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Multiple-Sklerose-Therapie beenden?

Symbolbild

Wann ist der richtige Zeitpunkt, um Medikamente abzusetzen? Prof. Mathias Mäurer ist der Frage nachgegangen - auf www.ms-docblog.

Die Devise "Hit hard and early", also möglichst früh und stark mit der Therapie der MS zu beginnen, setzt sich immer mehr durch. amsel.de hatte hierüber oft berichtet, etwa im jüngsten Expertenchat mit Prof. Ingo Kleiter: MS-Therapie: Wann eskalieren, wann deeskalieren?" Das gilt für den Beginn und für die aktive Phase einer Multiplen Sklerose. Die Möglichkeiten, eine (vor allem) schubförmige Multiple Sklerose mit Immunmodulatoren zu behandeln sind heute zahlreich. Und inzwischen sehr effektiv. Die wirkungsstärksten Präparate "lassen" oft keinen Schub mehr "durch".

Eine Multiple Sklerose verändert sich jedoch mit den Jahren seit Krankheitsbeginn. Während die schleichende, sprich: schubfreie Verschlechterung tendenziell zunimmt, geht die Schubaktivität und die Anzahl neuer oder sich vergrößernder Läsionen mit der Zeit meist zurück. Schübe kommen jedoch sehr unregelmäßig. Darum kann man auch nach mehreren schubfreien Jahren nicht "automatisch" davon ausgehen, dass "es" das "war", mit der aktiven MS, man von nun an schub- und läsionsfrei bleibt. Zumal unter der passenden Therapie, wie erwähnt, oft kaum noch Schübe auftreten. Umso schwieriger gestaltet sich die Frage: Wann die MS-Therapie absetzen?

Risiko erneuter Krankheitsaktivität

Setzt man sein immunmodulatorisches Medikament ab, kann es zu erneuter Krankheitsaktivität, mitunter auch zu sogenannten Rebounds, also besonders starker Krankheitsaktivität, kommen. Und damit zu weiteren Symptomen, Behinderungen und Funktionseinschränkungen. Andererseits sind Nebenwirkungen, die Umstände, eine solche Therapie kontinuierlich durchzuführen und mitunter auch die Kosten, die sie verursacht, Gründe, über einen Therapieabbruch nachzudenken – Schubfreiheit und passende MRT-Ergebnisse vorausgesetzt.

Die Unsicherheit, wie es im individuellen Fall weitergeht, mit der MS und der MS-Therapie, macht die Entscheidung, ein Medikament abzusetzen, nicht leicht. Prof. Mathias Mäurer erläutert daher Studien, die sich mit genau dieser Frage beschäftigen:

DISCOMS, eine Studie von 2023, untersuchte ältere MS-Patienten und kommt zu dem Schluss, dass, auf diese Studie bezogen, Patienten über 55 Jahre nach dem Absetzen ihrer Therapie am wenigsten eine Verschlechterung ihrer MS zu befürchten haben, das Risiko für erneute Krankheitsaktivität also ab einem bestimmten Alter (durchschnittlich betrachtet) sinkt.

Das passt zu einer Autoimmunkrankheit wie der Multiplen Sklerose, denn das Immunsystem lässt bei allen Menschen mit dem Alter nach, entsprechend auch die Autoimmunität, so die Annahme. Man spricht von Immunoseneszenz. Und es passt auch zu den Ergebnissen einer Studie mit jungen MS-Patienten, die zeigte, dass das Absetzen in jungen Jahren ein deutlich größeres Risiko birgt, dass sich die MS-Aktivität wieder verstärkt.

Therapie individueller und präziser

Wichtig ist jedoch, festzuhalten, dass diese Ergebnisse auf bestimmte Kohorten zutreffen und lediglich eine Tendenz aufzeigen. Wie sich die Multiple Sklerose beim einzelnen Patienten nach Therapie-Ende entwickelt, kann damit nicht vorhergesagt werden. Die Frage bleibt für den einzelnen, ob die Krankheitsstabilität von der Therapie herrührt oder therapie-unabhängig ist, aufgrund des "Stadiums" der MS.

Möglicherweise bringen Biomarker wie sNFL (Neurofilament-Leichtketten aus dem Blut) hier in der Zukunft mehr Klarheit für den individuellen Patienten. Nicht nur bezüglich eines möglichen Therapieabbruchs, sondern auch im Hinblick auf eine Therapie-Eskalation oder -Deeskalation (amsel.de hatte kürzlich berichtet). Und selbstredend bleibt es dem einzelnen Patienten überlassen, ob und wann er (im Rahmen der Indikation) welches Medikament nimmt, es wechselt oder auch absetzt.

Quellen: MS-Docblog, 09.10.2024; The Lancet, Juli 2023.

Redaktion: AMSEL e.V., 15.11.2024