Irrtum: MS sieht man

AMSEL räumt auf mit den Irrtümern und Vorurteilen über MS. Heute das Thema: Multiple Sklerose sieht man. Hat ein Erkrankter Probleme beim Gehen, stimmt das. Viele der zahlreichen Symptome der MS sind aber unsichtbar.

Multiple Sklerose ist eine Erkrankung, deren Symptome man sieht, denken viele. In der Öffentlichkeit wird MS immer noch sehr oft mit Rollstuhl oder sichtbaren Beeinträchtigungen verbunden. Es stimmt, MS sieht man, wenn der Erkrankte z.B. Gleichgewichtsstörungen oder spastische Lähmungserscheinungen hat. Wenn er aber motorisch nicht eingeschränkt ist, sondern Sehstörungen hat, unter Fatigue leidet oder mit Blasenstörungen zu tun hat, dann sieht der Außenstehende – nichts.

Unsichtbare Symptome belasten doppelt

Die Zahl unsichtbarer Symptome bei MS ist groß: Fatigue, Sehstörungen, kognitive Störungen, Schmerzen, Sensibilitätsstörungen, depressive Verstimmungen, Blasenstörungen, um einige zu nennen. Sie alle sind schwerwiegende Symptome der MS, unter denen Erkrankte oft doppelt leiden. Zum einen unter dem Symptom, das ihr Leben erheblich beeinflussen kann, und zum andere durch das Unverständnis des Umfelds.

Weil sie nicht sichtbar sind, können Partner, Angehörige, Kollegen, Freunde sie schwer nachvollziehen. "Ich fühle mich auch oft schlapp.", "Das geht vorbei." oder "Du musst es nur wollen." sind dann Sätze, die Betroffene oft hören und sie zusätzlich belasten.

Natürlich ist jeder mal erschöpft. Aber die vorübergehende Erschöpfung eines gesunden Menschen hat mit der abnormen Erschöpfkarkeit eines MS-Erkrankten, der Fatigue, nichts zu tun. Sie lässt einem MS-Erkrankten keine Wahl. Hat ein Erkrankter plötzlich auftretende Fatigue, dann verlangt der Körper eine sofortige Pause. Sie kann auch mit bestem Willen nicht auf später verschoben werden, weil es dann vielleicht besser passt. Gerade im Arbeitsleben kann das für Betroffene starken Stress auslösen. Übrigens: Unter Fatigue leiden rund 70 Prozent aller MS-Erkrankten.

Belastend und mit Scham besetzt

Unsichtbare Symptome belasten aber nicht nur, sie sind oft auch schambesetzt. Wer beispielsweise unter Funktionsstörungen von Blase und Darm leidet, zieht sich aus Angst vor möglichen "Missgeschicken" häufig aus dem sozialen Leben zurück. Aus Scham schweigen Betroffene und nehmen sich damit die Chance, ihre Lebensqualität zu erhalten, unabhängig und mobil zu bleiben.

Die meisten Betroffenen fühlen sich durch unsichtbare Symptome ihrer MS übrigens mehr beeinträchtigt als durch sichtbare. Unter anderem, weil die Umwelt anders reagiert. Wenn also ein junger Mensch, der äußerlich unversehrt scheint, in der Straßenbahn einen Sitzplatz benötigt, muss das nicht Gedankenlosigkeit sein. Es kann auch heißen, dass er ihn aufgrund nicht sichtbarer Symptome der Multiplen Sklerose benötigt – die Krankheit steht ihm nicht auf die Stirn geschrieben.

Redaktion: AMSEL e.V., 23.06.2017