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Interleukin-17 schuldlos verdächtigt

16.12.08 - Der Botenstoff mag bei Haut und Lunge eine Rolle als Bösewicht spielen. Mit Multipler Sklerose jedoch hat er scheinbar nichts am Hut, wie Prof. Burkard Becher nun am Tiermodell zeigte.

Nach wie vor gilt, dass der Botenstoff Interleukin-17 verantwortlich ist für die Entstehung von Entzündungen bei Autoimmunkrankheiten. Forscher der Universität Zürich und des Universitätsklinikums Mainz zeigten allerdings, dass der Botenstoff überraschenderweise bei der Entzündung der Nerven im Gehirn keine Rolle spielt.

Eine verbreitete Annahme im Zusammenhang mit der Entstehung von Multipler Sklerose ist damit widerlegt und wird vermutlich Auswirkungen auf die bisherige Therapieausrichtung bei Multipler Sklerose haben, wie die Forscher in der renommierten Zeitschrift "Journal of Clinical Investigation" berichten.

T-Helferzellen attackieren Organe

Bei Autoimmunkrankheiten wie der Multiplen Sklerose, der rheumatischen Arthritis, der Schuppenflechte und der juveniler Diabetes greift das Immunsystem versehentlich den eigenen Körper an. Insbesondere sogenannte Helfer-T-Zellen sind schuld an der fatalen Immunreaktion, die zur Attacke körpereigener Organe führt anstatt sich nur gegen schädliche Mikroorganismen zu richten.

Vor kurzem wurde eine solche, neue Klasse von Helfer-T-Zellen identifiziert und aufgrund des von ihnen ausgeschütteten Botenstoffes Interleukin-17 als TH17-Zellen bezeichnet. In den letzten drei Jahren erhärtete sich der Verdacht, dass genau dieser Zelltyp verantwortlich ist für die Entstehung der erwähnten Autoimmunerkrankungen.

Neue therapeutische Strategien

Diese Erkenntnis ließ Unternehmen auf der ganzen Welt ihre therapeutischen Strategien zur Bekämpfung von MS und anderen Autoimmunerkrankungen so ausgelegen, dass vor allem TH17-Zellen bekämpft werden sollen. Bei der Behandlung der Schuppenflechte wurden sogar die ersten therapeutischen Erfolge im Menschen gezeigt.

Der Forschergruppe um den Zürcher Immunologen Prof. Burkhard Becher ist es nun in enger Zusammenarbeit mit Forschern aus Genf, Mainz und Berlin gelungen, die spezifische Funktion des Botenstoffes Interleukin-17 zu entschlüsseln. "Wir waren vollkommen erstaunt als wir bemerkten, dass Interleukin-17 im Gehirn überhaupt keine Rolle zu spielen scheint", sagt Burkhard Becher.

Haut, Gelenke und Lunge betroffen

Die Mainzer und Zürcher Gruppen haben gemeinsam versucht herauszufinden, warum Interleukin-17 entgegen allen Annahmen im Tiermodel der Multiplen Sklerose keine Rolle zu spielen scheint. Mit Hilfe der Gentechnik und genmanipulierten Zellen wurde plötzlich klar, dass Interleukin-17 in der Tat eine zentrale Rolle bei der Entstehung von Entzündungen spielt.

"Insbesondere die Haut, die Gelenke, die Lunge und andere Organe sind davon massiv betroffen; das Gehirn aber überraschenderweise nicht", erklärt Becher. "Die gute Neuigkeit ist, dass man nun besser weiß, bei welchen Erkrankungen Interleukin-17 als Bösewicht auftritt." Bei MS scheint das nicht der Fall zu sein. Aber auch dieses "negative" Ergebnis ist wichtig, um die Mechanismen des Krankheitsverlaufes besser zu begreifen.

Prof. Becher erwartet, dass die Forschungsergebnisse einen großen Einfluss auf zukünftige therapeutische Strategien haben werden. Klar ist nun, dass zwar grundlegende Mechanismen bei den meisten Autoimmunerkrankungen grosse Ähnlichkeiten aufweisen. Allerdings ist jetzt auch erwiesen, dass man diese Erkrankungen nicht alle gleich behandeln kann. "Das Hirn ist halt anders als die Haut oder die Lunge", sagt Becher. "Nun müssen wir herausfinden, welche Eigenschaften Immunzellen haben, die das Gehirn angreifen. Die Ausschüttung von Interleukin-17 ist dafür sicherlich nicht verantwortlich."

Originalbeitrag:

Stefan Haak, Andrew Croxford, Katharina Kreymborg, Frank Heppner, Sandrine Pouly, Burkhard Becher & Ari Waisman: IL-17A and IL-17F do not contribute vitally to autoimmune neuro-inflammation in mice. In: Journal of Clinical Investigation. Doi: 10.1172/jci35997

Quelle: idw online, 11.12.08; Journal of Clinical Investigation

Redaktion: AMSEL e.V., 16.12.2008