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Künstliches Peptid fördert Aussprossung von Nerven

Ob es auch bei Multipler Sklerose helfen könnte, ist offen. Doch im Tierversuch gelang den Forschern Erstaunliches.

Rückenmarksverletzungen, erst recht Querschnittslähmungen teils wieder rückgängig zu machen, ist bislang ein Traum. Amerikanischen Forschern gelang dieser Schritt zumindest teilweise: Sie gaben querschnittsgelähmten Ratten manche ihrer Funktionen wieder zurück - das ist schon ein enormer Schritt.

Im gleichen Atemzug sei jedoch deutlich darauf hingewiesen, dass zum einen eben nicht alle Funktionen wiedererlangt werden konnten und zum anderen noch völlig unklar ist, ob sich das Verfahren auf den Menschen übertragen lässt.

Tägliche subkutane Injektionen eines Kunstpeptids, das die Narben­bildung im Rückenmark unterbindet und dadurch die Bildung neuer Nerven erleichtert, hat bei 21 von 26 Tieren einer Versuchsreihe die Folgen einer Querschnittslähmung gelindert. Bevor die Behandlung beim Menschen eingesetzt werden kann, sind weitere präklinische Studien notwendig, schreibt das Deutsche Ärzteblatt.

Glia verkleben den Weg

Das Problem bei Verletzungen im Rückenmark sind die entstehenden Glia-Narben. Sie hindern die einmal durchtrennten Nervenzellen daran, erneut auszusprossen und neue Nervenbahnen herzustellen.

Ein internationales Forscherteam um Jerry Silber der Case Western Reserve University, Cleveland hat herausgefunden, was genau in der Glia-Narbe das Wachstum der Nerven unterbindet: ein Protein, das die Spitzen der regenerierenden Nerven mit dem Narbengewebe verklebt. Die Forscher entwarfen ein Molekül, das sie "intrazelluläres Peptid Sigma" (IPS) tauften, welches die Klebestellen im Gliagewebe besetzt und so den Nervenzellen ermöglicht weiterzuwachsen. Verbunden mit einer kurzen Peptidkette kann das IPS die Blut-Hirn-Schranke überwinden und somit ins ZNS (Gehirn und Rückenmark) übertreten und dort wirken.

Die ersten tierexperimentellen Versuche verliefen positiv. Die querschnittsgelähmten Tiere erhielten 7 Wochen lang täglich IPS. 21 der 26 Tiere überwanden ihre Blasenlähmung, auch die Bewegungen der Tiere verbesserten sich. Keines der Tiere erholte sich vollständig, doch auch die Regeneration einzelner Körperfunktionen wäre für die meisten Patienten bereits ein Gewinn.

Potenzial auch für Multiple Sklerose

Als die Forscher das Rückenmark später unter dem Mikroskop untersuchten, entdeckten sie, dass sich neue Axone gebildet hatten. Es handelte sich dabei um serotonerge Neurone, so das Deutsche Ärzteblatt weiter. Es hatten sich in erster Linie sensorische Bahnen gebildet. Eine Erneuerung motorischer Neurone war nicht erkennbar. Dennoch hatten sich die Tiere in den Wochen zuvor auch von motorischen Störungen erholt.

"Unsere Behandlungsstrategie war so ausgedacht, dass sie leicht und übertragbar sein sollte," so Bradley Lang, führender Autor der Studie: "Unser Ziel ist es, diese Therapie weiterzuentwickeln, um Rückenmarksverletzungen zu behandeln." Und ISP habe außerdem das Potenzial, auch die Auswirkungen anderer Erkrankungen mit bestimmten Narbenbildungen zu lindern wie etwa Multiple Sklerose und Herzinfarkt.

Quelle: Nature, 03.12.2014; Pressemitteilung der Case Western Reserve University, 03.12.2014; Deutsches Ärzteblatt, 05.12.2014

Redaktion: AMSEL e.V., 24.02.2015