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Influenza, Schweinegrippe & Co.

Das Kompetenznetz Multiple Sklerose und der Ärztliche Beirat der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft raten zur Grippeschutzimpfung.

Stellungnahme des KKNMS und des Ärztlichen Beirats der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft, Bundesverband e.V.: Grippe und Grippeschutzimpfung bei Multipler Sklerose

Influenza und Multiple Sklerose

Bei Patienten mit Multipler Sklerose besteht eine erhöhte gesundheitliche Gefährdung durch das leicht übertragbare Influenza-Virus: Eine Influenza-Infektion kann nachgewiesenermaßen MS-Schübe auslösen.

In einer kürzlich durchgeführten Meta-Analyse von Farez und Correale fanden sich keine Hinweise, dass nach einer Influenza-Impfung ein erhöhtes MS-Risiko besteht (Odds-Ratio 0,97, 95%-Konfidenzintervall [0,77; 1,23], p=0,873). Für die Frage, ob eine Influenza-Impfung zu einer Zunahme der Schubrate führt, ermittelten die Autoren eine Odds-Ratio von 1,24 [0,89; 1,72], die bei der statistischen Analyse aber kein Signifikanzniveau erreichte (p=0,2). Damit war das relative Risiko bei MS-Patienten, nach einer Influenza-Impfung einen Schub zu erleiden, in der Metaanalyse von vier Studien nicht erhöht. Allerdings muss diese Schlussfolgerung mit Vorsicht betrachtet werden, da insgesamt nur 156 geimpfte Patienten und 157 Kontrollen in die Analyse eingingen.

Influenza-Viren unterscheiden sich immunologisch durch die Zusammensetzung ihrer Oberflächenantigene Hämagglutinin (H) und Neuraminidase (N). In der Regel treten während einer Grippesaison zwei bis drei unterschiedliche Influenzastämme auf, die von der WHO als Antigenkomponenten für den saisonalen Grippeimpfstoff empfohlen werden. Dabei werden zwei Influenza A- und ein Influenza B-Stamm für den entsprechenden Impfstoff jeweils für die Nord- und Süd-Halbkugel ausgewählt. Für die Grippesaison 2011/2012 ist die Zusammensetzung des Impfstoffs gegenüber dem Vorjahr nicht verändert worden: Er enthält einen A(H1N1)-Stamm des ehemals pandemischen Schweinegrippevirus, einen A(H3N2)- und einen Influenza B-Stamm.

Wurde bereits 2010 gegen Grippe geimpft, sollte gemäß den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission des Robert-Koch-Instituts bei entsprechender Indikation (z. B. Menschen mit MS) in dieser Saison erneut geimpft werden, da nach einem Jahr ein ausreichender Impfschutz nicht mehr hinreichend sicher gewährleistet ist. Mit Blick auf die saisonalen Änderungen der Antigen-Zusammensetzung in den Influenza-Impfstoffen muss aus neurologischer Sicht potenziellen Impfnebenwirkungen kontinuierlich Aufmerksamkeit geschenkt werden.

Schweinegrippe

Für die im Juni 2009 von der WHO zur Pandemie erklärte neue Influenza/Schweinegrippe mit dem H1N1-Virus wurde auf Basis der bisherigen Impfstoffe gegen saisonale Grippe eine Schutzimpfung entwickelt. In einer kleinen Fallstudie hatten 15 geimpfte MS-Patienten ein relatives Risiko (RR) von 6,0, innerhalb von zwei Monaten nach der Impfung einen Schub zu erleiden. Eine größere Fallstudie mit 60 MS-Patienten zeigte im Gegensatz dazu, dass das Risiko einen Schub zu entwickeln: 30, 60 und 90 Tage nach einer H1N1-Impfung nicht höher war als vor der Impfung (relatives Risiko: 0,84; 0,61 und 0,51).

In einer weiteren Fallstudie wurden von 35 alleine oder in Kombination mit dem saisonalen Influenza-Impfstoff gegen Schweinegrippe geimpften MS-Patienten keine klinischen Krankheitsschübe in den Monaten nach der Impfung beobachtet. Eine schwedische Studie an 1.024.019 gegen den H1N1-Influenzastamm Geimpften fand gegenüber 921.005 Ungeimpften kein erhöhtes Risiko, eine Multiple Sklerose zu entwickeln.

