Spenden und Helfen

MS auf der Europäischen Neurologentagung 2006

02.06.06 - 2.200 Experten versammelten sich heuer in Lausanne. Multiple Sklerose war dort ein wichtiges Thema.

Heutige immunmodulierenden Therapien richten sich gegen den Entzündungsprozess und sind nur teilweise wirksam. Die Suche nach alternativen Behandlungsansätzen setzt sich fort. Über 400.000 Europäer sind an Multipler Sklerose erkrankt, weltweit zählen sie mehr als eine Million. Keine kleine Gruppe.

In Lausanne fand in den vergangenen Tagen der 16. Kongress der European Neurological Society (ENS) statt. Dort werden Trends und Highlights der neurologischen Forschung und Therapie präsentiert, viele davon zum Thema MS.

Mit den Interferonen und mit Glatiramerazetat als immunmodulierend wirkenden Substanzen gelang bereits ein großer Fortschritt in der Therapie, von dem jedoch nur ein Teil der Patienten profitierte. Der Effekt der antientzündlichen Therapien auf die Langzeitbehinderung ist begrenzt. Früher Behandlungsbeginn und Ziel gerichtete Kombination von Medikamenten seien wichtige Strategien zur Optimierung der Therapie, so Experten wie Prof. Giancarlo Comi (Mailand, It) auf dem ENS.

Es gibt inzwischen Daten, die das Konzept unterstützen, mit einer frühzeitigen Behandlung isolierter klinischer Syndrome auch langfristig eine bessere Behinderungs-Prävention zu erreichen, als durch das Abwarten, bis es einen sicheren Nachweis der subklinischen Ausbreitung der Krankheit gibt (wir haben berichtet). Studien mit Interferon-beta-Präparaten haben gezeigt, dass eine Behandlung gleich nach dem ersten Schub den Krankheitsverlauf günstig beeinflussen und einen neuerlichen Schub deutlich hinauszögern kann. Ein zweiter MS-Schub gilt als Sicherung der klinische Diagnose einer MS.

Neben Beta-Interferon stehen nun auch monoklonale Antikörper mit einer spezifischen Wirkung gegen die MS zur Verfügung. Der monoklonale Antikörper Natalizumab richtet sich gegen das alpha-4beta-1-Integrinmolekül an der Oberfläche von weißen Blutkörperchen. Wird es blockiert, wird der Einstrom der aggressiven Immunzellen in das Zentralnervensystem im Rahmen der MS blockiert. In Studien zeigte Natalizumab allein und in Kombination mit Interferon beta-1a eine hohe Wirksamkeit. Natalizumab, das unter dem Handelsnamen Tysabri vertrieben wird, reduzierte das Risiko eines Fortschreitens der Behinderung um etwa 40 Prozent und die Schubhäufigkeit um 68 Prozent. Die Kombinationstherapie von Natalizumab und Intaferon beta 1-a führte zu einer 24-prozentigen Reduktion des relativen Risikos für eine anhaltende Progression der Behinderung im Vergleich zu Intaferon beta-1a allein.

Ein Ansatz für die Entwicklung künftiger Therapien versucht, bestimmte Zellen, die sogenannten Chemokine, zu inaktivieren und damit eine Verbesserung der Krankheitssymptome zu erreichen. Chemokine spielen bei Entzündungsprozessen eine wichtige Rolle. An Mäusen wurde die Wirksamkeit bereits gezeigt. Für Menschen steht sie allerdings noch aus.

Gleiches gilt für die Leptin-Blockade. Wird das Hormon blockiert, dann schwächt sich neben der Aggressivität der T-Zellen gegen den eigenen Körper auch ihre Bereitschaft zu Autoimmunreaktionen ab. Die Wissenschaftler hoffen, damit einen neuen Ansatz für die Therapie der Multiplen Sklerose gefunden zu haben. Am Menschen muss sich die Wirsamkeit erst noch bestätigen. Neue Ansätze hinsichtlich Entstehung und Therapie bei MS sind auch veränderte Ionenkanäle – besonders für Natrium und Calcium – auf demyelinisierten Nervenfasern.

Eine Impfung gegen MS zu entwickeln, beschäftigt ebenso die MS-Forscher. Etwa aus inaktivierten, ursprünglich gegen Nervenscheiden gerichteten T-Zellen einen Impfstoff gegen das Fortschreiten der Erkrankung zu entwickeln. Prof. Comi warnt jedoch vor großen Erwartungen.

Quelle: newsticker.at (30.05.06)

Redaktion: AMSEL e.V., 01.09.2006