Gleich 2 Biomarker können künftig das PML-Risiko von Patienten mit Multipler Sklerose unter Natalizumab (Handelsname Tysabri)bestimmen helfen: Wissenschaftler der Universität Münster haben in einer KKNMS-Studie (Krankheitsbezogenes Kompetenznetz Multiple Sklerose) sowohl JCV-Antikörper als auch L-Selektin (CD62L) als Biomarker für die Progressive multifokale Leukenzephalopathie (PML) bestätigt.
Biomarker, um Risikogruppen einzugrenzen
Der Wirkstoff Natalizumab dient der Therapie von (hoch) aktiven Verläufen der schubförmigen Multiplen Sklerose. Eine seltene jedoch gefährliche Nebenwirkung des Medikaments ist die PML. Umso wichtiger ist es, Parameter zu kennen, welche das individuelle PML-Risiko eines Patienten bestimmen. Nach Biomarkern wird deshalb unter Hochdruck geforscht.
Bereits 2013 lieferte die Arbeitsgruppe aus Münster hierzu erste Ergebnisse: Sie erkannten L-Selektin (CD62L) als möglichen Biomarker für eine PML. Patienten, denen dieses Molekül fehlt, haben ein erhöhtes Risiko für die Hirninfektion. Diese Vermutung hat sich nun anhand einer größeren Patientengruppe bestätigt: "Ein niedriger CD62L-Level erhöht laut unserer Studie das Risiko für die Entwicklung einer PML um das 55-fache", so Prof. Dr. Heinz Wiendl, Leiter der Arbeitsgruppe in Münster und stellvertretender Vorsitzender des KKNMS, "wir möchten aber betonen, dass dieser Parameter alleine nicht aussagen kann, ob ein Patient wirklich an einer PML erkranken wird."
Doppelt hält besser: 2 Parameter
Der JCV-Index verbessert die Aussage noch. Die Arbeitsgruppe hat ermittelt, dass dieser mit CD62L korreliert: "Es zeigte sich folgendes – je niedriger der CD62L-Level, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass der gleiche Patient ebenfalls JCV-positiv ist oder durch eine Serokonversion JCV-positiv wird. Weitere Forschungsbemühungen zu einem möglichen Algorithmus unter Verwendung beider Daten könnte die Prädiktion der PML in Zukunft noch genauer machen", hofft Dr. Nicholas Schwab von der Neurologischen Klinik der Universität Münster, Erstautor beider Paper.
Auch der JCV-Serostatus wurde als starker Biomarker bestätigt. In einer zweiten Studie stellte die Forscher nämlich fest, dass bei Patienten, die mit Natalizumab behandelt werden, eine Serokonversion wahrscheinlicher ist als bei denen ohne Natalizumabtherapie. Außerdem erhöhte sich die Konzentration der JCV-Antikörper bei den zu Beginn positiv getesteten Patienten kontinuierlich unter der Behandlung.
Hochrisikogruppe enger gefasst
Die Ergebnisse bekräftigen die engmaschige und regelmäßige Kontrolle von MS-Patienten vor und unter der Therapie mit Natalizumab. Die Bestätigung von CD62L, JCV-Serostatus und JCV-Index als Biomarker für eine PML ist ein wichtiger Schritt, um die MS-Behandlung sicherer zu machen. Als Risikoparameter dienten bislang lediglich die Vorbehandlung mit Immunsuppressiva und das Vorhandensein von Antikörpern gegen das JC-Virus. Diese sind nicht sehr aussagekräftig, da nur ein Prozent der dadurch identifizierten Hochrisikogruppe tatsächlich eine PML entwickelt. Der Großteil hingegen setzte womöglich eine hochwirksame Therapie zu Unrecht ab – dies könnte sich durch die neuen Biomarker zukünftig ändern.
Quelle: Neurology, 27.01.2016; Pressemitteilung des Krankheitsbezogenen Kompetenznetzes Multiple Sklerose (KKNMS), 15.02.2016
Redaktion: AMSEL e.V., 15.02.2016