Mittlerweile ist die pandemische Phase der Schweinegrippe zwar beendet, doch ist das H1N1-Virus weiterhin für saisonale Infektionen verantwortlich. Deshalb wurde auch in der aktuellen Grippesaison der Stamm bei der Antigenzusammensetzung der Influenzaimpfung berücksichtigt.

Vogelgrippe

Die herkömmliche Influenza-Impfung bietet keinen Schutz vor der Vogelgrippe. Eine direkte Übertragung von Mensch zu Mensch gilt allerdings als nahezu ausgeschlossen. Die entwickelten Impfstoffe werden nur zur Prophylaxe
im Fall einer offiziell erklärten pandemischen Situation eingesetzt. Gegenwärtig liegen daher keine Daten zur Impfung gegen das Vogelgrippevirus H5N1 und ihre mögliche Auswirkung auf Multiple Sklerose vor.

Influenzaimpfung unter Immunmodulation

Unter einer immunsuppressiven Therapie kann der Impferfolg teilweise ausbleiben. Systematische Untersuchungen zum Impfschutz nach einer Influenza-Impfung unter verschiedenen Immuntherapeutika liegen allerdings nur punktuell für einzelne Substanzen vor.

So wird unter einer immunmodulatorischen Behandlung mit Interferon-beta1a nach einer Influenza-Impfung eine ausreichende Immunantwort aufgebaut. Zusätzlich zeigen tierexperimentelle Befunde sogar, dass rekombinantes Interferon-alpha und Interferon-beta einen unterstützenden Effekt auf eine Influenza-Impfung haben können.

Für die Therapie mit Fingolimod konnte rezent gezeigt werden, dass es nach Grippeschutzimpfungen zu vergleichbaren impfspezifischen Immunantworten wie bei gesunden Kontrollpersonen kommt. Eine entsprechende Untersuchung liegt für monoklonale Antikörper insbesondere Natalizumab bislang nicht vor. Zusammenfassend gibt es bisher keine Hinweise für eine verminderte Sicherheit einer Influenza-Impfung während laufender Immuntherapie, allerdings wurde diese Frage bislang nicht systematisch untersucht.

Fazit für die Praxis

Virale Infektionskrankheiten wie Influenza, die den Krankheitsverlauf der MS durch Auslösung eines Schubs ungünstig beeinflussen können, lassen sich durch Schutzimpfungen leicht vermeiden oder in ihrem Verlauf deutlich abmildern: Impfungen senken so das Schubrisiko und verringern daraus resultierende gesundheitliche Einschränkungen und sozioökonomische Belastungen. Mehrere Studien kamen zu dem Ergebnis, dass die Influenza-Impfung bei MS sicher ist. Die Ständige Impfkommission am Robert-Koch-Institut empfiehlt daher eine regelmäßige saisonale Grippeschutzimpfung für alle MS-Patienten. Das KKNMS und der Ärztliche Beirat der DMSG schließen sich aus o.g. Gründen dieser Empfehlung an.

Totimpfstoffe, wie sie bei Influenza zum Einsatz kommen, können in

der Regel problemlos angewendet werden. Nach gegenwärtigem Wissensstand wird auch unter den gängigen MS-Immunbasistherapeutika eine Impfantwort gegen Influenza aufgebaut.

Autoren (für das KKNMS und den Ärztlichen Beirat der DMSG, Bundesverband e.V.):
Prof. Dr. med. Uwe K. Zettl, Klinik und Poliklinik für Neurologie, Universität Rostock
OA Dr. med. Micha Löbermann, Zentrum für Innere Medizin, Abteilung für Tropenmedizin und Infektionskrankheiten, Universität Rostock
Dr. med. Alexander Winkelmann, Klinik und Poliklinik für Neurologie, Universität Rostock

Quelle: Kompetenznetz Multiple Sklerose und der Ärztliche Beirat der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft

Redaktion: AMSEL e.V., 05.12.2011