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Mikro-RNA als weiterer Bluttest für Multiple Sklerose?

Die Neurofilamente erhalten "Konkurrenz": Forscher aus Portugal finden in Mikro-RNA eine weitere Möglichkeit, die MS zu messen.

Seit Jahrzehnten gibt es im wesentlichen zwei Mittel, um eine Multiple Sklerose genau zu diagnostizieren:

  • die Analyse von Rückenmarksflüssigkeit, dem sogenannten Liquor, welches durch eine Rückenmarkspunktion gewonnen wird, und
  • Aufnahmen im Kernspin, wobei eine einzige Aufnahme zu einem Zeitpunkt im Magnetresonanz-Tomographen (MRT) oft noch keine Gewissheit bringt. Erst wenn zu einem späteren Zeitpunkt (etwa nach einem zweiten Schub) Veränderungen im MRT zu sehen sind, lässt sich die Diagnose MS stellen.

Beides, sowohl die Liquoranalyse als auch Kernspinaufnahmen sind relativ aufwendig bzw. brauchen Zeit. Nicht selten ist es deshalb ein mitunter Jahre währender Weg bis zur gesicherten Diagnose MS.

Abwarten und Tee trinken?

Könnte man nach dem ersten Verdacht, zum Beispiel Doppelbild-Sehen, die Diagnose schneller und durch eine einfache Blutabnahme stellen, dann würden einige Patienten früher mit einer passenden Behandlung starten können. Zwar sind manche der für MS zugelassenen Wirkstoffe bereits bei CIS (dem klinisch isolierten Syndrom, das auf eine MS hindeutet, sie aber noch nicht mit Gewissheit diagnostiziert) zugelassen. Weil jedoch Nebenwirkungen nicht auszuschließen sind, warten Patienten oft ab, bis sie eine gesicherte MS-Diagnose haben.

Klar, möchte niemand, der gar keine MS hat, mögliche Nebenwirkungen mit in Kauf nehmen.  Für diejenigen, bei denen es später zu einer gesicherten Diagnose kommt, geht jedoch wertvolle Zeit verloren. Denn, darüber sind sich Neurologen einig, je früher man beginnt, die MS zu behandeln, desto mehr Lebensqualität und Selbstständigkeit bleibt den Patienten erhalten.

Diagnose Multiple Sklerose schneller stellen

Die gute Nachricht: Das könnte sich bald ändern und die Diagnose Multiple Sklerose schneller gestellt werden. Bereits Ende Juni 2020 hatte amsel.de über Neurofilamente berichtet, eine Möglichkeit, die MS über das Blut der Patienten zu diagnostizieren (und sogar, eine Aussage zum Fortschreiten der Erkrankung zu machen). Und es gibt mit der Analyse von Mikro-RNA möglicherweise einen zweiten Weg, die MS über eine Blutabnahme festzustellen. Freilich steht diese Möglichkeit nicht wirklich in Konkurrenz zu den Neurofilamenten, vielmehr könnten sich beide Bluttests auch ergänzen.

Wie portugiesische Forscher auf dem virtuellen Kongress der European Academy of Neurology (EAN) berichtet haben, sind es vier verschiedene Mikro-RNA, die zusammen eine Speziftität von 90 % und eine Sensitivität von 84 % bieten. Ist ein Test zu 90 % spezifisch, dann bedeutet dies, dass im Durchschnitt bei 90 von 100 untersuchten nicht erkrankten Patienten, der Test negativ ausfiel ("richtig-negativ"). Ist ein Test zu 84 % sensitiv, dann bedeutet dies, dass der Test bei 84 von 100 untersuchten erkrankten Patienten positiv ausfiel ("richtig-positiv"). Keine Frage, es wäre wünschenswert eine Sensitivität von 100 % und eine ebensolche Spezifität zu haben. Doch gerade gemeinsam mit anderen Untersuchungen lässt ein solcher Test doch eine bessere Diagnose zu als die bisherigen Mittel.

MikroRNA: zusammen gute Aussagekraft

Eine Mikro-RNA (miR) für sich alleine genommen, brachte nur ungenügende Spezifität und Sensitivität. Um solch relativ präzise Testergebnisse zu erhalten, haben die portugiesischen Forscher folgende vier Mikro-RNA, die alle Einfluss auf das Entzündungsgeschehen haben, zu Grunde gelegt:

  • miR-146a
  • miR-155 i
  • miR-21
  • miR-22

Untersucht wurden 84 MS-Patienten und eine Kontrollgruppe mit 42 Gesunden. Größere Studien sind nötig, um die Ergebnisse zu bestätigen und den Test differenzialdiagnostisch zu prüfen. Mit den erwähnten Neurofilament-Leichtketten-Proteinen ist man da heute bereits weiter auf dem Weg zu einem geeigneten Biomarker für Multiple Sklerose. NFL finden bereits Anwendung in Wirkstoffstudien. Möglicherweise könnten sich jedoch beide Tests als Biomarker ergänzen. Wünschenswert wäre in jedem Fall eine schnellere und präzisere MS-Diagnose. 

Quellen: EctriMS 2019;European Academy of Neurology (EAN) Virtual Congress. MS and relateddisorders 3. Development of a circulating microRNA biomarker panel forMultiple Sclerosis, 26.5.2020; InFo Neurologie + Psychiatrie 2020, S. 60.

Redaktion: AMSEL e.V., 23.07.2020