mit verantwortlich für entzündliche Prozesse bei Autoimmunerkrankungen. Somit komme es also nicht zu einer globalen Unterdrückung des Immunsystems und es bestehe auch nicht die Gefahr an Infektionen zu erkranken.

Wie geht es nun weiter?

"Wir müssen dieses Enzym nun in einem Reinheitsgrad herstellen, der für die Anwendung im Menschen geeignet ist", so Prof. Falk Nimmerjahn. Danach würden erste Verträglichkeitsstudien erfolgen, bevor tatsächlich Patienten behandelt werden können.

Quelle: Universität Erlangen, Medizinische Fakultät; SWR2, 04.10.08

Redaktion: AMSEL e.V., 07.10.2008