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Immundegeneration ein Domino-Effekt ?

Zu viel "let-7"-Molekül im Nervenwasser bringt das Immunsystem dazu, gesunde Nervenzellen zu zerstören, so eine Kooperationsstudie der Charité.

Teile des Immunsystems können gesunde Nervenzellen zerstören.
Wissenschaftler der Charité Universitätsmedizin Berlin zeigten dies in einer internationalen interdisziplinären Kooperation. Die Ergebnisse könnten möglicherweise neurodegenerative Prozesse erklären, wie sie bei der Alzheimer-Erkrankung auftreten, aber auch bei Multipler Sklerose, wie die AMSEL-Onlineredaktion erfahren hat.

Körperabwehr funktioniert so: Immunrezeptoren wie die Toll-like-Rezeptoren (TLR) docken an den Erreger an und lösen eine Entzündung im betroffenen Gewebe aus. Prof. Seija Lehnardt und Team von der Klinik für Neurologie und vom Institut für Zell- und Neurobiologie an der Charité haben nun nachgewiesen, dass der Immunrezeptor TLR7 nicht nur in Immunzellen des Körpers vorkommt, sondern auch in Nervenzellen zu finden ist.

Dominoeffekt der Neuronenzerstörung

Im Unterschied zur Immunzelle führt die Aktivierung von Immunrezeptoren in Nervenzellen zu degenerativen Prozessen. Dort erkennen die TLR7-Immunrezeptoren das körpereigene let-7-Molekül. Die Immunrezeptoren binden diese Moleküle und das führt zur Zerstörung der Nervenzelle. Noch schlimmer: Die geschädigten Zellen verstreuen weitere let-7-Moleküle. Die binden wiederum an die Immunrezeptoren der Nachbar-Nervenzelle und so fort: Ein Domino-Effekt, immer mehr gesunde Nervenzellen tötet.

Alzheimer-Patienten haben mehr let-7-Moleküle im Nervenwasser als gesunde Menschen, wie die Wissenschaftler zeigten. Das könnte darauf hinweisen, dass sie auch eine Rolle bei neurodegenerativen Prozessen wie der Alzheimer-Erkrankung spielen könnten.

"Die Tatsache, dass let-7 zum einen zu neuronalem Zelltod, zum anderen über Mikrogliaaktivierung zu Neuroinflammation führt, erlaubt es, unsere Daten im Kontext vieler neurodegenerativer und chronisch-entzündlicher bzw. autoimmuner ZNS-Erkrankungen zu diskutieren." erklärt Prof. Lehnardt gegenüber der AMSEL-Onlineredaktion: "Wir sind bereits dabei, Liquores [nervenwasser; Anm. d. Red.] von Patienten mit Multipler Sklerose hinsichtlich der Präsenz von let-7 Molekülen zu untersuchen."

Zudem könnten die Ergebnisse einen neuen Ansatz für die Behandlung neurodegenerativer Krankheiten liefern.

Quelle: Pressemitteilung der Charité, 28.06.2012

Redaktion: AMSEL e.V., 09.07.2012